Berlinale 2025: Mother’s Baby
“Mother’s Baby, father’s maybe”, scherzt Doktor Vilfort, der Julia und Georgs langersehnten Kinderwunsch im Nu erfüllen kann. Die Privatklinik am Rande Wiens bietet ihren Patient*innen auch lange nach der Geburt jederzeit Sprechstunden an. Die bunten Axolotls, die sich in den Aquarien des geräumigen Gebäudes tummeln, wirken aber bald genauso wenig vertrauenswürdig wie die Anweisungen der überfreundlichen Hebammen. Julia beginnt, Misstrauen in ihr Umfeld aufzubauen – bildet sie sich manches nur ein oder geht es in Vilforts Labor tatsächlich nicht mit rechten Dingen zu? Nach Waren einmal Revoluzzer nimmt Johanna Moder in ihrem dritten Kinospielfilm mit der Thematisierung von Mutterschaft Anleihen am Horror- und am Science-Fiction-Genre, um den seelischen Zustand ihrer Protagonistin auf dünnes Eis zu legen.___STEADY_PAYWALL___
Eilig tragen Arzt und Hebammen Julias Kind nach der Geburt in Vilforts Privatklinik weg, es sei zu einem Sauerstoffmangel gekommen und ins Krankenhaus gebracht worden. Alles sei “völlig normal”, wie dem Paar, das erstaunlich gelassen bleibt – vielleicht liegt das an der wellnessartigen Klinik –, immer wieder versichert wird. Einige Zeit später schließlich die guten Nachrichten: der Kleine ist wohlauf, Georg schließt ihn sofort in die Arme. Julia (Marie Leuenberger) allerdings spürt von Beginn an, dass etwas nicht stimmt, dass dieses Kind nicht das ihre ist. Diese Zweifel bilden den narrativen Kern der Handlung, der Julias innere Zerrissenheit zwischen der Freude über die Erfüllung des Kinderwunsches, auf deren Eintreten sie vergeblich wartet, der Überforderung mit einer neuen Lebenssituation und der Ahnung, dass dieses Baby genetisch manipuliert wurde. Denn: warum schreit es nie, meldet sich nie wenn es Hunger hat? Warum drängt sich die Hebamme (Julia Franz Richter) so auf und besteht darauf, dass Julia schon drei Monate nach der Geburt abstillt? Macht Julia sich unnötig Sorgen oder stimmt tatsächlich etwas nicht und sie sollte einfach mit ihrem Zen-Baby und ihrer privilegierten Situation zufrieden sein? Die Behörden drängen darauf, dass Georg und Julia endlich einen offiziellen Namen eintragen. Auf der Homepage der Privatklinik spricht Vilfort wohlgesonnen über Axolotls – steckt ein Stückchen Wassermonster in Julias Baby?

© FreibeuterFilm
Wie Rosemary’s Baby konstruiert Mother’s Baby einen Plot, der sein Publikum nah an Julias Perspektive heranholt, dann aber Zweifel streut, ob ihr Misstrauen wirklich gerechtfertigt sei. Doch verliert der Film genau in seinem unentschiedenen Schweben zwischen einer glaubwürdigen, realistischen Konstruktion seiner Figuren und deren unerklärlichem Agieren, das mehr einer Science-Fiction-Logik entspringt, sein Publikum. So wirkt es etwa unrealistisch, dass Julia den Anweisungen ihrer Hebamme trotz eigener Zweifel und des gegenläufiges Rats ihrer deutlich vertrauenswürdigeren Nachbarin so schnell folgt, dass sich der dreimonatige Säugling aus der Mitte des Wickeltisches so schnell von selbst zum Abgrund dreht oder dass an Julias Körper das Abstillen praktisch unbemerkt vorübergeht. Manche Handlungen der Protagonistin scheinen zwar irrational – etwa auch, dass sie eher kopflos (hier soll wohl der Verdacht aufkommen, dass die Hormone noch mit Julia durchgehen) vor einer Sozialarbeiterin wegläuft – aber nicht irrational genug, um tatsächlich das Gefühl entstehen zu lassen, ihre Psyche stehe unter Strom oder sie leide unter postnataler Depression. Das Verhalten der Figuren sorgt eher für Verwirrung als dass eine horrorartige Atmosphäre oder Spannung entstünde. Die Botschaft, die Moder mit Mother’s Baby vermitteln möchte, nämlich dass eine als Mutter von der Umgebung plötzlich anders behandelt wird als zuvor, lässt sich herauslesen, wäre aber in einer feineren Dramaturgie und Form besser aufgehoben gewesen.
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