feminist elsewheres

Filmfestivals werden oft als ein Ort angesehen, an dem man die neuesten Filme großer Arthouse- und kommerzieller Namen sehen kann. Das ist natürlich normal, wenn man an die Beliebtheit von Cannes, Venedig, Locarno und die Berlinale denkt. Die von allen Medien berichteten Veranstaltungen versprechen einem*r, die Möglichkeit, Angeberrechte zu haben, die mittlerweile zu sowohl journalistischen als auch cineastischen Kreisen gehört. Dem zu entkommen, was die Sprache überhaupt ermöglicht -das unerträgliche Gefühl des männlichen Wettbewerbs, welches nur in Köpfen den Beteiligten Sinn ergibt-, aber nicht nur, widmen sich andere Arten von Filmfestivals seit Jahr(zehnt)en spezifischen Gebieten, die üblich -und bedauerlicherweise angesichts der Tyrannei des Neuen außer Acht gelassen werden. Historischem, politischem, nationalem Kino wird Platz geschaffen, sich wiederholende Zyklen werden analysiert, unentdeckte Stimmen werden zu Favoriten, und wenn alles stimmt, wird das Kino nicht zu einem ahistorischen Ort, in dem Filme in ihrer Materialität verweigert wird, sondern zu einem, der die menschliche Fähigkeit für Erinnerung und Wiederbelebung zu schätzen weißt.

Veranstaltungen, die sich dem feministischen Kino widmen, sind auf dem Vormarsch. Ob theoretisch oder aktivistisch, zumindest in Berlin kann man sich aussuchen, was einem gefällt. Feminist Elswheres, das jüngste Berliner Filmfestival, das in der vergangenen Woche im Kino Arsenal Filme, Workshops, Vorträge und Diskussionen organisierte, wagte es, das feministische Kino historisch und aktuell, praktisch und theoretisch zu denken und eine Veranstaltung zu schaffen, deren Rahmen Verbindung und Kameradschaft statt Entfremdung und Distanz ermöglichte. Töne und Bilder wurden in einen Kontext gestellt, gleichzeitig wurde über sie gesprochen und mit ihnen gesprochen. Die Veranstaltung bezieht sich sowohl auf das „Erste Internationale Frauenfilmseminar“ von 1973 (konzipiert von Claudia von Alemann und Helke Sander, beide wichtige Persönlichkeiten des deutschen Films), als auch auf die Aktualisierung des Frauenfilmseminars „…es kommt drauf an, sie zu verändern. Filme, Festivals, Feminismus“, das 1997 von Stefanie Schulte Strathaus sowie Madeleine Bernstorff, Birgit Kohler, Silvia Hallensleben und Regina Holzkamp, alle vom Verein Blickpilotin e.V., organisiert wurde. Feminists Elsewhere wurde organisiert von Elena Baumeister, Fiona Berg, Charlotte Eitelbach, Sophie Holzberger und Arisa Purkpong, die durch den Dialog mit der Geschichte und das Verweben von Beziehungen und Resonanzen in diesem Sinne eine Vielfalt von Ambitionen und Ideen schufen, die Gegenwart durch die Vergangenheit zu analysieren und einen geschichtsbewussten Blick in die Zukunft zu weiten. 

©Dora García

Fünf Tage lang hatte das Publikum die Möglichkeit, sowohl aktuelle Filme als auch Entdeckungen aus dem Archiv zum ersten Mal live zu sehen, aber auch eine Auswahl aus den vorangegangenen Seminaren wieder zu erleben. Eine dreifache Auswahl am Eröffnungstag sorgte dafür, dass wir sowohl in aktuellen als auch in vergangenen Debatten verankert waren. In All Women are Equal spricht eine weiße Transfrau in Nottingham, England, über ihre Erfahrungen, ihr Körperbewusstsein und die Einstellungen der Gesellschaft, in der sie lebt. Der Film aus dem Jahr 1973 zeigt mit viel Humor und Verständnis für die Unsicherheit ihrer Position in der Gesellschaft eine Frau, die versucht, aus allem schlau zu werden, indem sie die negativen Seiten des Lebens nicht herunterspielt, sondern ihnen mit Verständnis begegnet und eine auto-ethnographische Analyse ihres Lebens in Echtzeit liefert. I Am Somebody von Madeline Anderson, der ebenfalls auf dem ersten Frauenfilmseminar gezeigt wurde, zeigt die Arbeit und den Kampf schwarzer Krankenhausmitarbeiterinnen in Charleston, South Carolina. Während All Women Are Equal direkt das queer-feministische Verständnis von Trans-Subjektivität anspricht, erinnert I Am Somebody an die Kraft des kollektiven Kampfes, auf dem der Aktivismus in den 60er und 70er Jahren beruhte.

Kuratorische Entscheidungen, die auf aktuelle Debatten Bezug nehmen, sind ohnehin schwierig zu treffen, aber das Team von Feminist elsewhere hat mit der Wahl von Dora Garcias Amor Rojo, einen besonderen Scharfsinn bewiesen. Während man in den vorangegangenen Filmen schon viel von den Unterschieden im Feminismus ablesen konnte und die Frage stellen konnte, ob es eine Art Vereinigung zwischen Queer-Feminismus und materialistischem Feminismus geben könnte – ein Thema, das von vielen mit einem klaren Nein beantwortet wurde, da einige der Meinung sind, dass die spezifischen Forderungen des Queer-Feminismus das Diskursive über die Materialität des Kampfes stellen, in dem von Frederike Beier herausgegebenen Sammelband Materialistischer Queerfeminismus wurde dieses Thema mit Ja beantwortet. Garcias Amor Rojo ist eine Betrachtung der Tatsache, dass der gegenwärtige queer-feministische Kampf das Potenzial hat, Menschen in der Praxis Hand in Hand zusammenzubringen. Indem sie den mexikanischen Kampf durch die Linse von Alexandra Kollontais Leben und Schriften analysiert und sie mit anderen Denkern sowie den Tränen, Körpern und Erfahrungen mexikanischer Frauen in Dialog bringt, gelangt Garcia zu kollektiver Trauer, zu Träumen, zu Körpern, die sich weigern, die Welt so zu akzeptieren, wie sie ist. Das revolutionäre Potenzial der Liebe wird dann von den Fesseln des Sex und der romantischen Beziehungen befreit, um sich zu etwas Allgemeinerem, Gemeinschaftlichem, Unterstützendem auszuweiten, zu einer Gemeinschaft der Ungewählten, wie Sabine Hark es ausdrücken würde.

©Jakub Danilewicz
Sophie Holzberger, Aarin Burch und Monica Freeman

Daneben wurde in Workshops und Vorträgen deutlich, dass Film nicht einfach nur Film ist, sondern mit ihm und seiner Projektion eine Menge Verantwortung einhergeht, er betritt den Raum der Geschichte. Im Gegensatz zu den Theoretisierungen eines Bresson, der über das Wesen seiner Filme in seiner persönlichen Ästhetik fabulierte, kann sich die feministische Arbeit nicht mit dem Verständnis des künstlerischen Prozesses begnügen. Anders als bei Bresson gehen viele Filme von Frauen und FLINTA-Personen verloren, werden nicht gut archiviert, sind nicht Teil der offiziellen Geschichtsbücher. Wie viele dieser Filme und wie viele Dokumente im Äther verschwunden sind, weil ihnen nicht die angemessene Aufmerksamkeit zuteil wurde, zeigt das Privileg, das mit dem männlichen Personenkult einhergeht. Veranstaltungen wie die Feministische Schreibwerkstatt mit Hannah Schmedes und Lena Wassermeier (Wiki Riot Squad) wurden ins Leben gerufen, um diesen Mangel online zu beheben, und das Panel „Feiminiist curatorial practice: developing methodology“ mit Sirin Erensoy, um die Gegenwart zu thematisieren. In einem der erfreulichsten Panels der Veranstaltung, „Sister Projects. Revisiting Feminist Film History“ Projekte aus verschiedenen Generationen zusammengeführt.  Mit einem Kurzfilmprogramm eingeleitet, hatte das Panel das Ziel, verschiedene Projekte zu besprechen, die sich mit feministischen Themen beschäftigen. Gaby Babič (Remake), Monica Freemen, Aarin Burch und Hayle O’Malley (Sojourner Truth Festival of the Arts) sowie Camilla Baier, Rachel Pronger und Lauren Clarke (Invisible Women) erzählten von ihren Impulsen in den USA, Schottland und Deutschland, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Arbeit von Monica Freemen und Aarin Burch insbesondere, deren Filme vor dem Gespräch gezeigt wurden, und die das erste schwarz-feministiches Filmfestival der USA verastantleten, erzählten komplett gefreut von der Arbeit mit Hayle bei der diesjährigen Ausgabe. Das Improvisatorische an der ersten Aufgabe gaben ihnen ein Gemeinschaftsgefühl, da die meisten der von ihnen gezeigten Filme ihrer Freund*innen gehörten, dass sich kaum zu replizieren lässt. Dennoch schufen sie mit der Unterstützung der University of Chicago eine komplette andere Erfahrung. Jetzt waren Akademiker*innen auch dabei und der Dialog zwischen beiden Bereichen, dem Künstlerischen und dem Akademischen, ergab sich als erfolgreich. Das Invisible Women Kollektiv beschrieb ihre beeindruckende Arbeit innerhalb Schottland und England, von deren Anfängen als eine Bachelorarbeit-basierte Ausstellung bis zu deren Eingriffen in verschiedenen Filmfestivals.

Die Filme, die das Festival begleiteten, waren gleichzeitig alt und neu. Márta Mészáros, eine der produktivsten Filmemacherinnen der Welt, war auch in Feminist Elsewheres vertreten, nachdem sie am ersten Frauenfilmseminar teilgenommen hatte. ELTÁVOZOTT NAP (Das Mädchen auf Deutsch) war ihr erster langer Spielfilm. Der Film folgt dem unkonventionellen Leben einer Frau, die sich aus Budapest aufs Land begibt, um ihre Mutter zu finden, und bietet einen Einblick in den gesellschaftlichen Druck, dem Frauen ausgesetzt sind, die ständigen Belästigungen, die komischen Männer, die unterschiedliche Beurteilung von Frauen im Vergleich zu Männern. Mészáros hat ein Gespür für Komik und treffende Beobachtungen, die diesen Film zu einem feministischen Klassiker machen. Die Ablehnung von Traditionen ist bis heute aktuell. Ein persönlicher Favorit des Festivals bleibt jedoch Porque Quería Estudiar und Antuca. Der erstgenannte Film, eine Zusammenarbeit zwischen der Regisseurin María Barea, dem Kollektiv Warm Cine y Video und der gemeinnützigen Organisation IPROFOTH (Instituto de Promocion y Formacion de Trabajadoras del Hogar), ist ein einfacher Dokumentarfilm, der jedoch in Peru kaum gesehen wurde, wahrscheinlich aufgrund seines aufschlussreichen Inhalts, zumindest für viele Menschen der oberen Mittelschicht. Der Dokumentarfilm folgt vielen Menschen aus La Sierra, die erklären, wie und warum sie ihre Heimat verlassen haben, um in Lima als Hausangestellte zu arbeiten. Eine Situation der Ausbeutung, die bis heute zur Konstitution des Alltags gehört, bekommt ein Gesicht und eine Stimme. Indem die Hausangestellten direkt in die Kamera über ihre Situation sprechen und eine von ihnen interviewt wird, wie sie in dem Haus, in dem sie arbeitete, geschlagen wurde, in das sie mit falschen Versprechungen von Bildung gebracht wurde, leistet der Dokumentarfilm Aufklärungsarbeit über diese Situation und ihre negativen Folgen für Hausangestellte. Darüber hinaus wählt Barea den Weg, die Zeugnisse anderer Hausangestellter zu zeigen, die ihre schmerzhaften Erfahrungen detailliert schildern. Antuca, ein längerer Film, der hier in einer Restaurierung gezeigt wird, ist ein Film, der seinen Farben und seiner Thematik gerecht wird. Ein ähnlicher Film, jetzt aber als Spielfilm, vermittelt ein schönes Verständnis für seine Hauptfigur Graciela Huaywa, die auch im Dokumentarfilm zu sehen war, auf ihrem Weg von Lima zurück in die Provinz. In lyrischen Rückblenden und analogen Aufnahmen erzählt Antuca die Geschichte vieler Menschen in Peru, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft nach Lima gegangen sind und dort nichts als Ablehnung, Beleidigungen und schlechte Behandlung erfahren haben. Zurück in der Provinz stellen sie jedoch fest, dass sie sich unwiderruflich verändert haben, fast bis zu dem Punkt, dass sie von ihrer Familie nicht mehr anerkannt werden.

©Jakub Danilewicz
Franzis Kabisch, Ingrid Oppermann & Bianca Jasmina Rauch

Ingrid Oppermann und Gardi Deppe haben 1972 an der DFFB Kinder für dieses System gemacht, um das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Fortpflanzung zu thematisieren, und analysieren in ihrer Arbeit mit Hilfe von Texten, Ironie und einem wissenden Augenzwinkern verschiedene Fälle in Deutschland. Die Nicht-Rechtmäßigkeit der Schwangerschaft ist etwas, das viele Frauen auf der Welt betraf und betrifft, und indem es auf diese Weise gezeigt wird, werden die Konsequenzen im Leben der Frauen hervorgehoben und kommentiert. Dort, wo eine erfolgreiche Karriere oder Ausbildung hätte sein können, steht das Baby mit seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen und stört das Leben von einem Tag auf den anderen. In Getty Abortions gibt Franzis Kabisch all ihre Bedenken bezüglich der medialen Darstellung von Abtreibungen mit erstaunlicher Leichtigkeit wieder, während sie den Prozess des Schwangerschaftsabbruchs als Chance für eine persönlich-politische Auto-Ethnographie begreift. Ihre Arbeit geht vom Besonderen zum Allgemeinen und wieder zurück. Die Verwendung von Archivfotos, dem universellsten Medium, das niemand wirklich als solches begreift, aber dennoch konsumiert wird, wird der Geschichte der Filmemacherin gegenübergestellt, um eine feministische Kritik an den Medien und ihrer einseitigen Darstellung von Abtreibung zu formulieren, die von paternalistischen und patriarchalischen Bedenken angeheizt wird. Das Gespräch verband beide Generationen und suchte eine Kontinuität, die durch das Feminist Elsewheres Team und die Moderation von Bianca Jasmina Rauch von Filmlöwin hergestellt wurde.

Zwei der interessantesten Programme wurden danach noch programmiert. Ersteres waren die Kurzfilme der Cinenova Working Group. Cinenova, die in 1991 gegründete Gruppe, ist der Zusammenschluss aus zwei feministischen Film und Video Verleihen. Die Gruppe ist der Digitalisierung von Filmen deren Sammlung gewidmet und zeigten in Arsenal vier Kurzfilme, die sich mit feministischen Blicken in das Leben BIPOC-Menschen befasst. Aber nicht nur, zwei der Filme beschäftigten sie sich mit Behinderung und chronischer Krankheit in Form von Multiple Sklerose und Epilepsie. Die Filme genügen sich nicht mit der Verwendung von Analogen, sondern versuchen durch elaborierte Montage und anfassenden Sound das Leben der Menschen zu begreifen. Das Leben, konzipiert als eine Auseinandersetzung zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit, führt die Protagonist*innen in das Labyrinth der Subjektivität. Die Bewegung von behinderten Körpern, die Außenwahrnehmung der eigenen Epilepsie in einer Beziehung. Das Gehen und Zurückkommen angesichts gesellschaftlichem Druck, wenn man nicht dem Normativen entspricht. Cinenova brachte mit sich Perspektiven aus der Kreuzung zwischen Feminismus und Disability, die notwendiger als je erscheinen.

©Jakub Danilewicz
Fiona Berg, Ariel Dougherty, Sheila Paige & Sophie Holzberger

Die nächsten Filme Women’s Happy Time Commune von Sheila Paige, Susan Through Corn von Kathleen Laughlin und The Go-Blue Girl von Juliana Grigorova führten das Publikum durch verschiedene Auseinandersetzungen mit der weiblichen Subjektivität und ihren jeweiligen gesellschaftlichen, individuellen und relativ zeitgenössischen Konfigurationen und Träumen. Die in den 70er Jahren gedrehten Werke strahlten eine anarchische Lebenslust aus. Der Sinn für die Möglichkeiten in Paiges Film wird durch den ländlichen Charakter des Schauplatzes unterstrichen, an dem ein wohlmeinender, aber rauer Anführer versucht, eine Kommune aufzubauen, in der ein Großteil des Drucks der normativen Geschlechterdynamik wegzufallen scheint. Der improvisierte Charakter führt zu Momenten des Glücks und der Gemeinschaft, aber auch zu nicht ganz so zärtlichen Diskussionen über die Natur von Beziehungen zu Männern sowie zur Reproduktion einiger rassistischer Stereotypen, die eine überlegte intersektionale Reflexion des Films selbst erfordern. Wie so oft stößt ein Großteil des Entdeckergeistes der späten 60er und 70er Jahre sowohl in akademischen als auch in aktivistischen Kreisen an seine Grenzen, wenn es darum geht, das Leben nicht-weißer Menschen zu betrachten. Der Geist des Abenteuers zeigt sich auch in Susan Through Corn, wo Laughlin Susan beim Laufen durch den Mais begleitet. Die sinnliche Erfahrung ihres Laufens öffnet den Film zu etwas, das über seinen trockenen Humor hinausgeht, es ist das Versprechen eines verkörperten Kinos, das sich nicht scheut, zu versuchen, spezifische Erfahrungen zu vermitteln, ohne vor ihrer Einfachheit zurückzuschrecken, und dort Komplexität zu finden. In Grigorovas The Go-Blue Girl erreicht das Abenteuer seine Punk-Ära, tanzt, läuft, unterhält sich, aber vor allem erfreut es sich an dem Wissen, dass diese formbare Welt in etwas anderes verwandelt werden kann. Durch seine Protagonistin gelangt der Film zu einem Verständnis des Lebens als etwas, das man formen, laut schreien und in einem beliebigen Haus durchtanzen kann. Die abschließende Party fühlte sich wie eine Fortsetzung der Kurzfilme an, tanzende, kämpferische Körper, die Grigorovas phantasievolle Filmporträts einlösen.

Der letzte Tag der Konferenz war nicht weniger kämpferisch als die vorangegangenen. Die Filme von Collettiva Feminista di Cinema Italien (La Lotta Non È Finita) und Donna: Women in Revolt Yvonne Scholter NL (Donna: Vrouwen in Verzet) präsentierten interessante Reflexionen über die damalige Gegenwart der Differenz feministischer Entwürfe und ihre melancholische Vergangenheit, nachdem der Moment der Revolte vorbei war. Aktivistinnen, die mit operaismo und autonomia vertraut sind, sollten sich mit diesen beiden historischen Aufzeichnungen befassen, da sie den Kampf der Frauen in den Mittelpunkt stellen und ihr sehr spezifisches Verständnis des Kampfes („l’autocoscienza“, aber auch eine pragmatische Abkehr von Marx zugunsten der Gefängnishefte von Antonio Gramsci, auf die Theoretiker wie Mario Trontio und Antonio Negri ihre Arbeit aufbauten). Die gelebte, konkrete, körperliche, aktivistische Arbeit der ausgestellten Frauen steht für ihr theoretisches Engagement, das mit entsprechenden Slogans, die den Kampf als eine Beziehung von innen nach außen verstehen, auf die Straße gebracht werden sollte. „Donna“ hingegen setzt die Geschichte mit einem Rückgriff auf die Vergangenheit fort, in der die Kämpfe und der (Beinahe-)Tod vieler mit Erinnerungen aus erster Hand in der Tradition der Oral History erforscht werden, aber mit einem Sinn für die Zukunft dessen, was der Kampf sein könnte. Die Idee beruht auf der Beziehung zur Vergangenheit und der Ablehnung autoritärer großer Erzählungen, die eine weibliche Anführerin als Bringerin der Revolution postulierten. Hier wird die Beziehung zur Idee der Revolution als ein kollektiver Kampf dargestellt, der notwendig ist, um sich zu solidarisieren und die Notwendigkeit eines Kampfes gegen die Vergangenheit und die gegenwärtige, und daher hegemoniale Art und Weise, wie diese Welt konfiguriert ist, zu kollektivieren.

©Jakub Danilewicz
Daniella Shreir (Another Gaze/ Another Screen), Janine Sack (Eeclectic Publishing), Elif Rongen-Kaynakçi (EYE Film Museum, Cinema’s First Nasty Women)

Feminist Elsewheres gelang es, das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen. Indem die Idee des Archivs und die Zeitgenossenschaft der einst ausführlich diskutierten Diskussionen nicht losgelassen wurde, konnte die Kontinuität materialistischer, differenzfeministischer Denkstränge nachgezeichnet und neu bewertet werden. Diese Art von Gegenwärtigkeit, die das Archiv durchaus bietet, wenn man sich daran erinnert, dass es da ist, lässt die feministische Geschichte der letzten Jahrzehnte nicht als eine Sache der Vergangenheit erscheinen, sondern als eine relevante Art und Weise, filmische Themen noch einmal zu thematisieren.. In der Podiumsdiskussion „Editionen. Feministische Filmgeschichte publizieren“ diskutierten die Podiumsteilnehmerinnen Janine Sack (Eeclectic Publishing), Elif Rongen-Kaynakçi (EYE Film Museum, Cinema’s First Nasty Women) und Daniella Shreir (Another Gaze/Another Screen) über die Möglichkeiten, diese Geschichte relevant und verfügbar zu halten. Janine Sack vom Eeclectic Verlag, die Helke Sanders I like chaos, but I don’t know if chaos likes me herausgegeben hat, diskutierte über Sanders Buch, eine Sammlung von Texten aus der von Sander gegründeten Zeitschrift „Frauen und Film“ sowie Interviews und Fotos, und ihre Arbeitsweise. Sacks Beitrag berührte ein breiteres Thema, nämlich das der Archivierung und Bewahrung der jüngeren Geschichte. Die kürzlich verstorbene Tatjana Turanskyjs hinterließ die Arbeit und die Vorbereitung für ihre Trilogie über die Arbeitsbedingungen von Frauen, von der Eine flexible Frau der erste Teil ist, dem drei weitere Teile folgen werden. Eeclectic veröffentlicht dieses Werk neben weiteren, aber Sack erinnerte uns an die Vergänglichkeit vieler Filmarbeiten. Jährlich gibt es viele Filme von Frauen, feministische Werke, die unkommentiert veröffentlicht werden und schnell in Vergessenheit geraten. Vieles davon sind Beiträge zu gesellschaftlichen Debatten, aber weitgehend unkatalogisiert, entsorgt und als Snack-Kultur konsumiert. Auch diese Filme brauchen ein Zuhause im Archiv. Elif Rongen-Kaynakçis Arbeit befasst sich genau mit diesem seltsamen Rätsel, indem sie im Archiv arbeitet und in „Cinema’s First Nasty Women“ die Arbeit vieler Schauspielerinnen der Stummfilmzeit wiedergefunden hat, die unser Verständnis der Filmgeschichte dieser Zeit, die nur aus Männern bestand, und zwar den bekanntesten, neu formuliert. Rongen-Kaynakçi konnte es sich nicht verkneifen, die Art und Weise, wie David Bordwell die Filmgeschichte liest, und seine formalistische Art, die Werke von Frauen auszulöschen, zu kritisieren.

Für die feministische Filmgeschichte und Filmkritik unglaublich wichtig sind die Plattformenwas Another Gaze und Another Screen. Die Notwendigkeit dieser Plattformen wurde während der Pandemie deutlich, als viele Filme monatlich auf Another Screen gezeigt und in einen Kontext gestellt wurden. Daneben gab es auf Another Gaze lange Kritiken zu aktuellen Filmen sowie Meditationen und Entdeckungen über das Wesen der Frauen im Film. Daniella Shreir, die hinter diesen Bemühungen steht (zusammen mit einem Team hervorragender Autor*innen und Akademiker*innen), stellte in ihrem Beitrag zur Podiumsdiskussion eine kleine Geschichte von Another Gaze vor und präsentierte den Verlag Another Gaze Editions, der eine Sammlung von Texten von Marguerite Duras herausgeben wird, die von Shreir selbst übersetzt wurden. Inspiriert durch den großen kulturellen Moment in Frankreich in den 1960er und 1970er Jahren, versteht Shreir ihre Arbeit als eine Art und Weise, über Film durch seine Neubewertung und Wiederentdeckung zu sprechen. Obwohl sie sich zugegebenermaßen von der akademischen Filmzeitschrift Camera Obscura inspirieren lässt, zielt Another Gaze auch darauf ab, ihre Kritik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. „Wir haben kein Geld“, wiederholte Shreir, und obwohl die Archivierungsarbeit von Another Gaze an sich schon wertvoll ist und die Möglichkeit bietet, die Filmgeschichte neu zu überdenken, war die Frage der Finanzierung ein wiederkehrendes Motiv der Konferenz. Es wurden Ideen für ein Meta-Index-Archiv von Texten vorgeschlagen, aber es war klar, dass die meisten Übel, unter denen die Archivarbeit leidet, auf Geldmangel zurückzuführen sind. Shreirs Energie und ihr Talent, wichtige Informationen (die Kontroverse um die Motto-Bücher wurde angesprochen) auf leicht verständliche und unterhaltsame Weise zu vermitteln, vermittelten jedoch den Eindruck, dass sie ihre Arbeit auf jeden Fall fortsetzen wird.

Der letzte Programmblock fühlte sich daher wie eine Erinnerung daran an, was wir verlieren werden, wenn wir nicht verstehen, was Archivierung bewirken kann, wenn wir genügend wirtschaftliche Unterstützung geben. Die Zusammenstellung „Cinema’s First Nasty Women“ zeigte viele frühe Hauptrollen für Frauen in komödiantischen Settings in einer Weise, die die Filmgeschichte neu beleuchtet. Auch hier war ein gewisser Rassismus zu erkennen, da in einem der Filme ein „schwarzes Gesicht“ zu sehen war, aber dies zu zeigen und darüber zu sprechen, schafft einen Ausgangspunkt für das Verständnis des Zusammenspiels von visueller Kultur und komplexer gesellschaftlicher Dynamik. Diese frühe filmische Energie wurde durch die Hinzufügung von Jan Oxenbergs A Comedy in Six Unnatural Acts wunderbar kontextualisiert, in der die Regisseurin durch einfaches Blocking und den Aufbau von Szenarien die Atmosphäre (manchmal buchstäblich) schafft, die notwendig ist, um eine lesbische, queere Lesart vieler klassischer Szenarien zu bieten. In ihrer Welt können Klischees über Jungs, die Mädchen wollen, mit der einfachen Einführung eines weiblichen Körpers gebrochen werden, Flirten kann durch Stimmungsmache dargestellt werden, und eine lesbische Frau kann biblische Ängste hervorrufen, indem sie Menschen und Naturphänomene auf ihrem Weg spaltet. Feminist Elsewheres wollte eine Fortsetzung der beiden vorangegangenen Konferenzen sein und hatte sich hohe Ziele gesteckt, und durch ein inspiriertes kuratorisches Design, Gäste und eine Energie, die durch die Fragen und die Teilnahme des Publikums durchdrang, schuf die Veranstaltung den Raum, das Archiv zu entdecken, Wege zu finden, es zu unterstützen und mit einer informierten Verbindung zur Vergangenheit in die Zukunft zu blicken. Feminismus kann und sollte das mehr  öffnen.

Giancarlo M. Sandoval
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