Interview mit Henrika Kull zu GLÜCK/BLISS
Ursprünglich erschienen am 27. Juli auf Berliner Filmfestivals.
In ihrem zweiten Spielfilm Glück/Bliss erzählt die deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin Henrika Kull von der Liebe zweier Frauen: Sascha, die schon länger im Berliner Bordell Queens arbeitet und die etwas jüngere Maria, die gerade neu angefangen hat. Zwischen Freiern, den eigenen vier Wänden und einem Wochenende in Brandenburg kommen sich die beiden Frauen näher. Bianca Jasmina Rauch sprach mit Henrika Kull über die Entstehung des Films, die Dreharbeiten im Bordell, über gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeit und den Kern von Glück.
Besonders spannend fand ich, dass die Atmosphäre im Bordell anders war, als ich es erwartet hatte. Bevor ich zum ersten Mal in ein Bordell kam, habe ich gedacht, dass es sozusagen ein gefährlicher Ort sei – weil viele Filme und Geschichten das suggerieren. Es war aber ganz anders und ich habe mich sofort total wohlgefühlt. Es hat sich nach einem Ort mit ganz eigenen Regeln angefühlt.
Es war super prägnant wie die Frauen einander angefasst und unterstützt haben, wie solidarisch sie waren, aber auch wie stark und voller Würde. Egal, welche Preisklasse der Ort hat – diese Atmosphäre zwischen den Frauen ist überall da. Meine erste Bordell-Erfahrung habe ich in einem eher schäbigen Flat-Rate Bordell in Schöneberg gemacht – das Queens im Film ist eher ein Edelbordell. In den meisten Filmen lernen wir Bordelle aber als schmuddelige Bars kennen.
Ja. Nicht, dass es in Realität keine Konkurrenz gibt, aber wir bekommen das unverhältnismäßig oft zu sehen. Meinen ersten Kurzfilm Flatrate habe ich in eben diesem Schöneberger Bordell gedreht, das war eine 16-mm Übung und mein erstes Drehbuch. Darin habe ich nicht geschafft, alles zu erzählen, was ich wollte. Danach hat mich der Ort aber nicht mehr losgelassen und ich wollte wieder zurück, um mehr erzählen zu können – ungefähr acht Jahre später war Glück fertig.
Ich habe zunächst den Kontakt zum King George Bordell gehalten, bin dort regelmäßig hin. Dann habe ich auch immer wieder andere Orte aufgesucht, dort geklingelt, mit der Hausdame gesprochen, mit dem Chef und so weiter.
Genau. Dort, wo wir gedreht haben, hab ich der Hausdame eine Zeit lang einmal die Woche assistiert – Wäsche machen, Tür aufmachen, Kaffee kochen, solche Dinge. Woanders habe ich an der Bar gearbeitet. So hab ich die Frauen und Atmosphären kennengelernt und selbst zur Geschichte gefunden. Auch habe ich Liebesbeziehungen zwischen den Frauen mitbekommen.
Sexarbeit ist natürlich ein kontroverses Thema. Mir war sehr wichtig, dass die Hauptakteurinnen die beiden Frauen sind und noch wichtiger, die Geschichte aus ihrer, der weiblichen Perspektive zu erzählen.
Und ja, mir war klar, dass das Setting an sich Reaktionen hervorruft, gleichzeitig ist mir auch wichtig zu betonen, dass die weibliche Figur – Sascha – im Zentrum steht, also dass Glück unabhängig vom Arbeitsplatz Bordell eine Charakterstudie ist – auch wenn sich die Figur Sascha im fertigen Film im Endeffekt von der Figur Sascha im Drehbuch unterscheidet. Und der eigentliche Kern des Films Glück ist ja die Liebesbeziehung.
Für die Recherche waren nur die Kamerafrau Carolina Steinbrecher und ich aktiv. Dann haben wir nach und nach die Darstellerinnen dazu geholt, damit sie im Vorfeld den Ort und die Menschen kennenlernen, auch um sich dort freier bewegen zu können. Dann kam der Rest des Teams dazu.
Ich hab festgestellt, dass weniger der Beruf das Problem ist, als die gesellschaftliche Stigmatisierung. Deshalb ist es für viele Frauen notwendig, ein Doppelleben zu führen, deshalb müssen sie lügen und deshalb entstehen Kreisläufe von Problemen. Gleichzeitig gibt es Umstände wie in jedem Job im Kapitalismus, den man zum Lohnerwerb machen muss – man ist mal gut drauf, mal schlecht, es gibt gute und schlechte Tage.
Ich war ein bisschen traurig, weil die Online-Version sich schon sehr virtuell angefühlt hat und bei der Premiere zur Publikumsausgabe konnte ich leider nicht dabei sein, weil ich gerade für mein neues Projekt auf Recherche im Ausland war. Aber ich denke, für alle anderen war die Publikumsberlinale ein ganz tolles Erlebnis und richtig wichtig, dass sie stattgefunden hat.
Bei mir ist das immer so: Ich interessiere mich zuerst für einen Ort, eine Stimmung und dann gehe ich immer tiefer hinein, verbringe viel Zeit mit Leuten, so finde ich meine Geschichten. Dieses Mal arbeite ich auch an einer Liebesgeschichte – eine dystopische, die in einer megalomanen utopistischen Busstation in Tel Aviv spielen soll. Ich bin froh, dass es wieder einen Ort gibt, der mich so fasziniert. Mich ziehen meistens Orte an und dann verliebe ich mich dort in die Menschen, Gesichter und Körper.
Barbara habe ich für Licht assistiert, das war ganz toll weil das kurz vor meinem Jibril-Dreh war und ich da nochmal ganz viel gelernt hab. Sie war meine Dozentin und ist ein großes Vorbild. Nordrand ist ja der Film, den wir alle lieben –
Und Angelina war meine Mentorin an der Filmuni in Potsdam und sehr wichtig für mich, weil sie immer an mich geglaubt hat. Wichtig für mich war auch Isabelle Stever, die ich noch von der dffb kenne. Auch eine ganz tolle Regisseurin. Das sind Frauen, die großartige Vorbilder sind und eigenwillige und ganz besondere Filme machen.
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