FFMOP 2020: Passionsspiele

Der Dokumentarfilm Passionsspiele widmet sich dem Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Vom 13. bis 15. Februar 1945 unternahmen die Royal Air Force und die United States Army Air Forces Luftangriffe auf die Stadt. Bereits einen Tag später begannen die Nationalsozialist:innen – allen voran Josef Goebbels – mit ihrer Instrumentalisierung der Geschehnisse. Dresden wurde auch über das Ende des Zweiten Weltkriegs hinaus benutzt, um NS-Verbrechen zu relativieren und Deutsche Täter:innen zu Opfern umzudeuten.

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Regisseurin Luka Lara Steffen bildet in Passionsspiele die ganze Bandbreite des Gedenkens rund um den 13. Februar ab und zeigt Veranstaltungen der Kriegsgräberfürsorge mit Schulklassen, Gottesdienste, Gedenkorte, Lichterketten und Nazikundgebungen weitestgehend ohne Kommentierung oder Einordnung. Ohne Vorkenntnisse über die Kontroversen innerhalb der (Stadt-)Gesellschaft und ein Problembewusstsein für Geschichtsrevisionismus, bleiben die aneinandergereihten Aufnahmen zunächst wenig aussagekräftig. Lange Kameraeinstellungen und der Verzicht auf musikalische Untermalung passen zum Gedenken, wirken in der Betrachtung jedoch zäh.

Eine teilweise Einordnung erfolgt in Interviews mit Aktivist:innen und Historiker:innen des Bündnisses „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“, Memorare Pacem und anderen Initiativen. Dabei arbeitet Steffen jedoch keine neuen Erkenntnisse oder Sichtweisen heraus, sondern fasst lediglich den demokratischen Diskurs der letzten Jahre zusammen. Dieser stützt sich auf die Befunde der „Historikerkommission“. Nachdem die Teilnahmezahlen am rechten „Trauermarsch“ von 2001 bis 2004 von 750 auf 2.100 stiegen, setzte der damalige Dresdner Oberbürgermeister die Kommission ein, die der Mythenbildung durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung entgegenwirken sollte.

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Unklar bleibt zudem, welches Publikum Steffen ansprechen möchte. Der inhaltliche Zuschnitt ist insgesamt zu breit, sodass die Zuschauer:innen vor einem Wust aus Eindrücken stehen, für dessen Einordnung historisches und politisches Vorwissen notwendig wäre. Mit diesem Vorwissen jedoch ist der Erkenntnisgewinn der 76 minütigen Passionsspiele wiederum gering.

Der Erzählstruktur orientiert sich an keiner Chronologie und auch ein Spannungsaufbau bleibt aus. Während Steffen minutenlang einzelne Gedenkorte zeigt, streift Passionsspiele die jahrelangen Kämpfe von Antifaschist:innen und das Entstehen einer starken Zivilgesellschaft gegen einen der größten Naziaufmärsche Europas nur beiläufig. Die Bedeutung des 13. Februars vor dem Hintergrund eines gesellschafltichen Rechtsrucks vertieft Steffen nicht. Spannend wäre auch eine Vertiefung des Zeitzeuginnengesprächs gewesen, das den Rahmen des Dokumentarfilms bildet.

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Heute gibt es mit dem Bericht der Historikerkommission eine offizielle Verständigung über die Geschehnisse vom 13. bis 15. Februar 1945 und die Opferzahlen. Dennoch bleibt das Gedenken umstritten, was sich in einer fortlaufenden Politisierung des historischen Ereignisses äußert. Veranstaltungen von Neonazis, der sogenannten Alternative für Deutschland, der Stadt Dresden und einer aktiven Zivilgesellschaft konkurrieren rund um den 13. Februar miteinander. Steffen lässt dementsprechend viele Akteur:innen zu Wort kommen, zeigt unterschiedliche Versammlungen und Orte und verliert dabei den Fokus. Es wird nicht klar, welche Geschichte Passionsspiele erzählen will.

Dabei hätte die Auseinandersetzung um das Gedenken in Dresden viele Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung mit dem Erstarken einer neuen Rechten, den Schwierigkeiten deutscher Gedenkpolitik in Ost und West oder der Kriminalisierung antifaschistischer Proteste geboten. Diese Themen und Reibungspunkte bieten großes Spannungspotential, jedes einzelne davon böte Stoff für einen eigenen Dokumentarfilm. Passionsspiele schöpft dieses Potential leider nicht aus und bleibt in einer Aneinanderreihung von Interviews und Aufnahmen von Gedenkveranstaltungen und Mahnmalen zu sehr an der Oberfläche.

Lea Gronenberg
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