QFF 2024: Chuck Chuck Baby – Kurzkritik
In einer kleinen Stadt in Nordwales lebt die in sich gekehrte Helen (Louise Brealey) mit ihrem psychisch gewalttätigen Ex-Mann, seiner neuen Freundin, ihrem gemeinsamen Kind und der Ex-Schwiegermutter Gwen. Die Nächte verbringt Helen bei der routinierten Arbeit in der lokalen Hühnerfabrik „Chuck Chuck Baby“, zu Hause kümmert sie sich liebevoll um die kranke Gwen, die der familienlosen Helen im Jugendalter einst eine Unterkunft anbot. Als ihre von der Vergangenheit geplagte Jugendliebe Joanne (Annabel Scholey) nach 20 Jahren in der Stadt auftaucht, kehren auch Glücksgefühle wieder in Helens Leben zurück. ___STEADY_PAYWALL___
Janis Pughs Jukebox-Musical Chuck Chuck Baby erzählt von einer Liebesgeschichte geprägt von der rauen Umgebung eines ökonomisch unsicheren Kleinstadtlebens, Momenten des freundschaftlichen Zusammenseins und der Sprachlosigkeit im Unglücklichsein. Selbst hat Helen in ihrem Alltag schon lange nicht mehr die Stimme erhoben oder ihrer Meinung Gehör verschafft. Nur durch Songs, die sie laut im Auto mitsingt oder in der freien Natur vor sich her schmettert, kann sie ausdrücken, was tief in ihr schlummert und brodelt. In ihnen findet sie genau die Worte, die ihr sonst so oft fehlen.
Um Wünsche und Emotionen zu beschreiben, springen ihr die Songtexte anderer zur Seite. Denn das, was sie selbst nicht sagen kann, haben Minnie Riperton, Neil Diamond oder die Band Renaissance schon lange raus in die Welt gesungen. Durch dieses Einbinden von Songs, gepaart mit Szenen mit absichtlich nicht perfekt durchchoreografierten Tanzeinlagen, bricht Pugh durch fantastische Momente mit der Schwermütigkeit der Geschichte.
So gibt Chuck Chuck Baby dem Working-Class-Genre des britischen Kinos einen neuen Twist. Tatsächlich lässt sich Pugh absichtlich nicht auf eine Wiederholung der alles bestimmenden Melancholie vieler Vorgängerfilme über Menschen der britischen Arbeiter*innenklasse in Sinn-, Lebens- oder Liebeskrisen ein. Vielmehr begegnet der Film der Tristesse von Reihenhäuser-Wohnsiedlungen, den unaufgeregten Wiederholungen der zum Maximum geregelten Abläufe im Alltag und gewaltvollen zwischenmenschlichen Worten mit intensiven wie auch witzigen musikalischen Momenten und einem Kostüm- und Bühnenbild, das vor hellen Farben nur so strotzt.
Irgendwo zwischen kitschig-märchenhaft und melancholisch-undynamisch bewegt sich Chuck Chuck Baby. Als Film über eine queere Working-Class-Liebesgeschichte punktet er, neben dem Zusammenspiel seines nahezu komplett mit FLINTA besetzten Ensembles, mit Einfallsreichtum und visueller Aufgeregt- wie Verspieltheit.
Chuck Chuck Baby läuft bis zum 11. September bei queerfilmfestival in 11 verschiedenen Städten.
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