DOKLeipzig 2018: Der Gender-Bericht der AG Dok

Im Rahmen des DOK Leipzig 2018 lud die AG DOK zur Vorstellung ihrer Genderstudie im Dokumentarfilm ein und initiierte bei dieser Gelegenheit auch gleich zwei Panels, auf denen unter anderem die Verantwortungsträgerinnen Karola Wille von der ARD und Christine Berg von der FFA zu den Zahlen Stellung nahmen. Auf wiederholte Nachfrage meiner geschätzten Leser_innen folgt hier eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse sowie meine Bewertung derselben. Mehr visuelle Eindrücke gibt es in meiner instagram-Story.

Wenig überraschend, aber eindeutig

© Filmlöwin

Nun legt also auch die AG Dok einen Genderreport vor. Das ist nur konsequent, denn steter Tropfen höhlt den Stein – hoffen wir zumindest. Mit Hilfe von Daten der Sendeanstalten und Filmförderung hat Jörg Langer wenig überraschende, aber ebenso eindeutige Zahlen erhoben, die hier im Detail wiederzugeben den Rahmen sprengen würde. Kurz gefasst lässt sich der bereits vertraute Status Quo feststellen, dass Regisseurinnen – obwohl an den Hochschulen gleichberechtigt vertreten – im Berufsfeld deutlich in der Unterzahl sind, insbesondere bei längeren TV-Formaten und höher budgetierten Kinoproduktionen, sprich also überall dort, wo mehr Geld involviert ist.

Auf einem Panel mit den Regisseurinnen Claudia von Ahlemann, Britta Wauer, Antonia Hungerland und Esther Niemeier stand in diesem Zusammenhang vor allem das Thema Mutterschaft im Zentrum – ein thematischer Schwerpunkt, der sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung als Achillesferse erweisen sollte. Doch dazu später mehr. In jedem Fall machte das Panel die generationenübergreifende Diskriminierung von Regisseurinnen deutlich, an der sich – so scheint es – in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren so gut wie nichts geändert hat.

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Das sah ARD Filmintendantin Karola Wille wenig überraschend anders. Sie teilte sich das zweite Podium mit Christine Berg von der FFA und Daniel Sponsel vom DOK.fest München und formulierte gleich in ihrem ersten Statement die optimistische Beobachtung, dass wir doch seit den 70er Jahren eine Menge erreicht hätten. Nun sind das aber fast fünfzig Jahre und alles andere wäre nicht nur skandalös, sondern in Hinblick auf die Emanzipationsbewegungen auch ziemlich unwahrscheinlich. Die Aussage ist also doppelt und dreifach nichtig. Wenn ich als Bezugspunkt das 19. Jahrhundert anführe, dann kann ich eine wahnwitzige Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit feststellen, was allerdings überhaupt nichts daran ändert, dass wir über hundert Jahre später immer noch mit ihrer finalen Durchsetzung beschäftigt sind.

Im Großen und Ganzen verlief das Gespräch erwartbar – es war schließlich nicht die erste Gelegenheit, bei der sich Wille und Berg öffentlich mit diesem Thema auseinandersetzten. Wie gewohnt sprachen sich die beiden Frauen* gegen die Quote aus, wie gewohnt unterstrichen sie ihre bisherigen Errungenschaften, um von den fortbestehenden eklatanten Missständen abzulenken. Dann gab es noch einen Input von Pro Quote Film Aktivistin Barbara Teufel, in dem die Regisseurin zahlreiche Methoden zur Förderung einer gleichberechtigten Filmlandschaft vorstellte. Schließlich beteuerten Wille und Berg, dass sie aus Dialog und Vortrag jede Menge gelernt hätten, aber zumindest ich erwarte von diesen Erkenntnissen vorerst keine sichtbaren Konsequenzen.

40% Frauen* in den nächsten drei Jahren

Aber es gibt auch Positives zu berichten. Christine Berg vermeldete, dass bei der Filmförderung nun auch auf die Inhalte der Projekte geachtet würde und sexistische Stoffe fortan keine Gelder mehr erhalten sollten. Für die Erläuterung der diesbezüglichen Kriterien war leider kein Raum und ich hoffe, dass ich alsbald die Gelegenheit bekomme, hier Genaueres zu erfragen. Karola Wille, die zu Beginn des Panels noch die lächerliche Selbstverpflichtung von 20% Regisseurinnen erwähnt hatte, sprach sich im Folgenden wiederholt (!) für eine Frauen*quote von 40% binnen der nächsten drei Jahre aus und versuchte gar, auch Christine Berg für eben jene Zielsetzung zu gewinnen.

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Nicht nur diese durchaus ernst wirkenden Absichten stimmten mich schließlich versöhnlich. Es waren auch Christine Bergs Ausführungen darüber, dass selbst in Schweden die Gleichberechtigung in der Filmindustrie nicht über Nacht, sondern im Zuge eines jahrelangen Prozesses durchgesetzt worden sei, der – anbei erwähnt – nicht über eine Quote geregelt wurde. Auf Nachfrage, an welcher Stelle die FFA denn nun ansetzen würde, um eine gerechtere Ausschüttung der Gelder zu gewährleisten, verbiss sich Frau Berg dann aber bedauerlicher Weise im Thema Kinder. Der erste mit Regisseurinnen besetzte Panel hatte hierfür die Steilvorlage gegeben, war es doch schwerpunktmäßig um die Hürden gegangen, denen sich insbesondere Mütter auf dem Regiestuhl ausgesetzt sehen. Vereinbarkeit, Vereinbarkeit, Vereinbarkeit – das war das einzige Stichwort, auf dass sich Frau Berg hier einlassen wollte. Und so sehr ich das auch befürworte: Damit allein ist es nicht getan. Schon allein deshalb, weil es – mensch höre und staune – auch Frauen* ohne Kinder gibt bzw. diese Kinder dem Betreuungsalter tatsächlich auch entwachsen, ihre Mütter aber merkwürdiger Weise im Beruf dennoch anhaltend diskriminiert werden.

Aber nun gut: An der Aussage von Frau Wille, innerhalb von drei Jahren die Frauen*quote in den Öffentlich-Rechtlichen auf 40% mehr als zu verdoppeln, können wir uns in jedem Fall festhalten. Ich bin – wie immer – ziemlich skeptisch, habe ich doch insbesondere von Christine Berg und Karola Wille schon zu oft vermeintliche Erkenntnismomente und darin resultierende Versprechungen vernommen, ohne dass diesen Taten gefolgt wären. Ich glaube nach wie vor, dass die Frauen*frage trotz zunehmender Befürwortung aus der Bevölkerung von vielen Verantwortlichen nach wie vor als überflüssig erachtet wird und dass Zusagen vor allem erteilt werden, um eine Weile von den herrlich penetranten Pro Quote Frauen* verschont zu bleiben (weiter so!!).

Ende dieser Woche wird der fünfte Diversitätsbericht des Bundesverband Regie vorgestellt. Daran wird sich ablesen lassen, ob die Zusagen von Sendeanstalten und Filmförderung im letzten Jahr auch Handlungskonsequenzen hatten. Es bleibt spannend…

Sophie Charlotte Rieger
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