Menstruation im Film
Ich blute und mit mir etwa 1,8 Milliarden Menschen auf dieser Welt. Auch wenn ein so großer Teil der Bevölkerung monatlich menstruiert, ist dieses Phänomen im Alltag – und auch in der Popkultur – fast unsichtbar oder sogar negativ konnotiert. In diesem Essay werde ich untersuchen, wie die Menstruation im Film dargestellt wird, welche Rolle der „Male Gaze“ dabei spielt und wie ein „Other Gaze“ die Sichtweise verändern könnte.
Der Male Gaze und die Menstruation
Der Begriff „The Male Gaze“ (der männliche Blick) wurde von der britischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey in ihrem Essay Visual Pleasure and Narrative Cinema (1975) geprägt. Mulvey beschreibt, wie Frauen in der westlichen Filmindustrie häufig aus der Perspektive eines heterosexuellen, cis-männlichen Betrachters dargestellt werden. Diese Darstellung reduziert Frauen auf Objekte männlicher Begierde und fördert eine passive Rolle für sie, während Männer als aktive Subjekte im Vordergrund stehen. In dieser Sichtweise stört die Menstruation das Bild der Frau als erotisches Objekt: In Filmen erscheint die Menstruation oft als Hindernis für Sexualität – die Frau möchte keinen Sex, es ist „eklig“, wenn sie in etwas hineinblutet, und es ist anstrengend für den Mann, mit ihren „Stimmungsschwankungen“ umzugehen. Diese Darstellungen spiegeln patriarchale Strukturen wider und verstärken stereotype Vorstellungen, was dazu beiträgt, dass die Menstruation von allen Geschlechtern als unangenehm und beschämend wahrgenommen wird.

© Sony Pictures
Dieser male gaze erklärt auch, warum Menstruationsszenen in Filmen so selten sind – wer möchte schon mit etwas so „Ekligem“ oder „Peinlichem“ konfrontiert werden? Wenn die Menstruation doch einmal auf der Leinwand erscheint, dann oft im Gewand des immergleichen Narrativs: Ein junges Mädchen bekommt unerwartet ihre erste Periode und „blamiert” sich vor ihren cis-männlichen Mitmenschen. Dieses Narrativ findet sich häufig eingebettet in Komödien bzw. eine scheinbar witzige Situation, in denen menstruierende Personen als übermäßig emotional und gereizt dargestellt werden, während männliche Charaktere in solchen Situationen gerne hilflos und übertrieben panisch reagieren. Beispiele dafür sind Szenen aus Carrie (2013), Movie 43 (2013) und der Serie „Modern Family“ (2009-2020).
Nehmen wir den male gaze einmal beiseite: Wie nehmen diejenigen, die nicht cis-Männer sind, die Menstruation wahr? Der sogenannte other gaze, ein Begriff geprägt von Joey Soloway, bietet eine alternative Perspektive. Eine patriarchale Gesellschaft nimmt im Alltag wenig bis gar keine Rücksicht auf die mit der Menstruation verbundenen Bedürfnisse. Ein großer Teil des erlebten Stresses während der Menstruation resultiert also nicht aus der Biologie, sondern patriarchal aufgebauten Gesellschaftsstrukturen. Geschichten über Menstruation aus der Perspektive des other gaze beschreiben diese jedoch nicht als etwas per se Negatives. Ohne Zweifel ist die Menstruation für viele Personen mit Stress, Schmerz und emotionaler Belastung verbunden – PMS und Endometriose sind ernsthafte gesundheitliche Einschränkungen. Doch die Menstruation ist auch eine Quelle für Empowerment und Verbundenheit, denn sie zeigt die große Stärke menstruierender Körper. Die geringe Forschung zu den Stärken der Menstruation und einem zyklusangepasstem Leben ist ebenfalls dem Patriarchat zuzuschreiben.
Menstruation sichtbar machen
Was erwarten wir von Menstruationsszenen in Filmen? Nicht jeder Film muss Menstruation feiern, denn eigentlich ist sie etwas Alltägliches. Das Ziel sollte es sein, sie zu enttabuisieren und zu entmystifizieren.

© Netflix
Es gibt bereits Filme, die versuchen, die Menstruation sichtbar zu machen. Ein Beispiel dafür ist der Kurzfilm Period. End of Sentence (2018) von Rayka Zehtabchi. Der Film erzählt die Geschichte einer Gruppe von Frauen in Hapur, Indien, die ein Unternehmen zur Herstellung von Binden gründen. Sie bekämpfen das Stigma rund um die Menstruation und ermöglichen Frauen und Mädchen, durch den Verkauf der Binden und die Aufklärung über das Thema stärker am Alltags- und Arbeitsleben teilzuhaben. Der Dokumentarfilm erhielt einen Oscar und damit internationale Anerkennung. Solche Filme sind wichtig, dennoch sollte das Ziel sein, Menstruation auch in Popkultur-Filmen einzubinden, um ihre Darstellung zu normalisieren.

Porträt einer jungen Frau in Flammen © Alamode
Im Film Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019) von Céline Sciamma gibt es eine Szene, in der die Protagonistin Marianne wegen Unterleibsschmerzen aufwacht. Die Haushälterin Sophie weiß sofort, was los ist, und bereitet ihr ein Kirschkernkissen. Diese Szene ist relativ kurz und wirkt unspektakulär, aber sie macht sichtbar, was menstruierende Personen im Alltag fühlen und erleben, und schafft einen schönen Moment der Verbundenheit. Eine so kleine Geste, und dennoch fühle ich mich als menstruierende Person ein wenig mehr gesehen.
Wir brauchen keine weitere Menstruationsszene, die uns erzählt, wie peinlich das alles ist. Vielmehr brauchen wir Szenen, die – ohne etwas zu romantisieren – den Alltag menstruierender Personen repräsentieren und aufklären. Im besten Fall sollten sie die menstruierenden Körper noch für ihre Stärke feiern.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Film und Feminismus“ an der TU Berlin im Sommersemester 2024 unter der Leitung von Filmlöwin-Gründer*in Sophie Charlotte Rieger.

© Foto: privat
Stella Maczewski studiert Physik in Berlin und nutzt ihren Wahlbereich gerne für feministische Seminare. In ihrer Freizeit liest sie gesellschaftskritische Literatur und ist politisch aktiv, wobei sie sich vor allem für queerfeministische Themen begeistert.