IFFF 2019: Maxa Zoller – Die neue Festivalleitung im Interview

© Julia Reschucha

Seit vergangenem Jahr ist Maxa Zoller die neue künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund | Köln, mit dem die FILMLÖWIN wiederum seit mehreren Jahren eine enge Freundinnenschaft verbindet. Genau deshalb drehte sich die zweite Ausgabe unseres Podcasts „Filmlöwinnen – Alles außer Cat-Content“ auch um Frauenfilmfestivals im Besonderen und das diesjährige in Dortmund im Konkreten. Dabei diskutierten wir unter anderem die Problematik des Begriffs „Frau“ und ob ein Frauen*filmfestival nicht auch Filme von Männern* über Frauen* zeigen könne.

Anknüpfend an dieses Gespräch nutzte Sophie die Gelegenheit bei ihrem Festivalbesuch, Maxa Zoller persönlich zu treffen und mit ihr untern anderem auch eben jene Frage zu diskutieren.

Sophie: Woher rührt eigentlich Dein Interesse am Konzept Frauenfilmfestival?

Maxa: Das sind zwei Themen, die wir ansprechen. Einmal die Form des Festivals und dann der Inhalt, der da ist: Regisseurinnen. Das ist vielleicht besser als der Begriff „Frauenfilm“. Das Festival fand ich als Form schon immer interessant, weil es etwas von einem Ritual hat. Es hat etwas Geselliges, Kollektives, was sich das Kino immer bewahrt hat, trotz digitaler Individualisierungsprozesse.

Und vom Inhalt her: Meine Interessenentwicklung war schon früh geprägt von großen Fragestellungen an die Norm, nach gewissen gesellschaftlichen Regelungen eines Nicht-Dürfens. Ich glaube, dass man als Frau von einer marginalisierten Position das Zentrum des Privilegs hinterfragt. Ganz automatisch, weil man nicht im Privileg drin ist. Das heißt, man wird als Frau auf eine ganz besondere Art und Weise politisiert, wenn man denn sensibel dafür ist. Und dann war der Kreis zum Frauenfestival leicht zu schließen, weil ich aus einer politisierten, feministischen, postkolonialen Debatte herauskomme und das Frauenfilmfestival das nun auch bedient.

„Die Ränder des Begriffs „Frau“ sind sehr ausgefranst“

Wir haben darüber nachgedacht, ob der Begriff Frauen*filmfestival nicht in sich schon wieder problematisch ist.

Total problematisch. Der entstand in diesem Fall dadurch, dass zwei Festivals mit sehr coolen Namen, nämlich Femme Totale und Feminale fusioniert wurden und man sich unter diesem schwierigen Zusammenwachsprozess nur auf einen neutralen Begriff einigen konnte. Und daher dann Frauenfilmfestival. Ich würde es von mir aus gerne wieder umbenennen.

Aber in den anderen beiden Namen ist der Begriff Frau ja auch drin.

Aber mit ein bisschen mehr Witz, ein bisschen mehr Poesie. Die Ränder des Begriffs „Frau“ sind sehr ausgefranst und das bezieht der Name nicht mit ein. Ich kann jetzt als neue künstlerische Leitung nicht gleich alles ändern und ich weiß auch nicht, ob ich diesen großen Schritt überhaupt machen sollte. Aber es ist definitiv immer im Hintergrund.

Die Preisträgerinnen 2019 © A. Reschucha / Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln

Es gründen sich immer mehr neue, sehr spezifische Festivals, die mit dem Geschlechterbegriff sehr differenziert arbeiten, wie beispielsweise das Lesbian Non Binary Filmfest in Berlin. Wie bewertest Du diese Entwicklung und wie positioniert sich euer Festival dazu?

Ich finde diese spezifische, präzise Ausformung einer Debatte sehr wichtig, weil in Deutschland immerzu sehr viel über einen Kamm geschert wird – im Nachzug einer von der CDU verstreuten Ideologie des Mittelstands und der Wohlfahrtsgesellschaft, in der wir alle gleich sind. Das war eines meiner Probleme, die ich als Kind gefühlt habe. Wir sind ja nicht alle gleich, es wurde mir aber immer gesagt. Und die Forschung, die diese Festivals betreiben, und die Begriffe, die sie formen können, zum Beispiel „lesbian non binary“, oder die Filme, die sie zeigen – das ist eine total wichtige Materialisierung von Themen, die sonst nicht besprochen werden. Wie wir als Frauenfilmfestival dann dazu passen, das kann ich im Moment noch nicht sagen. Aber ich würde sagen, das muss sich entwickeln. Ich sehe uns auch erst einmal in Dortmund und Köln, das heißt in Nordrheinland Westphalen, verortet. Und da sind unsere Aufgaben auch noch mal ganz anders als beispielsweise in Berlin.

„Es geht darum, dass Filme von Frauen gefördert werden.“

Ist eine Regisseurin das einzige, das einen Film für ein Frauenfilmfestival qualifiziert?  

Beim Wettbewerb und bei allen jüngeren Filmen, ab also Stummfilmzeit und etwas darüber hinaus muss es eine Regisseurin sein. Es kann kein Regisseur sein. Weil es nicht darum geht, was abgebildet wird, sondern wer das Geld bekommt. Es geht darum, dass Filme von Frauen gefördert werden. Das heißt, je mehr diese Filme auch durch uns in den Kinos zu sehen sind – denn durch uns finden sie auch Vertriebe – desto mehr Drehbücher mit starken Frauen und von starken Frauen werden hoffentlich eingereicht. Nach dem Motto: „If she can see it, she can be it“. Unser Festival soll sich auch noch mehr in der Industrie verankern. Das ist kein intellektuelles Forschungsfestival, sondern es soll ganz klare Resultate in den Kinosälen zeigen.

Der Boden unter den Füßen © Juhani Zebra / Novotnyfilm

Es geht also darum, dass mehr Filme von Frauen in den deutschen Kinos laufen?!

Genau und deshalb ist das mit den Regisseurinnen eine absolute Grenze, die ich zumindest in den nächsten Jahren nicht verschieben werde. Ich könnte mir einen Mann in der Jury vorstellen, aber die Filme, die wir zeigen, sind von Frauen gemacht, von Regisseurinnen. Es ist ja auch oft so, dass sie mit Produzentinnen, Kamerafrauen und Soundtechnikerinnen arbeiten – hinter Der Boden unter den Füßen (Marie Kreutzer) und Endzeit (Carolina Hellsgård) stehen zum Beispiel Frauenteams. Ich hätte auch gerne einen Film wie Girl im Wettbewerb gehabt, aber ich verbiete es mir, weil dieser Film von Lukas Dhont, einem Regisseur, ist.

„ein Tanz mit der deutschen Gesellschaft“

Es wird experimenteller, es geht in Diversitätsdiskurse rein, es gibt mehr Genre – diese Veränderungen sind mir aufgefallen. Kommt da noch mehr?

Das Experimentelle versuche ich natürlich auch mit Vorsicht zu genießen, denn das Frauenfilmfestival soll kein Experimentalfilmfestival werden. Es geht um verschiedene Formen, die subtil oder auch offener sein können, wie zum Beispiel der Eröffnungsfilm. Dass wir mit einem Animationsfilm eröffnen, das trägt natürlich meine Handschrift.

The Man Woman Case © Frauenfilmfestival Dortmund | Köln

Diversität ist etwas, das Definitiv mit reinkommt. Da hast Du total Recht. Aber das ist auch etwas, das ich ganz natürlich mitbringe als jemand, der so lange im Ausland war und nun eine ägyptische-deutsche Familie hat. Da kann ich das Private vom Öffentlichen auch nicht trennen. Will ich auch nicht. Und ich glaube auch, dass sich da in zehn Jahren ziemlich viel verändern wird, weil die Stimmen von denen, die nicht gehört werden, einfach zu laut und zu verärgert sind.

Und ich finde, so sollte man es vielleicht erst einmal belassen. Ich möchte auch nicht einfallen und so viel verändern, sondern die neue Richtung langsam herausziehen. Ich werde sicher in Köln die Sektionen ein bisschen verändern und versuche auch mehr in die Industrie zu gehen, Produzenten reinzuholen. Aber ich würde eher sagen, das ist so ein Tanz mit der deutschen Gesellschaft. Ich muss gucken, welchen Schritt sie macht und dann mache ich meinen dazu.

Sophie Charlotte Rieger
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