Dokumentale’24: Bella Ciao

Bella Ciao begleitete mich an zahlreichen Lagerfeuern, bei Demonstrationen oder zuletzt in der Berichterstattung über den überraschenden Wahlsieg des Linksbündnisses in Frankreich. Viele Menschen, insbesondere aus linken Bewegungen, haben einen ganz persönlichen Bezug zu Bella Ciao. Dem Lied, das für den antifaschistischen Widerstand der italienischen Partisan*innen steht – und das als Titellied der Serie Haus des Geldes zum Sommerhit 2018 wurde. Ausgehend von diesem jüngsten popkulturellen Erfolg begibt sich die italienische Filmemacherin Giulia Giapponesi auf die Spuren des Liedes.

Giulia Giapponesi versucht sich an einer umfassenden Betrachtung des italienischen Liedes. Sie vollzieht seine Verbreitung nach, forscht nach seinen Ursprüngen und hebt seine Bedeutung als Protestlied hervor. Dafür spricht sie mit Zeitzeug*innen, Historiker*innen, Musiker*innen und Aktivist*innen. Ihr Dokumentarfilm verbindet Archivmaterial aus der italienischen (Nach-)Kriegszeit mit online Videos von Coverversionen des Liedes. Zusammengehalten und strukturiert wird diese bunte und temporeiche Zusammenstellung durch das Lied Bella Ciao, welches den inhaltlichen Bezugsrahmen bildet und dessen Textzeilen Filmabschnitte einleiten.

© Dokumentale/Bella Ciao

Heute ist Bella Ciao als Hymne der Resistenza bekannt, unklar ist jedoch wie weit verbreitet das Lied unter den Partisan*innen tatsächlich war. Seine Ursprünge liegen wahrscheinlich in einem Lied der Reispflückerinnen über ihre Arbeitsbedingungen. Populär wurde es in Italien erst nach einer Aufführung beim Spoleto-Festival 1964. Giapponesi thematisiert die Herausforderungen von Forschung zu mündlich überlieferten Volksliedern und bildet konträre Meinungen zur Geschichte des Liedes ab. Die Entstehungsgeschichte mag historisch interessant sein, für die Wirkung über Länder, Generation und politische Bewegungen hinweg ist die Herkunft nicht entscheidend.

Quilapayún protestierte mit Bella Ciao gegen die chilenische Diktatur. In den Protesten gegen die Militärjunta in der Türkei wurde die Version von Grup Yorum populär. Die Modena City Ramblers spielen ihre Version traditionell am 1. Mai in Rom zum Missfallen rechter Politiker*innen wie Berlusconi. Das Lied wurde und wird im Sudan, dem Libanon, Kolumbien, Israel und Hongkong gesungen. Auch die Klimabewegung hat ihre eigene Version gedichtet.

Bella Ciao ist mehr als eine Erinnerung an den Widerstand. Im Frühjahr 2020 schallte das Lied anstelle des Gebetsrufs aus den Minaretten von 30 Moscheen in Izmir. CHP-Politikerin Banu Özdemir teilte ein Video davon in den Sozialen Medien und wurde daraufhin festgenommen und mit einer öffentlichen Hasswelle überzogen. Mohammed Osamah Hameed produzierte und verbreitete ein Video mit seiner eigenen Version des Liedes als Kritik an der politischen Situation im Iraq. Hazal Koyuncuer verbindet das Lied der Partisan*innen mit den Kämpfen der kurdischen Bewegung in Neapel und in Rojava.

Auf der Straße, am Lagerfeuer und auf der Kinoleinwand erinnert Bella Ciao daran, dass Freiheit immer wieder erkämpft werden muss. Diese besondere Kraft des Liedes fängt Giulia Giapponesi mit ihrem Dokumentarfilm ein.

Bella Ciao läuft am 18. Juli 2024 bei der Summer Preview der Dokumentale’24

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