Unsere Liebsten: Die Favorites der Redaktion 2023

In unserer Reihe „Unsere Liebsten“ findet ihr hier die Film-Favorites 2023 der FILMLÖWIN-Redaktion – wie immer in unbestimmter Reihenfolge:

NOTRE CORPS von Claire Simon

„Auf dem Weg zeigt Notre Corps (Our Body) Menschen in der Transition, Endometriose-Betroffene, die vielen Schritte einer künstlichen Befruchtung und natürlich Geburten. Die Perspektive ist beobachtend, niemals wertend, ohne Dramatisierung oder kalkulierte Rührung, und doch vermitteln die Bilder Respekt vor der Kraft der Körper, Mitgefühl für Leid und Trauer sowie Rührung und Faszination für das Wunder des Lebens. Die Kamera hält oft einen gleichbleibenden Abstand, ist aber dynamisch genug, um auch in Gesprächssituationen die Körper der Menschen im Bild abzutasten.“

Die gesamte Filmkritik von Sophie findet ihr hier.

Ein neugeborenes Baby mit Mützchen liegt auf der nackten Brust seiner Mutter, die liebevoll zu ihm herab sieht.

© Madison Films

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SORRY GENOSSE von Vera Brückner

„Die Flucht selbst erzählt Sorry Genosse spannungsgeladen und humorvoll. In vereinfachten Szenenbildern stellen die Kompliz:innen Hedi, Karl-Heinz und Gitti ihren “Masterplan” mit all seinen Komplikationen nach. Mehr als 30 Jahre nach der Maueröffnung und mit dem Wissen, dass die Flucht schließlich gelingen würde, können sie selbst über den Arrest am Grenzübergang und Verhöre durch den rumänischen Geheimdienst lachen. Mit spürbarer Sympathie für ihre Protagonist:innen und Mut zu kreativen Formen erweckt Vera Brückner mit Sorry Genosse ein Stück deutsch-deutscher Geschichte zum Leben.“

Zur vollständigen Filmkritik von Lea geht es hier lang.

© W-film / Nordpolaris

DIE AUSSPRACHE von Sarah Polley

“In einer streng gläubigen, isoliert lebenden Gemeinschaft mehren sich Fälle von sexualisierter Gewalt. Um zu entscheiden, wie und ob sie sich dagegen wehren oder lieber fliehen wollen, finden sich Frauen der Gemeinschaft zu einer “Aussprache” zusammen. Anhand des Mikrokosmos der portraitierten Siedlung vollzieht Sarah Polley jene Machtstrukturen nach, die Rape Culture begünstigen. S*xualisierte Gewalt erzählt Polley elliptisch und doch in ihrer Brutalität spürbar. In blassen Farben gehalten, wirkt ihr Kammerspiel der Realität entrückt und modellhaft, jedoch niemals farb- oder leblos. Im Gegenteil machen es uns die nahbaren Charaktere leicht, auch emotional tief in das Geschehen dieses Films einzutauchen.” (Sophie R.)

Michael Gibson © 2022 Orion Releasing LLC. All Rights Reserved.

BARBIE von Greta Gerwig

„Dass Spielzeuge in die Menschenwelt eintauchen oder zum Leben erwachen, mag keine neue Idee sein, im Fall von Barbie macht das aber besonders Spaß: den Körpern, Bewegungen und Äußerungen der Darsteller:innen in den großteils realen Sets zuzusehen sowie die spielerische Verknüpfung mit aktuellen Diskursen zu rezipieren. Eine Off-Stimme begleitet die Erzählung und klärt uns zu Beginn über die vermeintlichen Ideale, die die Puppe verkörpert, auf: von Ruth Handler erfunden und 1959 auf den Markt gekommen, sollte sie Mädchen empowern, sich in allen Berufen und Tätigkeiten des Lebens sehen zu können.“

Biancas vollständige Kritik lest ihr hier.

Barbie fährt im Cabrio, schräg hinter ihr sitzt Ken. Alles ist rosa, beide haben hellblonde Haare.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc.

EIN SCHÖNER ORT von Katharina Huber

„Was Ein schöner Ort aber mit den anderen deutschsprachigen Filmen in Locarno gemeinsam hat, ist seine hartnäckige Sturheit in Bezug auf seine Filmgrammatik. Das Schnittmuster wird nur selten geändert, was bedeutet, dass das Tempo kontrolliert und stringent ist. Bis es schneller wird. Dann lässt der Film mehr zu, während er weniger preisgibt. Die Kapitel bestimmen angeblich das Tempo, aber sie entsprechen einer jazzigen Konfiguration, die reich an Überraschungen ist. Visuell färben Seitenschatten die meisten Figuren Der Effekt ist rigoros melancholisch und grenzt an nihilistische Dunkelheit.“

Giancarlos vollständige Kritik findet ihr hier.

© Katharina Huber

PAST LIVES von Celine Song

Greta Lee verkörpert eine Frau, die neben ihrer Entschlossenheit und dem offenem Umgang mit ihren Mitmenschen, Verunsicherung zulässt, diese aber nicht als Schwäche begreift, sondern einfach akzeptiert. Beziehungen zu anderen sind selten nicht von Unsicherheiten durchwachsen, Past Lives zeigt, dass es diese in seiner filmischen Darstellung nicht dramaturgisch funktionalisieren muss, sondern lässt seine Protagonistin ihre Gefühlsvielfalt offen ausverhandeln: Dialoge zwischen Personen werden von Blickkontakt getragen – Kommunikation findet in der Inszenierung von Past Lives auf verbaler und visueller Ebene statt.“

Zu Biancas vollständiger Filmkritik.

Greta Lee als Nora und Hae Sung als Teo Yoo sitzen nebeneinander auf einem Ausflugsschiff, im Hintergrund sind rechts andere Passagiere zu erkennen, links erstreckt sich Wasser, am Horizont ist ein Streifen Land zu zu sehen. Der Himmel ist hellblau, mit dichten weißen Wolken. Nora und Teo Yoo sitzen nebeneinander und schauen sich an, beide haben ein leicht angedeutetes Lächeln im Gesicht. Nora trägt eine schwarze Bluse mit weißen Punkten, Teo Yoo ein blaues kariertes Hemd.

© Jon Pack

LADYBITCH von Paula Knüpling und Marina Prados

„Elas Empowerment, ihre feministische Epiphanie, ist nahbar, fürs Publikum nachvollziehbar und inspirierend. Dafür darf Paula Knüpling und Marina Prados nicht nur Lob, sondern auch ein Dank ausgesprochen werden. Für Menschen, die sich in gleichen oder ähnlichen Zwickmühlen befinden, ist dieser dramaturgische Ansatz hilfreich und motivierend. Doch für die beiden Regisseurinnen scheint der Film auch mehr als nur eine feministische Gabe zu sein. Ladybitch präsentiert sich auch als Ventil für ironisches Amüsement ebenso wie für berechtigte Wut. Das lässt sich deutlich spüren und ist mitreißend.“

Zur Filmkritik von Sophie B.

© Ladybitches Productions

WE WILL NOT FADE AWAY von Alisa Kovalenko

„Obwohl Alisa Kovalenko für ihren Film eine so beobachtende und nüchterne Perspektive gewählt hat, , lässt der Film eine überwiegende, narrative Tendenz erkennen. Nicht nur die am Ende des Films eingeblendeten Texttafeln, die über den Verbleib der Protagonist:innen nach Drehende aufklären, machen deutlich, dass der Blick in die Zukunft eine übergeordnete Rolle in We Will Not Fade Away spielt. Am Rande des Erwachsenwerdens befassen sich alle fünf Protagonist:innen mit der Frage, wie es für sie nach der Schule weitergehen soll. Sie träumen von Karrieren und von der großen Welt.“

Die vollständige Filmkritik von Sophie B. lest ihr hier.

© Alisa Kovalenko

DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN von Martha Mechow

Martha Mechows Film Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin versteht diese Problematik als etwas, das direkt in die Struktur des Films selbst und damit in die Erzählung eingreifen muss. Dafür müssen die Möglichkeiten des Kinos erprobt werden, darin liegt der Gewinn – und im Falle des Films die Geschichte. Denn um das Chaos des Films zu gestalten, hat Mechow eine Konstellation von Figuren ausgewählt und zusammengebracht, die sich mit verschiedenen Aspekten des zeitgenössischen Feminismus, seinen Problemen, seinen Erfolgen, seinen Kämpfen auseinandersetzen.“

Zur Kritik und zum Interview zum Film.

© Viennale

Sabrina Vetter