Drei Gedanken zu: The Apprentice

New York in den 1970ern: Eine Stadt im Niedergang. Bröckelnde Wohnsubstanz und Bauruinen, so weit das Auge reicht. Obdachlosigkeit, kollabierende Infrastruktur, Gewalt. Und irgendwo in dieser Stadt, die unter ihrer Schuldenlast zusammenbricht, irgendwo dazwischen der kleine Kreis von Menschen, die trotz allem noch reicher werden. In einem dieser schlecht ausgeleuchteten, exklusiven Clubs sitzt Donald Trump (Sebastian Stan) und will zwei Dinge: Geld und Einfluss.___STEADY_PAYWALL___

Hier ist er also der Donald-Trump-Film, um den keine*r gebeten hat. Und während The Apprentice nicht annähernd so katastrophal ist, wie er hätte sein können, ist es erstens zu früh für diesen Film, reproduziert er zweitens, was er vorgibt zu kritisieren, und ist er drittens dennoch (oder genau deshalb) der wahrscheinlich gruseligste Horrorfilm der Saison.

Roy Cohn (links) und Donald Trump (Rechts) in einer Limousine. Trumpf telefoniert. © APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM

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Es ist zu früh für einen Film, der Donald Trump erklärt

Die USA befinden sich mitten im Wahlkampf. In wenigen Wochen entscheidet sich, ob Trump wiedergewählt wird – trotz Project 2025, das das Land bei Trumps Wahlsieg nach christlich-fundamental rechts umbauen will, trotz laufender Strafverfahren, trotz Sturm auf das Kapitol und trotz katastrophaler Konsequenzen für die Innen- und Außenpolitik. In dieser Situation ist ein Film, der Donald Trump zur Hauptfigur macht, schlicht unangebracht.

Denn während The Apprentice die Gier, die Machtversessenheit, den Narzissmus und die stolze Empathielosigkeit seiner Hauptfigur nie gutheißt, gibt er ihr doch Raum; zwingt er uns, Zeit mit diesem Menschen zu verbringen.

Filmstill aus The Apprentice. Cohn im Pelzmantel (links) und Trump im Anzug gehen spazieren. © APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM

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Zu Beginn des Films ist Trump jung und will einerseits die Klage gegen die Immobilienfirma seines Vaters abwenden – die diskriminiert nämlich systematisch People of Colour bei der Vermietung. Andererseits will er das Commodore Hotel in Manhattan in ein Luxusobjekt verwandeln. Trump gelangt unter die Fittiche des zwielichtig-erfolgreichen Anwalts Roy Cohn (Jeremy Strong) und steigt danach zum Immobilienhai auf. In dieser frühen Phase ist Trump manchmal unsicher, hat einen Vater, der ihn nie lobt, und ist irgendwie unbeholfen. Die Luxussanierung des Commodore lässt ihn stellenweise wie einen Jungunternehmer mit Vision erscheinen.

Ivana Trump (links) gibt ein Hotel. Hinter ihr (rechts) steht ihr Ehemann. Im Hintergrund sind an der Decke viele Glühbirnen zu erkennen. Ivana trägt einen Pelzmantel. Photo Pief Weyman

Foto Pief Weyman © APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM

Regisseur Ali Abbasi erzählt in Interviews, dass es ihm wichtig war, Trump nicht als Monster abzutun und viele Kritiker*innen loben den Film für seine nuancierte Darstellung. Aber es gibt keine Version dieses Films – mit und ohne Empathie für Trump – die angemessen ist. Dafür ist es mindestens 10 Jahre zu früh. Es braucht keine Villain-Origin-Story für diesen Mann, es braucht Strategien gegen ihn.

Das Problem der Reproduktion

The Apprentice zeigt sehr deutlich, dass Donald Trump Produkt einer Entwicklung, eines Systems ist. Der Film beginnt mit Präsident Richard Nixon, der im Fernsehen verkündet: „Ich bin kein Gauner. Alles was ich besitze, habe ich verdient.” Es sind die Männerriegen in den Hinterzimmern, die Korruption, die mafiösen Strukturen eines legitimen Systems, die alles durchdringende Win-or-Lose-Ideologie des Kapitalismus, die Trump vierzig Jahre später ins Weiße Haus bringen. Trump lernt von Roy Cohn und übertrifft ihn am Ende an Rücksichtslosigkeit und Brutalität. Alles, was Trump sagt, die Sprüche, für die er heute bekannt ist, seine Maximen aus dem Buch The Art of the Deal sind geklaut. Selbst “Make America Great Again” entpuppt sich als Reagan-Wahlspruch. Trump, so zeigt The Apprentice, ist ein hausgemachtes Problem, ein selbstgeschaufeltes Grab.

Donald Trump (von unten aus der Froschperspektive fotografiert) lächelt selbstzufrieden in die Kamera. © APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM

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Und dennoch. Der Film reproduziert die Ideologie, die er kritisiert. Die Lügen, der Rassismus, die Menschenverachtung von Trump werden nicht eingeordnet, sie bleiben stehen, werden buchstäblich auf die große Leinwand gebracht. Schon allein die Entscheidung, den Fokus auf Trump zu legen, statt beispielsweise auf Ivana (Maria Bakalova), die ihn später heiratet, reproduziert patriarchale Muster. Erzählt wird die Geschichte des Sexisten – Frauen sind Opfer. Und reproduziert wird dabei auch genau die mediale Verantwortungslosigkeit, die Trump zu so viel Macht verhilft. Wichtig sind spannende Geschichten, Skandale, verkommene Figuren und Gewinnen oder Verlieren – das ist Teil des Problems.

Nahaufnahme von Ivana Trump mit einer weißen Pelzmütze.

© APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM

Apropos Patriarchat: Die Darstellung von Männlichkeit in The Apprentice ist problematisch. Auf der einen Seite zeigt sich auch hier die Verquickung von Kapitalismus und toxischer Männlichkeit: der strenge Vater, der – stellvertretend für die Gesellschaft – die falschen Dinge an seinem Sohn schätzt (Erfolg, Macht, Geld). Auf der anderen Seite hält sich der Film mit Trumps Erektionsstörungen auf, mit seinem Haarausfall und seinen Fettabsaugungen, als wollte er sagen: Das ist kein richtiger Mann. Bemüht wird damit die Entweder-oder-Logik toxischer Männlichkeit.

Bezeichnend dafür ist eine in ihrer Deutlichkeit verstörende Szene sexualisierter Gewalt. Am Ende eines Streits vergewaltigt Trump Ivana. In der Logik des Films ist die Vergewaltigung ein Marker seiner Monstrosität. Damit verkürzt der Film einerseits die Mechanismen sexualisierter Gewalt, die eben nicht nur von Männern wie Trump als Mittel der Dominanz ausgeübt werden, sondern allgegenwärtig sind. Andererseits ist die Szene im Grunde überflüssig. Trumps abscheuliches Verhalten gegenüber Frauen hätte auch anders zum Ausdruck kommen können, ohne sexualisierte Gewalt als Schockmoment zu reproduzieren.

Ein Horrorfilm für Halloween

The Apprentice funktioniert dann am besten, wenn er das Trump-Biopic hinter sich lässt und sein volles Potenzial im Horror-Genre entfaltet. Der Film ist atmosphärisch so dicht, es fühlt sich an, als wären wir vor Ort: in den schmuddelig-luxuriösen Hinterzimmern, in den teuer und schlecht eingerichteten Zimmern des Commodore, in Trumps Luxusapartment, das unter der neobarocken Einrichtung fast zusammenbricht, in seinem Büro, dessen Golddecke uns auf den Kopf zu fallen droht.

The Apprentice findet die Klaustrophobie im zur Schau gestellten Reichtum, den Grusel im absoluten Fehlen jeglichen Mitgefühls. Dazu kommt Sebastian Stan mit Trump Frisur, halb-falschem Gesicht und absolut projiziertem Narzissmus. Es sind Bilder, die im Kopf bleiben und bis in den Schlaf verfolgen. Den Horror in dieser realen Geschichte zu finden, in dieser Vergangenheit, die unsere Gegenwart bestimmt, ist gruseliger als jeder Zombiefilm und damit die größte Errungenschaft dieses Films.

Kinostart: 17. Oktober 2024

Theresa Rodewald
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