Interview: Lola Randl über Bienen und Blumen und Utopien

© Philipp Pfeiffer

Stadtflüchtende Kreativ-Hipster beim Permakultur-Gartenbau in der brandenburgischen Einsamkeit. Oder anders gesagt: Der postkapitalistische Projektmensch auf neuen Wegen der Selbstverwirklichung. So ließe sich Lola Randls Dokumentarfilm Von Bienen und Blumen mit einer Priese Ironie zusammenfassen. Und Ironie gibt es in diesem Film jede Menge. So stellt sich zwangsläufig die Frage: Was ist denn nun eigentlich dran an dieser Geschichte, in der die Filmemacherin selbst vor die Kamera tritt und von ihrem Permakultur-Projekt ebenso offen berichtet wie von der Öffnung ihrer Paarbeziehung? Skript oder alles wahr? Beim Filmfest München hatte ich die große Freude, Lola Randl diese Fragen stellen zu können und mit ihr über Bienen, Blumen und (filmische) Utopien zu sprechen.

Filmlöwin: Du hast vorher die Doku-Serie Landschwärmer für Einsfestival gemacht. Ich nehme an, die Parallelen zu Von Bienen und Blumen sind kein Zufall?!

Lola Randl: Nein, das ist kein Zufall. Das ist im Grunde alles entstanden, als ich nach dem vorletzten Film, Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer, wirklich „ausgebrannt und leer“ war. Und da ich dann auch zwei Kinder bekommen habe und das Drehen ein so familienunfreundliches Arbeiten ist, habe ich einfach angefangen in meinem Wohnzimmer Filme zu machen. Deswegen gibt es natürlich auch eine Ähnlichkeit: Beide Projekte haben quasi in meinem Wohnzimmer angefangen.

„es war ein bisschen so wie bei Fellini“

Magst Du verraten, wie viel in Von Bienen und Blumen geskriptet ist?

Lola: Also da ist kaum etwas geskriptet. Die Frage, warum sich die Sachen so ergeben haben und wie sie jetzt noch weiter gehen werden, ist schwer zu beantworten. Aber es handelt sich nicht um das Vorspielen falscher Tatsachen.

© Filmfest München 2018

Aber wie bist Du zum Beispiel zu den Leuten gekommen, die im Film auftreten?

Ich habe sie gesucht und gefunden. Einige gab es auch schon, zum Beispiel den Permakulturhof von Johanna. Sie ist ungefähr zur gleichen Zeit ins Dorf gezogen, also vor zehn Jahren. Und dann war es ein bisschen so wie bei Fellini, wo man einfach ein Castingbüro aufmacht und fragt: Wer hat was, wer kann was? Und die Leute finden sich dann irgendwie über diesen längeren Zeitraum ein. Es haben ja noch viel mehr Menschen mitgemacht, als jetzt im Film zu sehen sind.

„um die Zweierbeziehung steht es ja jetzt nicht so gut“

War es von Anfang an klar, dass Du mit vor die Kamera gehst?

Nein, aber es hat mich dahin gezogen. Und zwar nicht, weil ich mich so wohl vor der Kamera fühle, sondern einfach weil die Geschichte mich dahin gezogen hat. Es geht ja doch von uns aus: Wir sind dieses zugezogene Paar mit den Wunschvorstellungen. Und weil es auch um Kleinfamilie geht und andere Formen des Zusammenlebens und wir den Film ja von zu Hause aus machen wollten, mussten wir dann auch die Familie in dieser Geschichte sein.

Und diese Geschichte ist ja schon sehr persönlich, finde ich.

Ja. Ehrlich gesagt wird mir das im ganzen Ausmaß erst jetzt richtig klar.

Als die Polyamorie-Geschichte im Film aufkam, habe ich mich gefragt, ob es Dir darum vielleicht sogar mehr geht als um das landwirtschaftliche Projekt.

Das sind beides Projekte, die ich sehr interessant finde. Dabei würde ich nicht sagen, dass ich polyamorös bin. Ich habe nur einen Liebhaber und der ist nicht heimlich, wie sonst.. Überhaupt möchte ich bezweifeln, dass die Kleinfamilie das stabilste und beste Gebilde für unsere jetzige Zeit ist. Ich möchte sogar bezweifeln, dass der Mensch von Natur aus monogam ist. Aber es hat sich anscheinend aus verschiedenen Gründen in den letzten Jahrtausenden so durchgesetzt. Und jetzt stellt sich die Frage, ob es noch andere Formen des Zusammenlebens gibt. Denn um die Zweierbeziehung steht es ja jetzt nicht so gut, muss man sagen, zumindest nicht um die dauerhafte.

„ich betrachte die postkapitalistische Seele durchaus mit Ironie“

Und was interessiert Dich an dem anderen Schwerpunkt Deines Films, dem landwirtschaftlichen Gemeinschaftsprojekt und dem „Projektmenschen“?

Mich interessiert die Sehnsucht des von der Natur entfernten Menschen. Das ist ja gar nicht wirklich das „postkapitalistische Individuum“, weil wir noch gar nicht im Postkapitalismus sind. Es ist nur der Wunsch nach postkapitalistischen Lebensformen. Am Anfang ist es erst mal total abstrus, wenn man versucht, sein eigenes Gemüse zu ziehen und sich selbst zu ernähren. Aber ich betrachte die postkapitalistische Seele durchaus mit Ironie, denn auf der einen Seite hat man diese starke Sehnsucht nach Utopie und handelt aber durch und durch widersprüchlich, will dieses und jenes und bedient sich wo man will.

© Filmfest München 2018

Sind die Texte, die im Voice Over über den „Projektmenschen“ vorgetragen werden von Dir?

Die haben wir zusammen geschrieben.

Im Nachhinein?

Genau. Die Idee der soziologischen Ebene war schon vorher da, aber wir hatten die Texte noch nicht. Die haben wir dann nachher auf die Bilder zugeschnitten geschrieben.

Gibt es diesen Text separat als soziologische Studie über den Projektmenschen? Oder bleibt der nur im Film?

Der bleibt nur im Film. Aber dafür habe ich jetzt ein Buch geschrieben, Der Große Garten, das auch mit Soziologie, der Natur und dem Garten zu tun hat, aber was doch noch mal ganz anders ist als der Film.

„ich habe mich durchaus schon gefragt, ob man eigentlich auch gute Soaps machen kann“

Ich finde, in Deinem Film gibt es sogar drei Utopien: Die der solidarischen Landwirtschaft, die der Polyamorie und die des Films, der aus sich selbst entsteht. Gibt es für Dich so etwas wie eine utopische Idee vom Filmemachen?

Das Filmemachen wie bei den Landschwärmern finde ich schon ziemlich optimal. Ohne großes Team, man kann den Dingen ihr Eigenleben erlauben und dem nachgehen. Man leitet und lässt sich leiten, im Wechselspiel. Von Bienen und Blumen ist schon ähnlich gedreht, allerdings, weil der Film fürs Kino produziert ist, mit einer großen und schweren Kamera mit einem großen Mikrofon drauf. Das schafft natürlich gleich eine gewisse Barriere, die man dann erst mal wieder wegkriegen muss. Ich glaube, dass es in der Zukunft Formen des Filmemachens geben wird, in denen die Dinge auch echt passieren und sich das Dokumentarische und Fiktionale gegenseitig aufheben. Es gibt gerade Leute, die bei uns ein Life Action Role Play veranstalten wollen. Und zwar nicht mit Rittern und solchen Dingen, sondern die spielen etwas, was ihnen viel näher ist. Also eine echte Fragestellung. Ich glaube, das sowas auch ins Medium Film rüberschwappen wird.

© Filmfest München 2018

Neben der Utopie ist auch die Soap Opera ein Motiv in Deinem Film. Erst einmal ist Von Bienen und Blumen ja selbst eine Beziehungsgeschichte, mit ein bisschen Hin und Her und Drama. Und dann gibt es eine Protagonistin, die ständig von Rote Rosen erzählt.

Bei der Seifenoper geht es im Grunde nur darum, die Zuschauer über eine lange Zeitspanne bei der Stange zu halten, denn die Geschichten wiederholen sich ja ewig. Eine Soap ist als eine Endlosproduktion angelegt. Uns geht es mit Von Bienen und Blumen aber um etwas Konkretes. Wir holen zwar dieses Element der Seifenopern-Beziehungsgeschichte hinein, aber wir beschäftigen uns mit einer konkreten Frage.

Aber ich habe mich durchaus schon gefragt, ob man eigentlich auch gute Soaps machen kann. Ich frage mich nämlich gleichzeitig auch, was man erfinden kann, um möglichst vielen Leuten auf dem Dorf eine beständige Arbeit zu geben – nicht wie bei einem Film, der dann eben auch wieder vorbei ist. Das könnte man doch mit einer guten Soap machen und mit in die Utopie einfließen lassen.

Auf die Soap bin ich schon sehr gespannt!

Kinostart: März 2019

Sophie Charlotte Rieger
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