2018 – Das Jahr der Filmlöwin

Auch im Jahr 2018 ging es wieder rund. Auf und ab – für die FILMLÖWIN wie auch für mich privat. Neue Hoffnungen, Enttäuschungen und am Ende eine Erkenntnis und ein Versprechen an mich selbst. Aber lest selbst:

© Filmlöwin

Januar

Das Jahr 2017 war für mich ja recht aufreibend zu Ende gegangen – mit einer schwer zu verkraftenden Trennung, die mir in allen Lebensbereichen ziemlich den Wind aus den Segeln genommen hatte. Dementsprechend begann auch 2018 eher schleppend, doch immerhin mit den ersten Pressevorführungen für die Berlinale und einem Ausflug nach Saarbrücken, wo ich für Mitarbeitende des Goethe-Instituts aus der ganzen Welt, ich erinnere mich unter anderem an Länder wie Indien und Weißrussland, einen Vortrag über Geschlechterstereotype im Film hielt. Außerdem passierte im Januar etwas ganz Großes: Pro Quote Regie wurde zu Pro Quote Film und umfasst seitdem neun verschiedene Gewerke der Filmproduktion!

Film-Highlights: Die Spur, Untamed

Schwarze Liste: Der andere Liebhaber

Das Kernteam von EWA © Filmlöwin

Februar

Der Februar stand natürlich wie immer ganz im Zeichen der Berlinale, die wiederum angeblich im Zeichen der Frauen* und #MeToo-Debatte stand. Das jedoch erschien mir eher wie ein Slogan auf der Fahne des Festivals denn als tatsächlicher roter Faden. Zumindest hatten die vielen, vielen Veranstaltungen für und zu Filmfrauen* weniger mit dem Festival selbst als mit den zahlreichen vertretenen Organisationen wie Pro Quote Film, WIFT und EWA zu tun. Natürlich war der Höhepunkt des Ganzen dann der unerwartete Goldene Bär für Adina Pintilie und ihren wirklich herausragenden Film Touch Me Not.

Weitere Film Highlights: Madeline’s Madeline, Rückenwind von vorn

Schwarze Liste: Fifty Shades of Grey – Befreite Lust

© Universal

März

Dann kam der März und für mich begann eine spannende und nervenaufreibende Zeit: Ich bewarb mich nämlich für eine feste Stelle, die höchstwahrscheinlich das Ende der FILMLÖWIN bedeutet hätte, und wurde auch umgehend zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Während ich also in der zweiten Hälfte des Monats eine Auszeit nahm, begleiteten mich sowohl die Hoffnung auf einen neuen Lebensabschnitt mit finanzieller Sicherheit als auch die Angst vor dem Abschied von meinem geliebten Projekt.

Film Highlight: Maria Magdalena

© Garagefilm

April

Nach dem Ende meines Urlaubs ging’s gleich wieder in die Vollen: Zum zweiten Mal war ich nämlich Mitglied der Filmkritik-Jury des von mir sehr geschätzten Achtung Berlin Festivals. Unser Preis ging an Kerstin Polte für Wer hat eigentlich die Liebe erfunden? Und die lobende Erwähnung an Katharina Wyss für Sarah joue un loup-garou. Wenig später fuhr ich dann zum Frauenfilmfestival nach Köln, was wie jedes Jahr, eine große Freude war. Es gab großartige Filme zu entdecken, zum Beispiel Hjärtat von Fanni Metilius und A Woman Captured von Bernadett Tuza-Ritter.

Weiteres Highlight: A Beautiful Day

Schwarze Liste: Hotel Auschwitz, Breakdown in Tokyo

© Elin Halvorsen

Mai

Anfang Mai fand das erste Symposium Gender-Forschung-Film an der Filmuni Babelsberg statt, im Rahmen dessen ich auf einem Podium mit Angelina Maccarone und Sylke Rene Meyer über den „weiblichen* Blick“ diskutieren durfte. Außerdem gab es ein kleines Privat-Konzert von Sookee, das mein Fangirl-Herz höher schlagen ließ. Aber auch davon abgesehen war die Veranstaltung ein wiederholungswürdiges Highlight, das ich im Falle einer zweiten Auflage wärmstens empfehlen kann! Inzwischen lag mein Vorstellungsgespräch hinter mir und das Warten auf die Entscheidung begann. Die Zukunft der FILMLÖWIN hing am seidenen Faden.

Film-Highlights: Rara – Meine Eltern sind irgendwie anders, Meine Tochter – Figlia Mia

Juni

Endlich gab es eine Entscheidung: Für die FILMLÖWIN, gegen eine sichere berufliche Zukunft. Aber wo sich eine Tür schließt, tut sich ja für gewöhnliche eine neue auf und so begann ich, gleich an zwei Büchern mitzuarbeiten, die im kommenden Jahr erscheinen werden. Und natürlich geht es in beiden um Filmfrauen*. Dazu gleich noch mal eine Info aus dem Nähkästchen des heutigen Filmjournalismus: Nur für einen dieser beiden Aufträge wurde ich auch bezahlt!

Außerdem gelang es mir, unter euch, meinen liebsten Leser_innen, so viel Geld zu sammeln, dass ich zum Filmfest München fahren konnte. Dabei half auch die preiswerte Unterkunft, die ich bei Filmemacherin Julia Fuhr Mann fand. An Julia und alle anderen, die das möglich gemacht haben, an dieser Stelle noch einmal ein großes Danke!

Elfi Mikesch und Kerstin Polte © Filmlöwin

Thematisch konzentrierte ich mich beim Filmfest in diesem Jahr auf das Thema sexualisierte Gewalt, unter anderem auch deshalb, weil es sich auf Grund der Festivalprogrammierung anbot. Meinen zusammenfassenden Bericht mit neuen Erkenntnissen zur Darstellbarkeit von Vergewaltigung gibt’s hier.

Außerdem ein Highlight im Monat Juni war die Ausstellung Abfallprodukte der Liebe über unter anderem das Werk von Filmemacherin Elfi Mikesch. Die durfte ich dann in einem genialen Doppelinterview mit Kerstin Polte bei einem Streifzug durch ihre Exponate begleiten. Der Artikel über diese spannende Begegnung ist bei kinofenster.de erschienen.

Film-Highlights: The Rider, The Tale

Schwarze Liste: M

Juli

Der Juli stand ganz im Zeichen eines der beiden Buchprojekte, so dass ich ausgesprochen wenig Zeit für Kinobesuche hatte. So blieb es denn auf der FILMLÖWIN ein vergleichsweise ruhiger Monat.

© Friedrich Ebert Stiftung

Weniger ruhig war meine Gemütsverfassung. Ich musste nämlich schockiert feststellen, dass die Veranstaltungsreihe Feminism and Popcorn, die ich im Vorjahr gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung konzipiert hatte (größtenteils unbezahlt natürlich), ohne mein Wissen und vor allem ohne meine Beteiligung weitergeführt wurde. Ich war tief enttäuscht. Zum Einen weil ich sehr viel Herzblut in das Projekt gesteckt hatte und es aus meiner Initiative hervorgegangen war, die Stiftung nach Möglichkeiten einer dauerhaften Zusammenarbeit zu fragen. Zum Anderen weil eben jene Formen der Zusammenarbeit für mich als freie Journalistin und Aktivistin im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig sind. Ich fühlte mich unheimlich betrogen und teilte dies den Verantwortlichen umgehend mit. Zunächst stieß mein Ärger auf Verständnis. Ein Personalwechsel hatte dazu geführt, dass mein Name nicht mehr in Zusammenhang mit der Veranstaltung gebracht wurde. Die neuen Verantwortlichen sicherten mir zu, mich bei der nächsten Veranstaltung wieder miteinzubeziehen. Die fand dann Ende 2018 statt – wieder ohne mich zu informieren. Ich schrieb eine protestierende Email an drei (!) unterschiedliche Personen und erhielt keine Antwort. Erst als ich öffentlich auf Facebook unter der Ankündigung einer ähnlichen Veranstaltung der FES in München meinen Ärger artikulierte, erhielt ich ein Gesprächsangebot für das kommende Jahr. Wieder war von Missverständnissen die Rede. Ich bin skeptisch und wenig motiviert, habe ich doch meine Position schon vor einem halben Jahr sehr deutlich gemacht – ohne Erfolg.

Auch solche Erlebnisse sind Teil meines beruflichen Alltags. Sie sind immens frustrierend und bedrückend und lassen mich regelmäßig an meiner Berufswahl zweifeln. Und sie ziehen enorm viel Energie. Mir ist es wichtig, auch solche Geschichten zu erzählen, um transparent zu machen, wie die Situation freier Autor_innen, Speaker_innen, Blogger_innen und ähnlichen Berufssparten aussieht, wie sehr wir ums Überleben und eine faire Bezahlung oder doch zumindest Respekt für unsere Arbeit kämpfen und wie ermüdend eben jene Kämpfe auf Dauer sind.

Film-Highlight: Gute Manieren

© Silke Mayer

August

Im August verfasste ich tatsächlich keinen einzigen Text für die FILMLÖWIN. Ich kann mich nicht erinnern, wann dies das letzte Mal der Fall gewesen ist. Das lag zum Einen am schon mehrfach erwähntem Buchprojekt, zum Anderen an der Sommerpause in der zweiten Monatshälfte sowie an einem Workshop, den ich im Rahmen des Girls’ Riot Programms vom KUKI Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche halten durfte. Damit übrigens ging ein kleiner Traum in Erfüllung: endlich einmal meine filmfeministische Arbeit der nächsten Generation vermitteln. Das Überraschende an dieser Geschichte: Die jungen Teilnehmerinnen verfügten bereits über ein irrsinnig großes Wissen zu feministischen Themen. „The Future is Female“, kann ich da nur sagen.

Dass ich die FILMLÖWIN so schändlich vernachlässigte, lag aber sicher auch an der wachsenden Gewissheit, dass es auf Dauer so nicht weitergehen konnte: Hatte ich gewinnbringende Engagements wie Workshops und Buchprojekte, blieb keine Zeit für die FILMLÖWIN. Arbeitete ich an der FILMLÖWIN, hatte ich kein Einkommen. Was nun?

© Filmfest München 2018

September

Aber dann kam wie so oft alles anders: Kaum hatte ich nach meinem Urlaub wieder deutschen Boden unter den Füßen, erhielt ich die große Neuigkeit: Ich hatte ein Stipendium erhalten – für die Arbeit an der FILMLÖWIN. Ein Jahr lang würde ich nun meinen Nebenjob auf Eis legen und mich intensiver meiner filmfeministischen Arbeit widmen können.

Die erste berufliche Amtshandlung war dann ein Podium an der Summerschool der freien Berliner Filmschule „Filmarche“. Für Kinobesuche blieb in diesem Monat dann aber leider schon wieder wenig Zeit, weil ich mit der Vorbereitung eines zweitätigen Seminars beschäftigt war, das letztlich auf Grund mangelnder Teilnehmer_innen nicht zustande kam – wieder einmal unbezahlte Arbeit, aber nicht umsonst, denn wahrscheinlich wird es in abgeänderter Form 2019 stattfinden. Am Ende des Monats ging es dann wie gewohnt zum Filmfest Hamburg, ein weiteres Festival, das ich sehr schätze und das die FILMLÖWIN seit Jahren durch eine Einladung unterstützt.

Film-Highlights: Glücklich wie Lazzaro, Styx

© Filmlöwin

Oktober

Kaum war ich vom Filmfest Hamburg zurück in Berlin ging es schon wieder auf die nächste Reise, diesmal nach Linz, um wie schon im Vorjahr Publikumsgespräche bei der Filmreihe Frau.Macht.Film zu führen. Nach meiner Rückkehr setzte ich mich wieder an die (vergebliche) Vorbereitung des Seminars und die Sichtungen für den Juliane-Bartel-Medienpreis. Außerdem fand im Oktober natürlich auch wieder das Pornfilmfestival statt, für das ich dank des Stipendiums, das in eben diesem Monat begann, endlich einmal wieder richtig viel Zeit hatte! Und ebenfalls dank des Stipendiums und einer Einladung des Festivals hatte ich auch die Gelegenheit zum DOK Leipzig zu fahren! Dort stellte übrigens die AG Dok Zahlen zur Geschlechterverteilung in der Dokumentarfilm-Regie vor – wenig überraschend, aber eben sehr aussagekräftig hinsichtlich sexistischer Strukturen auch in dieser Sparte der Filmproduktion.

Film-Highlights: In SearchBixa Travesty, Second Shutter

Schwarze Liste: A Star Is Born

November

Der November war im gesamten Jahr 2018 der anstrengendste. Interessanter Weise war dies schon 2017 der Fall gewesen – ich werde also 2019 den Herbst besser planen müssen. Nach dem DOK Leipzig nämlich ging es dann zu den Remake Frankfurter Frauenfilmtagen, wo ich nicht nur ein großartiges Filmprogramm miterleben durfte, sondern auch eine umjubelte Filmeinführung zu Yours in Sisterhood hielt. Und ich lernte Laura Mulvey kennen (Fangirl-Alarm!).

Wenig später ging es dann zur Jurysitzung und Verleihung des Juliane Bartel Medienpreises. Und weil das für den November einfach noch nicht genug war, fuhr ich dann noch zur La Doc Konferenz, in deren Vorfeld ich an der Kölner Hochschule für Medien einen zu meiner großen Freude völlig überlaufenen Workshop zu Geschlechterstereotypen hielt. Vorher war ich zu diesem Workshop sogar vom Deutschlandfunk interviewt worden. Das Interesse am Thema steigt spürbar!

Film-Highlights: Soooo viele – lest einfach meine Texte zum DOK Leipzig und den Remake Frankfurter Frauenfilmtagen!

© Universal

Dezember

Als ich aus Köln wiederkam, schlug die Erschöpfung zu und im Grunde war ich schon wieder urlaubsreif. Das passte aber insofern ganz gut, als dass im Dezember keine weiteren Reisen oder größere Aufträge anstanden. Das ist natürlich immer ein zweischneidiges Schwert: Einerseits freue ich mich, wenn ich nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen muss, sondern mich ganz auf eine, nämlich die FILMLÖWIN, konzentrieren kann. Andererseits sind diese Phasen finanzielle Flauten.

Dennoch: Ich genoss den Raum zum Durchatmen, Ideen spinnen und Erkenntnisse sammeln. Das Ergebnis: Es muss sich etwas ändern! Ich kann die FILMLÖWIN nicht auf Kosten meiner Lebensqualität weiterführen. Das Arbeiten ohne finanzielle Entlohnung macht mich mürbe und kann nur begrenzt durch das positive Feedback meiner Leser_innen aufgefangen werden. So viel Leidenschaft ich für meine Arbeit auch besitze: Rechnungen lassen sich damit nicht bezahlen. Und bei meinem Arbeitspensum – natürlich saß ich zwischen Weihnachten und Silvester wieder am Schreibtisch, während alle Urlaub machten – habe ich es einfach verdient, diese Rechnungen auch ohne Existenzängste bezahlen zu können! Für 2019 nehme ich mir deshalb vor: Entweder ich finde Mitstreiter_innen und/oder eine Finanzierung oder ich höre mit dem Auslauf meines Stipendiums auf. Ich darf nicht mehr nur darüber nachdenken, was ich der FILMLÖWIN und ihren Fans oder dem Kampf um Gleichberechtigung in der Filmwelt schuldig bin, sondern endlich auch einmal darüber, was ich MIR schuldig bin. Und sollte dies dazu führen, dass die FILMLÖWIN in die ewigen Jagdgründe eingeht, dann ist das keine Niederlage. Ich habe mit dieser Webseite quasi im Alleingang in den letzten vier Jahren wahnsinnig viel erreicht. Und außerdem wird dies keine Entscheidung GEGEN die FILMLÖWIN sein, sondern vor allem eine FÜR MICH. RRROOOAAAARRR!

Film Highlight: Mortal Engines

Sophie Charlotte Rieger
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