Paradise Hills
Uma (Emma Roberts) erwacht in einem Albtraum: Das als Detox-Sanatorium getarnte Umerziehungslager Paradise Hills, in das ihre Mutter die junge Frau* verfrachtet hat, ist eine rosa-weiße Mädchen*-Fantasie, eine Art Barbie-Haus für Erwachsene. Zum Essen gibt es Diät-Portionen, geschlafen wird in Tüll-Nachthemden in Prinzessinnenbettchen, das Tagesprogramm besteht aus Schmink-Tutorials und Yoga-Unterricht. Und all das mit dem simplen Ziel, die hier oft gegen ihren Willen festgehaltenen Klientinnen mit dem Frauen*bild ihrer Gesellschaft auf Linie zu bringen.
Der fantasievollen Inszenierung dieses Settings ist deutlich anzumerken, dass Debut-Regisseurin Alice Waddington ursprünglich aus dem Gewerk Kostüm stammt. Innen- und Außensets, Kostüm und Make-Up sind detailverliebt ausgearbeitet und erschaffen mit Paradise Hills einen Ort, der beständig zwischen Traum und Albtraum oszilliert. Oder anders formuliert: Was für Feministinnen ein Albtraum ist, mag anderen traumhaft erscheinen. Denn sicher lässt diese Prinzessinnen-Schmiede beispielsweise die Herzen jener Frauen* höher schlagen, die mit ungetrübter Freude Germanys Next Topmodel verfolgen. Und das ist kein Zufall. Vielmehr steht Paradise Hills für genau jene Form der Normierung weiblicher* Körper und Identität, die durch TV-Konzepte wie GNTM medial fortgeschrieben wird. Nur um sicher zu gehen, dass dieser Bezug auch ja niemandem entgeht, schenkt Waddington ihrem Publikum sogar die obligatorische Hairstyling-Szene, auch wenn diese hier deutlich weniger dramatisch ausfällt als bei Heidi Klum.
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Denn Uma und ihre beiden Zimmergenossinnen Chloe (Danielle Macdonald) und Yu (Awkwafin) sollen nicht nur hinsichtlich ihres Verhaltens, sondern auch äußerlich jenem puppengleichen Erscheinungsbild entsprechen, das sich ihre Familien und zukünftigen Ehemänner* aus der Upper Class wünschen. Uma beispielsweise ist bereits einem reichen Investor versprochen, sträubt sich jedoch im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen gegen diese Verbindung, weil ihr Herz eigentlich für einen mittellosen Jüngling aus der Unterklasse schlägt.
Spätestens an diesem Punkt wird klar, dass Paradise Hill bei dem Entwurf einer feministischen Dystopie wenig subtil vorgeht. Obwohl technologisch in der Zukunft verortet, erinnert die Optik des Films eher an einen Märchen- oder Kostümfilm. Der Kontrast aus technischem Fortschritt und konservativem Blacklash der Gesellschaft erinnert außerdem ein wenig an The Handmaid’s Tale. Aber eben nur ein wenig. Denn sowohl die märchenhafte Ausstattung wie auch die recht platte Handlung können nicht annähernd jene bittere Gesellschaftskritik formulieren, die Margaret Atwoods Stoff vermittelt. Und damit greift die feministische Botschaft der Geschichte insgesamt zu kurz, vermag sie doch nicht zu formulieren, worin das eigentliche Problem einer Institution wie Paradise Hills und dem dahinter stehenden Konzept von Weiblichkeit* besteht. Im Gegenteil mag sich hier manche_r irritiert die Frage stellen, was an diesem idyllischen Ort mit den hübschen Bettchen und Kostümchen denn eigentlich so schrecklich sei.
Positiv formuliert ist Paradise Hills ein popfeministisches Kinomärchen für ein breites jugendliches Publikum, das mit einer kleinen queeren Love Story und Umas Sidekicks, der dicken Chloe und den nicht-weißen Figuren Yu und Amarna (Eiza González) sogar um Diversität bemüht ist. Leider bleibt es bei der „Bemühung“, denn die Hauptfigur sowie ihre Antagonistin, die von Mila Jovovich verkörperte Leiterin der Einrichtung, sind freilich weiß, alle Figuren bis auf Chloe schlank bis dürr und die lesbische Liebesgeschichte ist weder sonderlich glaubwürdig, noch darf sie glücklich enden. Bury your gays…
Auch das Thema Klassismus, die klare Trennung von Ober- und Unterschicht, bleibt derart oberflächlich, dass der Film keine Gesellschaftskritik formulieren kann. Schließlich bleibt der Aufstieg von der Mittellosigkeit in den Luxus auch ein legitimes Ziel der Figuren, während eine Revolution gegen das System an sich hier keine Option darstellt.
Nun wäre ein popfeministischer Film für die breite Masse ja an sich nichts Verwerfliches. Es muss ja nicht immer alles ultralkomplex und deprimierend daher kommen, nur um ein bisschen Feminismus zu transportieren. Insofern hat Paradise Hill trotz seines fehlenden Tiefgangs in jedem Fall eine Daseinsberechtigung. Das macht ihn jedoch qualitativ nicht besser. Leider verzichten Alice Waddington und ihre Autoren Brian DeLeeuw und Nacho Vigalondo nämlich weitgehend auf eine Charakterentwicklung und präsentieren dem Publikum stattdessen uninteressante Archetypen. Uma ist am Ende des Tages nichts anderes als die Prinzessin, die nicht heiraten möchte, und die Anstaltsleiterin entpuppt sich als böse Zauberin. Diese direkt aus dem Märchenbuch entsprungenen Figuren mögen sich zum Einen nicht in das Science Fiction Konzept einer Gesellschaftsdystopie fügen, zumal diese unter dem weißen und rosa Tüll auch kaum noch zu erkennen ist. Zum Anderen ist eine Identifikation mit den formelhaften Figuren nahezu unmöglich, weshalb auch ihre Geschichte letztlich völlig uninteressant bleibt.
Auch Popfeminismus kann mehr leisten als das!
Kinostart: 29. August 2019
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