On the Rocks

Nach ihrem 2017 erschienenen US-Südstaaten Drama Die Verführten nimmt uns Sofia Coppola in ihrem neusten Film On the Rocks mit in das gegenwärtige, schnelllebige New York. Die Geschichte dreht sich um die Beziehungen der Schriftstellerin Laura (Rashida Jones) zu ihrem Mann Dean (Marlon Wayans) und zu ihrem Vater Felix (Bill Murray) – zwischen Loft, Kindergarten und Barbesuchen, Mansplaining und Generationenclash.

Laura und ihr Vater Felix in einer Bar.

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„Men are forced to fight, dominante and impregnate all females“ konstatiert Lauras Vater mit ausdrucksloser Miene (zu deutsch: “Männer sind dazu gezwungen zu kämpfen, zu dominieren und alle Weibchen zu schwängern”). Laura nimmt diese vermeintlich allgemeingültige Feststellung zwar nicht ernst, Felix’ Skepsis gegenüber den spätabendlichen Arbeitstreffen Deans lässt sie aber trotzdem nicht so schnell los. Und kaum hat sie ihrem Vater von einer kleinen Irritation im Eheleben erzählt, schon ruft dieser das Projekt aus, gemeinsam den Schwiegersohn auszuspionieren. Laura ist anfangs noch von Deans Treue überzeugt, schließlich sei er ja anders als ihr Vater, der während seiner Ehe zahlreiche heimliche Affären gepflegt hatte. Aber dann häufen sich doch die Indizien und sie lässt sich von Felix’ Investigationslust schneller mitreißen als gedacht. Alles nur übertriebene Paranoia oder ist Laura im Taumel des Familienalltags bisher einfach blind gegenüber all den Warnsignalen gewesen? Findet Dean sie nicht mehr begehrenswert und trifft er sich deshalb mit einer anderen?

„Unmöglich“ entgegnet Vater Felix diesem Zweifel, „eine Frau ist am schönsten zwischen 35 und 39.“ Laura nimmt die Weisheiten ihres Vaters gelassen, was die einzige Möglichkeit darstellt, diese Beziehung trotz Generationen-und Meinungs-Clash unbeschwert aufrecht zu erhalten: „Great, so I have many months left.“ Felix’ überzeugtes Mansplaining ist gegen ihre unterschwellige Kritik sowieso immun. Seine biologistischen Erklärungsversuche typischer Verhaltensweisen von Männern und Frauen sind so fernab jeglicher Ansätze der Gender und Queer Studies, dass eins gar nicht wüsste, wo mit dem Konter zuerst anzufangen wäre. Männer wie Felix sind aber leider auch in der Realität keine Rarität. Sofia Coppola führt diesen Charaktertypus des Mansplainer, Gentleman, Dandy und Womanizers, dem eins im Leben oft genug begegnet, komödiantisch-kritisch vor, Bill Murray gibt sich dabei gekonnt trocken.

Laura mit Mann Dean und Tochter.

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Im Laufe der Handlung rückt das Verhältnis zwischen Tochter und Vater in den Vordergrund, während die Szenen zwischen Laura und Dean vor allem als Auslöser für weitere Verdachtsmomente und Spionageaktionen dienen. Hinter Felix’ Antrieb steckt, so stellt sich heraus, auch das Verlangen, das Verhältnis zu seiner Tochter zu stärken. 

Laura erhält neben ihrer Rolle als gutmütig-aber-zynische Tochter, Ehefrau und Mutter manchmal einen bemitleidenswerten Status: Etwa wenn sie Dean nach seiner Meinung fragt, was den Zeitpunkt der Einschulung der gemeinsamen Tochter betrifft. Er überlässt ihr die Entscheidung, ohne sich weiter mit dem Problem auseinanderzusetzen, und Laura blickt lediglich resigniert anstatt dem etwas entgegenzubringen. Hier setzt Coppola leider keinen eindeutigen Bruch ein, der solch einen Moment als ungleich verteilte Sorgearbeit kritisch aufzeigen würde. 

Laura und die verschwimmenden Großstadtlichter

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Laura bewegt sich in einer von immer noch stereotypen Geschlechtervorstellungen durchwachsenen Welt, ohne dagegen anzukämpfen – ihr schnelllebiger, durchgeplanter Alltag erlaubt scheinbar keinen Spielraum, um das Ungleichgewicht zwischen Care-Arbeit und Lohnarbeit in ihrer Ehe aufzuheben. Damit steht sie beispielhaft und als Identifikationsfigur für viele Frauen, die sich in dieser verbreiteten Form der Familiendynamik wiederfinden, ohne sich aus eigener Kraft daraus lösen zu können. Coppolas Kommentar auf fehlende Gleichberechtigung in der Partner:innenschaft geschieht vor allem durch komödiantische Dialogteile, doch gesteht sie ihrer Protagonistin keine Möglichkeit zu,  das bestehende Verhältnis zu Ehemann und Kindern tatsächlich zu verändern. In dieser Hinsicht verschenkt Coppola emanzipatorisches Potenzial, das der betont leichten Atmosphäre des Films übrigens auch mehr Biss hätte verleihen können.

Coppola lässt ihre Hauptfigur von einem Ort zum nächsten eilen, vom Kindergarten zum Büro, vom Drink mit dem Vater zum Treffen mit der Mutter. Laura findet keine Ruhe in ihrem gehetzten Großstadtalltag. Mit diesem Erzähltempo unterscheidet sich On the Rocks von vorangegangen Filmen der Regisseurin wie Lost in Translation, Marie Antoinette, Somewhere, oder The Bling Ring, in denen das Leben der Hauptfiguren von Leere bei häufig gleichzeitiger Opulenz geprägt ist. Das zeigte sich in diesen Werken durch lange, ruhige Einstellungen und Szenen, in denen Atmosphäre oder Milieu im Vordergrund standen. In On the Rocks hingegen kreieren dialog-zentrierte Szenen, häufige Ortswechsel und schnelle Montagen, gemeinsam mit dem komödiantischen Spiel der Hauptdarsteller:innen, eine schnelllebigere Atmosphäre als Coppolas frühere Filme.

Sofia Coppola mit Rashida Jones und Bill Murray

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Im visuellen Stil des Films wird die Regie- und Drehbucharbeit Sofia Coppolas erkennbar: weiche, eher gedeckte Farben, im Hintergrund verschwimmende Großstadtlichter, ein sehr gewählter, eleganter Kleidungsstil der – in dieser Hinsicht bewegt sie sich auf vertrautem Terrain – wohlhabenden Figuren. Gut ausgestattet ist auch das Loft der jungen Familie, an dessen Eingangstür dezent ein “Bernie 2016” Sticker klebt, der entweder auf die anstehenden US-Präsidentenwahlen 2020 verweisen oder ein Bedauern angesichts des letzten Wahlausgangs markieren möchte. Eine Kernaussage des Films besteht jedenfalls eindeutig darin, sich nicht von kritikimmunen Mansplainern wie Felix – seien es Väter oder Präsidenten wie Trump – verunsichern zu lassen. In dieser Hinsicht sollte nicht nur Laura wachsam bleiben.

Kinostart: 02.10.2020
Apple TV+: 23.10.2020

 

Bianca Jasmina Rauch
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