„Das Berger Kino hat eine enorme Bedeutung“ – Interview zur Besetzung des Berger Kinos in Frankfurt

Seit vier Jahren stand das ikonische Berger Kino im Stadtteil Bornheim in Frankfurt leer. Es schloss bereits im ersten Pandemie-Monat März 2020 – die Insolvenz-Verkündung folgte im Januar 2021. Damit verlor der Frankfurter Osten einen ihrer beliebtesten Kulturstandorte. Zumindest bis zum 9. März, als eine Gruppe feministischer Aktivist*innen das leerstehende Filmtheater besetzte und innerhalb eines Tages wieder einen laufenden Kinobetrieb mit queeren und feministischen Filmen auf die Beine stellte. FILMLÖWIN begrüßt die Initiative des Kollektivs und Sophie B. war für ein kleines Gespräch über den Betrieb und die Zukunft vor Ort. 

Die Besetzung des Berger Kinos fand ja im Rahmen des feministischen Kampftages am 8. März statt? War eure Motivation also in erster Linie eine feministische Aktion oder tatsächlich die Wiederbelebung dieses kulturellen Ortes?
Es war quasi eine Mischung aus beidem. Wir hatten die Idee, diesen Ort gerne wieder zu eröffnen, gerne auch längerfristig, was bei dieser Form der Nutzung natürlich immer schwer zu planen ist. Die Frage, womit wir konkret den Ort füllen wollen, kam tatsächlich erst nach der Entscheidung. Der Gedanke, dass wir hauptsächlich queeren und feministischen Stimmen einen Raum geben wollen, kam dann sehr schnell, weil diese in etablierten Kinos oft unterrepräsentiert sind. Dann hat sich der 8. März einfach als perfekter Zeitpunkt angeboten, um darauf aufmerksam zu machen und darauf den Fokus zu legen, falls man nicht länger bleiben kann. 

„Dieses Kino hat immer zum Stadtteil gehört, dann war es auf einmal weg und seitdem fehlt auf jeden Fall was, was wir gerne wieder füllen wollten. Es hat einfach eine enorme Bedeutung für diesen Stadtteil, sodass es einfach nicht leerstehen darf.

Und hat sich das Berger Kino angeboten, weil es halt diese kulturelle Leerstelle geboten hat oder war „Kino machen“ tatsächlich auch eine intrinsische Absicht?
(lacht) Wir fuchsen uns tatsächlich grad erst ins Kino machen rein und müssten uns leider auch die ganze letzte Woche anhören „Ihr schafft das ja gar nicht langfristig, ihr habt keine Ahnung von der Kinobranche.“, aber wir kriegen das irgendwie hin. Wir sind schon sehr speziell auf das Berger Kino fokussiert gewesen, weil aus unserem Kollektiv viele aus der Nachbarschaft kommen und viele Leute viele Kindheitserinnerungen mit diesem Ort verbinden. Dieses Kino hat immer zum Stadtteil gehört, dann war es auf einmal weg und seitdem fehlt auf jeden Fall was, was wir gerne wieder füllen wollten. Es hat einfach eine enorme Bedeutung für diesen Stadtteil, sodass es einfach nicht leerstehen darf. 

Ich bin jetzt grade sehr traurig, dass ich es nie geschafft habe, hier mal zu sein, bevor das Kino geschlossen wurde. Ich habe tatsächlich schon vorher auch immer viel über die Bedeutung gehört, die das Kino für den Stadtteil hatte.
Ja, alle Leute, die hierherkommen und vor allem auch viele ältere Leute erzählen uns, was das Kino, das ja 40 oder 50 Jahre hier in Bornheim Bestand hatte, für ihre Kindheit bedeutet hat. Vorgestern war eine ältere Dame da, die uns erzählt hat, dass sie als Kind immer hier war und die Schulmädchenreport-Filme gesehen hat. Das zieht sich eigentlich durch alle Generationen. 

Das heißt, die Nachbarschaft nimmt eure Aktion auch gut auf?
Ja, wir haben sehr, sehr gute Reaktionen mitbekommen. Wir haben auch eine Petition gestartet und ohne sie groß beworben zu haben – also einfach mit ausgelegten Zetteln vorm Eingang – hatten wir schon nach ein paar Tagen über tausend Unterschriften geknackt. Wir hätten uns das gar nicht so erhofft. 

Wie habt ihr das Kino vorgefunden, als ihr erstmal drin wart?
(lacht) Es war erst mal alles sehr verstaubt, seit vier Jahren hat hier niemand mehr sauber gemacht. Und auch sonst schon sehr runtergekommen, ein paar Sitze haben gefehlt, die Projektoren funktionieren nicht mehr. Wir haben unsere eigene Technik mitgebracht. Man hat schon gemerkt, dass sich irgendwann einfach niemand mehr drum gekümmert hat. 

Wie geht ihr in eurem Kollektiv die Programmplanung an?
Gerade müssen wir hauptsächlich darauf gucken, an welche Filme wir überhaupt drankommen. Wir haben mittlerweile schon eine sehr lange Liste an hauptsächlich unabhängigen Filmemacher*innen, die es uns erlaubt haben, ihre Filme zu zeigen. Teilweise haben wir die Filmemacher*innen selbst kontaktiert, weil wir ihre Arbeit cool finden, teilweise sind es Leute aus Frankfurt, teilweise Studierende, die uns angeschrieben haben und uns erlaubt haben, ihre Filme zu zeigen. Daraus haben wir eine Liste erstellt, aus der wir das Programm aussuchen und gucken, welche Filme passen thematisch zusammen und kann man gemeinsam zeigen. 

Und entschieden wird dann alles im Konsens?
Genau, wir diskutieren das aus und entscheiden alles gemeinsam.

Für filmschaffende Frauen und vor Allem für queere Filmschaffende ist es natürlich in der Filmbranche schon immer ein Problem, wenn sie nicht von ihrer Arbeit leben können und ich weiß, dass es für Initiativen auch immer sehr schade ist, wenn man ihnen keine Vorführgebühren zahlen kann. Habt ihr Töpfe aus denen ihr im Zweifelsfall die Künstler*innen für ihre Filme bezahlen könnt?
Gerade haben wir leider nur Spendeneinnahmen. Vor ein paar Tagen sind zwei Leute von uns mit einem Eilantrag in den Ortsbeirat gegangen, um eine kleine Förderung für die erste Zeit zu beantragen. Weil die FDP und CDU dagegen gestimmt haben, wurde das allerdings abgelehnt. Weil es sich aber gerade abzeichnet, dass wir etwas länger hierbleiben können, arbeiten wir gerade ein Konzept aus, um durch eine Mischung aus städtischer Förderung, Partnerschaften von Privatpersonen, Spenden weiter machen zu können. Und wenn sich das alles etabliert hat, planen wir natürlich auch den Filmschaffenden Geld zahlen zu können.

Das klingt, als wärt ihr da schon auf einem richtig guten Weg.
Ja genau, aber uns ist auch wichtig, dass auch wenn es längerfristig funktionieren sollte, das ganze hier nicht kommerziell zu betreiben. Wir wollen keine festen Eintrittspreise, sondern es auf Spendenbasis laufen lassen und wenn man kein Geld hat, auch einfach nicht spenden muss. Wir wollen keine Gewinne einfahren, sondern im besten Fall die laufen Kosten decken können und die Filmschaffenden bezahlen können. 

Und wie geht es jetzt weiter nach der Ablehnung des Ortsbeirats?
Wir wurden gestern kurz im Kulturausschuss behandelt, aber da ist leider auch nichts bei rumgekommen. Jetzt müssen wir erstmal schauen, an welche Institutionen wir uns als nächstes wenden können.

Ich schätze mal, eine Hürde für viele Fördergeldgeber*innen ist wahrscheinlich auch der unklare rechtliche Status. Plant ihr einen Verein zu gründen, wenn es sich abzeichnet, dass ihr hier eine Zukunft habt?
Ja, wir würden entweder unter die Trägerschaft eines bestehenden Vereines gehen oder sonst auch eine eigene Vereinsstruktur gründen, wenn es längerfristig wird.

Und wie langfristig plant ihr zurzeit?
Wir haben Anfang April den nächsten Verhandlungstermin mit dem Besitzer des Gebäudes. Bis dahin planen wir gerade. Wir hatten gestern bereits einen Termin, bei dem wir ein Nutzungskonzept vorgelegt haben. Es wurde sich darüber gefreut, dass im Berger Kino wieder Kultur stattfindet, aber Zusagen wurden uns keine gemacht. Bis dahin ist es die ganze Rechtslage leider noch ungeklärt. Dass gestern immerhin nicht direkt die Polizei gerufen wurde, um uns hier rauszuschmeißen, nehmen wir erstmal als gutes Zeichen wahr.

Sophie Brakemeier