FFHH 2024: Stray Bodies – Kurzkritik
In ihrem Dokumentarfilm Stray Bodies begleitet Regisseurin Elina Psykou Frauen in Europa, die um die Selbstbestimmung über ihren Körper kämpfen und diesen Kampf nur durch eine Reise von einem in ein anderes europäisches Land gewinnen können. Eine Malteserin reist für eine Abtreibung nach Sizilien, eine Italienerin für eine künstliche Befruchtung nach Griechenland und eine Griechin in die Schweiz, um Menschen beim Freitod zu begleiten. Und über all diesen Geschichten schwebt die große Frage, weshalb in einer Staatengemeinschaft unterschiedliche Gesetze über grundlegende Rechte wie körperliche Selbstbestimmung gelten, welche Rolle die Kirche dabei spielt und wie gerade beim Blick auf alle drei Themen des Films mit zweierlei bzw. dreierlei Maß gemessen wird.
Denn wie kann es sein, dass ein Land zwar den Schwangerschaftsabbruch erlaubt, es alleinstehenden Frauen aber verbietet, durch In-vitro-Fertilisation schwanger zu werden? Wie kann es sein, dass ein Land es erlaubt, Leben im Reagenzglas zu erschaffen, aber nicht, dass Menschen ihr Leben selbstbestimmt beenden? Sollte die Macht über den eigenen Körper nicht einfach ein Grundrecht für alle Menschen sein?!
Diese Fragen sind nicht neu, aber in der Nebeneinanderstellung und Verknüpfung mit der Frage nach den Grundsätzen und Kompetenzen der EU eröffnet Stray Bodies noch einmal neue Blickwinkel auf altbekannte Probleme. Besonders spannend ist hierbei das Thema des begleiteten Freitods, das in feministischen Diskursen um Abtreibung und künstliche Befruchtung selten eine Rolle spielt, sich hier aber ganz logisch in diese Diskussionen einfügt. Durch die Protagonist*innen bekommen die eher abstrakten Themen ein Gesicht und werden für das Publikum erlebbar. Dabei stellt Elina Psykou sicher, dass zu jeder Fragestellung zwei Seiten zu Wort kommen, also selbsternannte Lebensschützer*innen ebenso wie Kämpfer*innen für körperliche Autonomie. Darin, dass letztere deutlich mehr Screentime einnehmen, zeigt sich jedoch eine eindeutige Haltung der Filmemacherin zu ihren Themen.
Musikuntermalung und zuweilen ans Lyrische grenzende Voiceover-Texte emotionalisieren unnötig, denn die Geschichten der einzelnen Protagonist*innen sind für sich bereits berührend genug. Auch die wiederholte Gegenüberstellung von Körperrechten und Kirche wirkt unnötig polemisch: So einfach ist die Sache nicht und die vielen weiteren Pfeiler patriarchaler Strukturen bleiben somit unerwähnt. Dieses Vorgehen verleiht Stray Bodies über die spürbare politische Haltung der Regisseurin hinaus auch ein aktivistisches Ansinnen, das Zuschauer*innen in eine ganz bestimmte Richtung bewegen und überzeugen möchte. Daran ist erst einmal nichts auszusetzen, spricht sich der Film doch für Freiheit und Selbstbestimmung von Menschen aus. Lediglich eine subtilere Herangehensweise wäre hier vielleicht gar zielführender gewesen.
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