Drei Gedanken zu: Beautiful Disaster

Ein neuer New Adult-Liebesfilm Marke „braves Mädchen trifft Bad Boy“ — „Von den Machern von After Truth“ klingt in diesem (und wohl auch jedem anderen) Zusammenhang wie eine Drohung. Wie die After-Reihe basiert auch Roger Kumbles Beautiful Disaster auf einer erfolgreichen Buchvorlage und zerstört ebenfalls eindrucksvoll jegliche Illusion von kommerziellem Erfolg als inhaltlichem Gütesiegel. Doch obwohl Beautiful Disaster kein qualitativ hochwertiges (dafür aber ein unfreiwillig komisches) Kinoerlebnis ist, bietet er immerhin neuen Gesprächsstoff über ein altbekanntes Problem im auf weibliches Publikum zugeschnittenen Mainstream-Kino: die Romantisierung und Trivialisierung problematischer Geschlechter- und Beziehungsbilder.

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“Mad Dog” und “Täubchen“ — Männliche Aggression und weibliche Klischees 

Wie viele Filme der Kategorie “Good Girl, Bad Boy” inszeniert auch Beautiful Disaster Geschlecht, insbesondere Männlichkeit, entlang problematischer Stereotype; auch, wenn er uns stellenweise Gegenteiliges weismachen möchte. Die Attraktivität von Love Interest Travis Maddox (Dylan Sprouse), die der Film dem Publikum unter anderem durch Slow Motion-Einstellungen und hauchige Popmusik aufdrängt, verknüpft Beautiful Disaster von seinem ersten Auftritt an primär mit körperlicher Aggression. Protagonistin Abby (Virginia Gardner) begegnet Travis zum ersten Mal bei einem seiner Underground-”Box”kämpfe, wo „Mad Dog“ Maddox ihre Bluse mit Blut dekoriert. „Extrem sexy“, findet anscheinend Abby, die später unter der Dusche von ihm fantasiert. Ausführliche Kampfsport-Szenen gibt es im Film einige, doch Travis‘ Aggression beschränkt sich nicht auf den Ring. Auch Prügeleien mit seinen Brüdern und die Androhung körperlicher Gewalt gegen „rivalisierende“ Männer sind an der Tagesordnung.

Beautiful Disaster: Travis (Dylan Sprouse)

© 2023 Beautiful Disaster Movie/ LEONINE Studios

Dass körperliche Aggression alleine einen Love Interest nicht begehrenswert (sondern eher beunruhigend) macht, weiß anscheinend auch Drehbuchautor Kumble und versucht daher stellenweise, Travis’ Gewalt zu relativieren und durch sanfte Töne auszugleichen. So erklärt „Mad Dog“ beispielsweise, mit Kampfsport habe er begonnen, um sich gegen die Prügeleien seiner vier älteren Brüder zu wehren, und bittet die Vier, ihre „Arschlochseite“ — die sich von seiner eigenen kaum unterscheidet — Abby zuliebe zurückzuhalten. Im Umgang mit Abby zeigt er auch eine sanfte Seite, beispielsweise als sie sich auf einer Party betrinkt und er sie sicher nach Hause bringt und sich liebevoll um sie kümmert. Zu einer ernstzunehmenden Infragestellung von Gewalt als Symbol von Männlichkeit und Sexappeal kann sich Beautiful Disaster dann aber doch nicht durchringen. Bis zum Ende bleibt körperliche Gewalt Travis‘ bevorzugte Strategie der Konfliktlösung und während Abby sich zwar stellenweise gegen sein übergriffiges Verhalten wehrt, problematisiert sie diesen Aspekt nicht, scheint ihn sogar insgeheim heiß zu finden. Im Showdown inszeniert der Film Gewalt sogar als Versuch eines heldenhaften Rettungsmanövers, das Abbys Dank verdient.

Dass Travis wohl den idealen Mann darstellen soll, zeigt sich auch in der Abwertung sämtlicher anderer männlicher Figuren und alternativer Formen von Männlichkeit. Abbys Vater Mick (Brian Austin Green) ist ein Spieler, der seine Tochter nur ausnutzt; ihr Freund Parker (Neil Bishop) knickt vor Travis ein und langweilt Frauen auf Partys, weil er lieber über Gesundheitspolitik redet als Trinkspiele zu spielen. Travis’ Cousin Shepley (Austin North) wiederum soll wohl beim Publikum für Lacher sorgen, wenn er sich für Aerobic begeistern lässt und ein romantischer Film ihn zu Tränen rührt. Seinen einzigen ansatzweise heroischen Moment hat er — wer hätte das gedacht —, als er sich zu Travis‘ Rettung ebenfalls in einen Kampf stürzt.

Abby (Virginia Gardner) in Beautiful Disaster

© 2023 Beautiful Disaster Movie/ LEONINE Studios

Protagonistin Abby Abernathy ist nur deshalb die komplexere Figur, weil sie verschiedene sexistische Stereotype in sich vereint. Zum Teil verkörpert sie klassisch feminine Klischees, die sie gegenüber Travis in eine schwächere Position rücken. Beispielsweise bemuttert sie Travis und Shepley, indem sie ihnen in deren Wohnung hinterherräumt, und Travis kann ihr gönnerhaft Klimmzüge erklären und sie heldenhaft vor ihrem eigenen Alkoholkonsum retten. Während der Film ihn als Frauenhelden einführt, ist Abby offenbar so sexuell unerfahren, dass sie weder Travis’ Sexspielzeugsammlung noch offensichtliche Sexgeräusche als solche erkennt. Dass Travis sie (gegen ihren Willen) stets „Täubchen“ nennt, wirkt in diesem Zusammenhang weniger liebevoll als herablassend.

Gleichzeitig verkörpert Abby auch in Teilen das sexistische „Not like other girls“-Klischee. Parker zeigt sich überrascht, dass die brutalen Underground-Kämpfe ihr nichts ausmachen, sie zieht die beeindruckten Maddox-Brüder beim Poker ab und Travis betont, dass er niemals Frauen in seinem Bett schlafen lässt, bietet es Abby aber anstandslos an. Dass sie nicht sofort Sex mit ihm haben will, sorgt anscheinend dafür, dass Travis sich — anders als bei seinen sonstigen Sexpartnerinnen —  für sie als Person interessiert, und auch ihr selbst scheint die Abgrenzung zu seinen „kleinen Huren“ (ihre Worte) wichtig zu sein.

Abby (Virginia Gardner) und Travis (Dylan Sprouse)

© 2023 Beautiful Disaster Movie/ LEONINE Studios

Obwohl der Film über visuelle Mittel vor allem seinen männlichen Hauptdarsteller sexualisiert, ist auch Abbys körperliche Attraktivität regelmäßig Thema. Travis beschwert sich beispielsweise, als sie zu einem seiner Kämpfe in einem Kleid auftaucht, „aus dem ihre Titten raushängen“. Abby weist ihn hier nicht etwa auf die Verantwortung von Männern hin, ihre eigenen Triebe zu kontrollieren, sondern protestiert: „Das ist ein immer noch Anstand wahrendes Kleid.“  Dass sie später bei einem Pokerspiel im knappen Glitzerkleid ihre Gegner unter anderem durch heftiges Flirten ablenkt, scheint Travis implizit Recht zu geben: Die armen Männer haben einfach keine Chance, wenn Abby sich so anzieht. Wirklich unangenehm sind aber die Szenen, in denen Abby im Schlaf Travis‘ Morgenlatte betätschelt (was er nicht unterbindet) oder es betrunken für einen grandiosen Witz hält, ihm gegen seinen Willen ihre Brüste zu zeigen. Dass Abby immerhin beim ersten gemeinsamen Sex selbstbestimmt das Ruder übernimmt und Travis zeigt, was ihr gefällt, macht diese problematische Darstellung weiblicher Sexualität und Sexualisierung nicht wieder wett.

Nein heißt ja, wenn man(n) nur hartnäckig genug ist 

Wollte mensch einem so substanzlosen Film wie Beautiful Disaster eine Botschaft zuschreiben, dann wäre es wohl: „‚Nein‘ heißt nicht wirklich ’nein‘, denn Frauen wissen ohnehin nicht, was sie wollen.“ Weder Travis noch das Drehbuch und anscheinend nicht einmal Abby selbst nehmen ihr „Nein“ und ihre Grenzen jemals ernst. Sie weigert sich, mit Travis auf sein Motorrad zu steigen, nur um es in der nächsten Szene doch zu tun, und schiebt einem resoluten „Lass mich in Ruhe!“ direkt ein resigniertes „Du wirst nicht lockerlassen, oder?“ hinterher, um ihm dann doch nachzugeben. Ihre wiederholte Versicherung, niemals mit Travis schlafen zu wollen, wirkt in diesem Zusammenhang nur wie eine hohle Phrase.

Beautiful Disaster: Travis (Dylan Sprouse)

© 2023 Beautiful Disaster Movie/ LEONINE Studios

Das ist praktisch, denn Travis kann mit Ablehnung ohnehin nicht umgehen. Auf Abbs anfänglichen Korb hin entgegnet er selbtverliebt: „Ich bin der Typ jeder Frau“. Als sie nicht mit ihm schlafen will und er eifersüchtig ist, betrinkt er sich und klaut (wozu auch immer) die Nachbarskatze. Obwohl die beiden nur aufgrund einer verlorenen Wette zusammenwohnen und nicht zusammen sind, nimmt er es ihr übel, dass sie mit einem anderen Mann schreibt, was er nur weiß, da er heimlich ihre Nachrichten gelesen hat. Diesen Vertrauensbruch kritisiert Abby zwar zurecht, doch Travis überschreitet auch im weiteren Verlauf des Films ohne Konsequenzen ihre Grenzen. Er ortet ohne ihr Wissen ihr Handy, hört heimlich ihren Anrufbeantworter ab und entscheidet mehrmals über ihren Kopf hinweg, wie er ihre Probleme lösen wird, obwohl sie das zumindest im großen Finale gut selbst hinbekommt.

Beautiful Disaster hätte einige Möglichkeiten gehabt, mit diesen Aspekten anders und konstruktiv umzugehen. Travis hätte sich, nach Abby’s anfänglicher Ablehnung, weiterentwickeln, sein aggressives und übergriffiges Verhalten ablegen und dafür Verantwortung übernehmen können. Abby hätte ihre Erkenntnis „Du bist nicht gut für mich“ ernst nehmen und sich konsequenterweise von Travis fernhalten können. Stattdessen bedient der Film bedauerlicherweise das Klischee der verwirrenden Frau, die dem armen Mann gemischte Signale sendet, weil sie nicht zugeben kann, dass sie ihn eigentlich will. Abby versichert Travis, er verkörpere „alles Hassenswerte am männlichen Geschlecht“, doch der Film macht deutlich, dass wir ihre Aussage — wie auch ihre „Neins“ — nicht ernst nehmen sollten. Nicht nur liefert sie nie eine Begründung für ihre angeblich starke Abneigung gegen Travis; die beiden verhalten sich auch während des Monats, den sie bei ihm wohnen muss, wie ein Pärchen, inklusive Doppeldates mit Freund:innen, gemeinsamem Fitness-Training und Besuch bei Travis‘ Familie. Dass der Film Travis‘ Verhalten so als beinahe nachvollziehbar darstellt — immerhin will Abby ihn ja offenbar doch und gibt es nur noch nicht zu — und seine Grenzüberschreitungen am Ende zum Happy End führen, ist beinahe schlimmer als das Verhalten selbst.

Beautiful Disaster: Travis (Dylan Sprouse) und Abby (Virginia Gardner)

© 2023 Beautiful Disaster Movie/ LEONINE Studios

Ein schlechter Film macht noch keine gute Parodie

Wenn mensch Beautiful Disaster eines zugute halten kann, dann, dass der Film so überzogen und von Klischees überladen ist, dass er unmöglich vollkommen ernst gemeint sein kann. Stellenweise ist er dadurch sogar ziemlich lustig, wenn auch nicht in den Momenten, die er als lustig inszeniert. Abby, die im vollen Hörsaal (und in Travis‘ Hörweite) vor sich hinmurmelt, wie heiß er doch sei; ein Security-Mann, der sich dramatisch das Hemd vom Leib reißt, bevor er sich auf Travis stürzt; die Sexszene, in der die beiden ein ganzes Hotelzimmer auseinandernehmen, während im Hintergrund bereits die Feuerwehrsirenen heulen — Es sind wohl solche Momente, die wohlwollende Kritiker:innen zu dem Schluss kommen lassen, bei Beautiful Disaster handele es sich um eine Parodie des Genres, die derlei Klischees mit einem Augenzwinkern betrachte. In der Tat gibt es Anspielungen auf ähnliche Filme und ihre Problematiken, beispielsweise wenn Travis‘ Cousin Shepley von einem der After-Filme zu Tränen gerührt ist, oder wenn Travis sich selbst versichert: „Du bist nicht toxisch“ und sich damit vielleicht von seinen filmischen „Bad Boy“-Pendants wie Christian Grey oder Hardin Scott abgrenzen soll

Doch das bisschen Selbsterkenntnis reicht noch nicht aus, um Beautiful Disaster zu einer guten oder auch nur funktionierenden Parodie seines Genres zu machen. Als bewusste Parodie hätte der Film ausgewählte Aspekte des Genres gezielt überziehen können, um zum Beispiel auf ihre Probleme oder Ausgelutschtheit aufmerksam zu machen. Beautiful Disaster überzieht zwar so einige Aspekte — z. B. die Betonung von Travis‘ Sexappeal und die Dramatik seiner Kämpfe —, lässt dafür jedoch andere, teils deutlich problematischere Punkte unkommentiert und -kritisiert. Dazu gehören das bereits erwähnte Männlichkeitsbild und Abbys Slutshaming von Travis‘ anderen Sexpartnerinnen als “kleine Huren”, das der Film niemals in irgendeiner Form kommentiert. Das wichtigste Argument gegen die Parodie-Theorie: Roger Kumble, selbst Regisseur von After Truth, bezeichnet sich als “Teil des After-Fandoms”, hat also leider vermutlich jede Minute von Beautiful Disaster ernst gemeint.

Was bleibt also von diesem Film, der weder als Romanze noch als Parodie funktioniert? Bei einem Trashfilm-Abend mit viel Alkohol möglicherweise gute Unterhaltung, andernfalls wohl nur das titelgebende Desaster – und natürlich die leider bereits angekündigte Fortsetzung Beautiful Wedding.

Beautiful Disaster läuft seit dem 6. April im Kino.

Charlie Hain