FILMLÖWINkino: Instafeminismus – Kann Instagram feministisch sein?

Wenn ich mich über mein privates Instagramprofil navigiere, auf den Einstellungen lande und über den Unterpunkt Werbeanzeigen im Bereich “Themen für Werbepräferenzen” lande, könnte ich jedes Mal laut loslachen. Wenn ihr also auch gerade mal eine kleine Erheiterung braucht, kann ich nur empfehlen, euch diese vom Instagram-Algorithmus zugeschriebenen Interessen mal anzuschauen – es ist absurd und bisweilen wie ein schlechtes Date; die Plattform gibt sich wirklich keine Mühe mich richtig kennenzulernen. “Alkohol”, “Kindererziehung” und “Haustiere” heißt es da – und solange die Staubmäuse hinter meinen Bücherregalen nicht als Haustiere gelten, könnte ich mich mit diesen drei Begriffen kaum schlechter repräsentiert fühlen. 

Dabei mache ich es Instagram doch eigentlich so leicht. Während meiner On-Off-Beziehung mit dieser Plattform kehre ich schließlich immer wieder zu den gleichen Seiten und Profilen zurück und das Thema ist eindeutig: Feminismus. Feminismus ist was mich bewegt, feministische Ideen formen mein Denken, meine Interessen, meinen Konsum und meinen Insta-Feed. Beim stundenlangen infinite scroll lache ich über feministische Memes, lausche ich interessiert kurzen und spontanen Vorträgen in den Stories von feministischen Profilen und verteile meine Herzen für brillante, aufklärerische (und meistens unbezahlte) Beiträge. Der Content ist endlos und meine feministische Filterblase ist ein wertvoller, digitaler Safe Space und Vernetzungsort in einer Welt, in der fast täglich der nächste sexistische und anti-feministische Backlash hinter der nächsten Ecke auf uns lauert.

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© Noa Lovis Peifer/ Lina Lätitia Blatt

Doch warum scheint es gerade auf Instagram so einfach zu sein wirkungsvoll feministischen Content zu platzieren und Menschen zu erreichen? Gerade auf dieser Plattform, der Kulturkritiker:innen vorwerfen, sie sei quasi eigenständig für den Niedergang der Privatheit, der Kunst, der sozialen Esskultur und des Abendlandes im Allgemeinen verantwortlich? Der Plattform, der immer wieder vorgeworfen wird, es ginge nur ums Sehen und Gesehen werden, um Oberflächlichkeit und makellose Körper? Nun … vielleicht will der Feminismus (ja natürlich, DEN Feminismus gibt es nicht) genau das: das “Abendland”, sein Patriarchat und seine antiquierten Vorstellungen davon, was Frauen, Queers, trans* Personen und alle anderen zeigen dürfen und was nicht, überwinden und die Sehgewohnheiten auf Körper herausfordern. Das Private ist politisch, denn das zur Schau gestellte Private zeigt uns, dass es auch andere Normalitäten und Realitäten gibt, dass es Kämpfe gibt unter denen FLINT (Frauen, Lesben, inter, non binary und trans*) besonders leiden und bei denen sie sich gegenseitig unterstützen können, dass der Körper nicht das Hoheitsgebiet des Patriarchats ist und dass es in der digitalen, feministischen Utopie keine Tabuthemen gibt – außer natürlich den weiblich gelesenen Nippel, dem Instagram als Sinnbild der Sittenlosigkeit seit Jahren den Kampf angesagt hat.

Instgram im Film als sexistisches Motiv

Doch die Erkenntnis, dass Instagram eine Plattform ist, die feministisch fruchtbar ist, ist nicht selbstverständlich. Gerade der Film und die Popkultur gehen hart mit dem visuellen Netzwerk ins Gericht. Instagram wird im Film oft als Werkzeug für Profilierung, Besessenheit und Narzissmus inszeniert, als Antrieb für Charaktereigenschaften, die euphemistisch ausgedrückt nicht gerade schmeichelhaft sind – und die vor allem hauptsächlich Frauen zugeschrieben werden. 

© 2020 LEONINE DISTRIBUTION GMBH

In der Tragikomödie Ingrid Goes West beispielsweise ist Instagram der Ort, an dem sich die als Psychopathin inszenierte Ingrid rumtreibt, um ihrer Besessenheit mit den Leben erfolgreicher Influencerinnen zu frönen. Über das Netzwerk versucht sie dem Instagram-Star Taylor nahezukommen, bis sie sich ihr letztendlich auch im “echten” Leben nähert und sich eine Dynamik entwickelt, die sowohl Ingrid als auch Taylor ins Unglück stürzt. Der Film bemüht sich dabei nicht mal, Instagram als Plattform in irgendeiner Weise pluralistisch dazustellen. Alle mit der Plattform assoziierten Figuren befinden sich in starker Abhängigkeit zu der digitalen Scheinwelt, die das soziale Netzwerk aufbaut. Sie verlieren den Bezug zur Realität und somit auch den Sinn für ein gesundes Miteinander. Der Film stilisiert Instagram als einen Impuls für soziale Auflösungserscheinungen, an deren Ende diejenigen bestraft werden, die sich die Möglichkeiten der Plattform zu eigen machen. 

Auch der italienische Film Likemeback schlägt in eine ähnliche Kerbe. Zwei der drei Protagonistinnen des Films genießen ihren Urlaub nur anhand der Likes, die sie für ihre auf Instagram veröffentlichten Urlaubsbilder bekommen. Statt ihren mehrwöchigen Segeltrip zu nutzen, um dem Alltag und dem damit einhergehenden Druck zu entfliehen, dienen die betörend schönen Strand- und Meeresszenarien ihnen nur dazu, ein digitales Alter Ego aufrechtzuerhalten. Sie sind ununterbrochen mit ihren Smartphones beschäftigt, führen nur oberflächliche Gespräche miteinander und werden Opfer von digitalen und körperlichen Übergriffen. Die Kritik an Social Media und vor allem auch Instagram spielt hier eine dominante Rolle und wird – nicht minder überraschend – ebenso wie in Ingrid Goes West an weiblichen Figuren exerziert. Der Tenor der beiden Filme macht deutlich, dass die kulturpessimistische Kritik, die Instagram als Plattform für Selbstdarstellung und oberflächliche Nichtigkeiten sieht, oft sexistisch aufgeladen ist. Frauen inszenieren sich vermeintlich nur für den digitalen Auftritt und entwerten damit nicht nur ihren Körper, sondern ein ganzes Leben. In dieser Perspektive fällt  allerdings eine ganz entscheidende Dynamik unter den Tisch: Aneignung. 

© 2019 Alamodefilm

Die wunderbare Welt des feministischen Instagrams

Um zu erkennen, dass Instagram eine Plattform ist, die sich fabelhaft dazu eignet, feministisch angeeignet zu werden, muss mensch nur mal einen Blick über die Kritik hinaus in das Netzwerk selber werfen. Hier tümmeln sich die Profile für feministische Kunst, progressive Bildungsarbeit und empowernde Selbstdarstellung. Diese nutzen den hohen visuellen Grad der Plattform um aktiv in die Frage einzugreifen, was wir in der Öffentlichkeit sehen und welche Bilder sich dadurch langfristig ins kulturelle Bewusstsein einschreiben. Bodypositive Profile, wie fatfabfeminist, Melodie_Michelberger oder pink_bits zelebrieren beispielsweise Körper, denen sonst nur wenig positive Sichtbarkeit zugestanden wird. Alokvmenon schafft es als gender non conforming POC nicht nur wichtige Aufklärungsarbeit über Rassismus, Transphobie und die Verschränkungen dazwischen zu leisten, sondern auch stark dazu beizutragen, Mode von klassischen Geschlechtervorstellungen freizumachen. Girlswhopowerlift stärkt die Sichtbarkeit von Frauen in der Gewichtheber:innen-Szene. Abortion.tv dokumentiert und bespricht die Darstellung von Schwangerschaftsabbrüchen in Film und Fernsehen und erklaermirmal bietet niedrigschwellige Bildungsarbeit über queere und antirassistische Themen. Diese Liste ließe sich ewig weiterführen, denn die Anzahl wertvoller, feministischer Accounts auf Instagram geht ins Unendliche. 

© privat

Instafeminismus ist ein Feminismus, der zugänglich ist und im Gedächtnis bleibt, denn wenn etwas dazu prädestiniert ist im Gedächtnis zu bleiben, dann sind es Bilder. Bilder wie die bunten Klitorismodelle von glitterclit_ bzw. vulvaaaart, mit der die Künstlerin Lina Lätitia Blatt ein ästhetisches Zeichen für die Normalisierung von Vulven setzen möchte. Oder Bilder wie sie Latifah Cengel auf ihrem Profil beauty_und_politics präsentiert, auf der sie sich eine Plattform geschaffen hat, um über Queerfeminismus, Rassismus und Intersektionalität zu sprechen. Nicht zuletzt aber auch Bilder, wie sie auf warvariations, dem Profil der Sexarbeiterin Eva Collé, zu finden sind. Hier gewährt sie uns einen intimen und ästhetischen Einblick in ihr Leben, dem mit dem Film Searching Eva auch ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. Ein Denkmal, welches auch nach der feministischen Bedeutung von Instagram befragt werden kann, denn es “wirft […] ein neues Licht auf die weibliche Selbstdarstellung im Internet, holt sie aus der narzisstischen Schmuddelecke und hebt sie aufs Podest des zeitgenössischen Feminismus.” Deswegen zeigen wir den Film im Rahmen von FILMLÖWINkino anlässlich unseres Themenabends zu “Instafeminismus” und diskutieren im Anschluss mit Lina Lätitia Blatt und Latifah Cengel über Instagram und die Möglichkeiten, die es als feministische Plattform bietet.

Sophie Brakemeier