Likemeback und die Kritik an Social Media

Direkt nach ihrem Schulabschluss machen die drei Freundinnen Lavinia (Blu Yoshimi), Carla (Denise Tantucci) und Danila (Angela Fontana) einen mehrwöchigen Segeltrip an der kroatischen Küste entlang. Nur die drei, ihr kroatischer Skipper Josko (Goran Markovic) und ihre tausenden Instagram-Follower_innen genießen dabei eine unbeschwerte Zeit zwischen traumhaft schönen Stränden und Buchten, dem ein oder anderen alkoholischen Getränk und den aufregenden Hafenstädten, an denen sie anlegen. Es ist ein Traum von einem Urlaub, eine der Zeiten im Leben, an die sich die drei Freundinnen immer zurückerinnern wollen – bis es zur großen Tragödie kommt, die nicht nur den idyllischen Alltag der drei jungen Frauen* komplett durcheinanderbringt, sondern auch ihre Freundschaft und ihre Zukunftspläne zu beenden droht: Carla verliert ihr Handy im Meer.

© 2019 Alamodefilm

Es ist wirklich keine Übertreibung, diesen kleinen Unfall in Leonardo Guerra Seràgnolis Likemeback als Tragödie zu bezeichnen. Für Lavinia, Danila und Carla ist das Smartphone ein elementarer Bestandteil ihres Alltags und ihrer Identität.  Zwar unterscheidet sich die Handynutzung der drei jungen FrauenMädchen* hinsichtlich ihrer Social Media Strategie beziehungsweise deren Zielsetzung, doch abhängig von den Mobiltelefonen sind sie alle.  Danila ist als angehende Influencerin immer darauf bedacht mit ihren Urlaubsfotos viele Likes und Follower_innen zu generieren. Lavinia, die eher schüchtern und zurückhaltend ist, will in der digitalen Welt ein selbstbewusstes Alter Ego für sich erschaffen. Carla nutzt das Smartphone hauptsächlich dafür, sich auf die Aufnahmeprüfung der Uni vorzubereiten und mit ihrem Freund zu kommunizieren. Dass gerade Carla nun diejenige ist, die ihr Handy einbüßt, verändert die Dynamik des Trips enorm, denn damit geht auch die letzte Verbindung zum Alltag in Italien flöten.

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Der Film zeigt die drei Protagonistinnen bei lebhaften Diskussionen darüber, wie viele Stories eins am Tag bei Instagram hochladen sollte, wie der Content der anderen zu bewerten ist oder ob es sinnvoll sei, sexistische Kommentare für ein paar mehr Likes hinzunehmen. Sie machen freizügige Fotos und Videos von sich  und suchen auf Dating-Apps nach Jungs, mit denen sie sich während des Urlaubs treffen können. Alles dreht sich um die Smartphones in ihren Händen und die Welt, die sich darin abspielt. In dieser Obsession will Likemeback eine kritische Haltung einnehmen, die aber leider unkonkret und voreingenommen bleibt.

Danila posiert für ihren Instagram-Account.

© 2019 Alamodefilm

Dabei schlägt die Filmsprache eigentlich einen interessanten Ton an. Niemals zeigt die Kamera von Gian Filippo Corticelli, was auf den Displays der Smartphones, was also in der digitalen Welt vor sich geht. Stattdessen konzentriert er sich auf die Gesichter und Reaktionen der Hauptdarstellerinnen, auf ihren Umgang mit dem Handy und seine Wirkung auf andere Figuren und die Zuschauer_innen. Likemeback gelingt es auf diese Weise, eine Außenperspektive beizubehalten. Während im zeitgenössischen Kino die Abbildung von Displays und Bildschirmen in der Regel Einblick in die digitalen Aktivitäten der Figuren gewährt, bleibt die Kamera und somit auch das Publikum hier außen vor. Durch diese Perspektive nimmt Likemeback eine kritische Haldtung gegenüber der Handynutzung der drei Mädchen* ein: Es entsteht eine soziale Atmosphäre der Distanz und Isolation.

Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob diese explizit kritische Haltung in Anbetracht des abgebildeten Verhaltens wirklich angemessen ist, und welche Stereotype ihr zu Grunde liegen. Viele Filme inszenieren die Social Media-Nutzung junger Menschen als Risiko- und Fluchtverhalten. In #Zeitgeist sind es beispielsweise Online-Games, in die sich ein Protagonist flüchtet, um den frustrierenden Alltag zu vergessen. Die minderjährigen Mädchen* in diesem Film hingegen lassen Aktbilder von sich veröffentlichen oder geraten in die Fänge von Thinspiration-Blogs und drohen gesundheitsgefährdendem Essverhalten zu verfallen. Die Titelheldin in Ingrid Goes West ist so abhängig von Likes auf Instagram, dass sie verlernt, die Grenze zwischen reallife und online zu ziehen.

 

 

Das Smartphone ist stets in Griffweite.

© 2019 Alamodefilm

Oft sind es auch sexistische Narrative, die die Inszenierung des Social Media-Umgangs von Frauen* und Mädchen* im Film prägen. Sie sind naiv und lassen sich auf Dating-Plattformen ködern, sie sind unsicher und suchen Bestätigung durch Freizügigkeit und Likes. Im schlimmsten Fall wird dieses Verhalten durch Übergriffe und Angriffe bestraft. Wie auch in Likemeback, wo Lavinia dem sexuellen Übergriff ihres Tinder-Dates entkommen muss, nur um sich kurz darauf selbst übergriffig zu verhalten und Carla beim Sex zu filmen. Der Film räumt den drei Freundinnen nichtmal die Möglichkeit zur Läuterung ein. Seine Kritik verbleibt damit auf einer Ebene, die den unverantwortlichen Umgang junger Frauen* mit Social Media naturalisiert.

Dabei hätte es auch anders gehen können. Der Dokumentarfilm Jawline von Liza Mandelup untersucht das Verhältnis von jungen Menschen zu Social Media beispielsweise sehr empathisch. Statt übertriebener Bedrohungsszenarien beobachtet dieser Film, wie sich die anhaltende Selbstinszenierung in sozialen Medien auf den Identitätsfindungsprozess junger Männer* auswirkt und auch welche Industrie sich dahinter verbirgt. Kritik an den Dynamiken exzessiver Social Media-Nutzung kann und sollte nämlich auch abseits von genderspezifischen Stereotypen stattfinden und über den Blick aufs Individuum hinausgehen. Likemeback hätte dazu die Gelegenheit gehabt, wenn der Film die Kraft seiner ästhetischen und dramaturgischen Nüchternheit nicht mit reißerischen Narrativen geschmälert hätte. Die diffuse Angst vor Social Media und seinen Auswirkungen, die der Film transportiert, ist heute, da die digitale Revolution bereits in der Vergangenheit liegt, einfach nicht mehr zeitgemäß. In dieser Haltung  steckt keine feministische Kritik sondern Konservativismus.

DVD-Start: 26.08.2019

Sophie Brakemeier