Rosa Luxemburg
Ein Text von Gast-Löwin Lea Gronenberg
Am 15. Januar 1919 werden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Freikorpssoldaten in Berlin verhaftet, verhört und schließlich ermordet. Rosa Luxemburgs Leiche wird in den Landwehrkanal geworfen. Mit dieser Szene endet der biografische Film Rosa Luxemburg von Margarethe von Trotta.
Rosa Luxemburg ist bekannt als herausragende Denkerin und Aktivistin der sozialistischen Bewegung Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Margarethe von Trotta zeigt sie in dieser Rolle bei eindrucksvollen Reden auf Parteiversammlungen, sowie in hitzigen Debatten mit ihren Genoss_innen. Wiederkehrend ist dabei der Streit mit August Bebel um die Ausrichtung der Sozialdemokratischen Partei. Barbara Sukowa vermittelt in diesen Szenen ein authentisches Gefühl für eine überzeugte und überzeugende Rednerin. Für ihre Darstellung von Rosa Luxemburg wurde sie 1986 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet und erhielt die Goldene Palme in Cannes.
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Der Film zeigt, wie gekonnt Margarethe von Trotta komplexe Frauen*figuren inszeniert. Sie erzählt das Leben der Revolutionärin und Frau* Rosa Luxemburg vor dem politischen Hintergrund der „Wilhelminischen Ära“ im deutschen Kaiserreich, der russischen Revolution, sowie der sozialistischen Bewegung in Europa und lässt dabei dokumentarische Aufnahmen in den Spielfilm einfließen. Im Fokus steht die erwachsene Rosa Luxemburg, die Handlung verdichtet sich in den Jahren nach der Jahrhundertwende. Insgesamt ist der Film nicht chronologisch aufgebaut, sondern springt zwischen verschiedenen Lebensereignissen: ein Gefängnisaufenthalt 1906 in Warschau, eine Silvesterfeier zur Jahrhundertwende, diverse Parteitagsreden, Szenen in polnischer Sprache aus der Kindheit, ein Urlaub am Comer See, weitere Gefängnisaufenthalte, die Arbeit in der Redaktion der Roten Fahne (eine von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründete Zeitung des Spartakusbundes und später der Kommunistischen Partei Deutschlands). Die historische und politische Einordnung der Szenen bleibt der Zuschauerin überlassen, was ohne das entsprechende Hintergrundwissen nicht ganz einfach ist.
Rosa Luxemburg ist also kein leichter Unterhaltungsfilm, verfolgt aber auch keinen Bildungsauftrag. Vielmehr vermittelt er ein Gefühl dafür, was die Revolutionärin antrieb und was sie als Frau* bewegte, und schafft darüber Identifikationsmomente für Aktivist*innen. Margarethe von Trotta ermöglicht einen persönlichen Zugang zu Rosa Luxemburg, ohne in ein kitschiges Historiendrama abzurutschen. Als Grundlage dafür dienen die Briefe an Freund_innen und Genoss_innen, die einen Einblick in das Innenleben der Protagonistin geben. Der Film zeigt die vertrauten und albernen Momente in den Freundinnenschaften zu Luise Kautsky und Clara Zetkin, mit denen sie ebenso politisch wie persönlich verbunden ist. Die Frauen* tauschen sich aus und unterstützen sich solidarisch und schlagfertig – auch gegenüber den Männern* in der Partei.
Der endgültige Bruch Luxemburgs mit der Sozialdemokratischen Partei vollzieht sich an der Frage nach dem Eintritt in den Ersten Weltkrieg. Der Film zeigt hierbei nicht nur ihr kompromissloses Engagement, das sie einmal mehr ins Gefängnis bringt, sondern auch ihre tiefe persönliche Verzweiflung über das Sterben und das Leid des Krieges. Über das Bild einer weinenden Rosa Luxemburg auf der Pritsche ihrer Gefängniszelle legen sich Originalaufnahmen des Ersten Weltkriegs.
Rosa Luxemburg war nicht nur Antimilitaristin, sondern vor allem eine Kämpferin für Freiheit und Gerechtigkeit. Es ist deshalb schade, dass ihre eigene Unfreiheit zwischen Gefängnismauern zwar direkt in der Eingangsszene thematisiert und die Repression somit dramaturgisch vorangestellt, ansonsten aber wenig ernst genommen wird. Auf den ersten Blick wirkt die Gefängniszelle, die mit einer Vielzahl an Büchern und Pflanzen ausgestattet ist, wie ein Arbeitszimmer. In einer anderen Szene im Hotel Eden scherzt Rosa Luxemburg kurz vor ihrer Ermordung mit einem jungen Soldaten. Tatsächlich wurde sie dort brutal gefoltert und verhört.
Das Private ist politisch! Rosa Luxemburg war eine der wenigen politisch aktiven Frauen* ihrer Zeit. Selbst in den fortschrittlicheren Kreisen der sozialistischen Bewegung stießen sie und andere auf massive Vorbehalte. In der Auseinandersetzung mit den Männern* im Parteivorstand geht es auch im Film immer wieder um den starken Wunsch nach Unabhängigkeit und zugleich darum, als Frau* ernstgenommen zu werden, und nicht allein auf „Frauen*themen“ beschränkt zu werden.
Auch in der romantischen Beziehung zu Leo Jogiches äußert Rosa Luxemburg mehrfach das Bedürfnis nach einem Zusammenzuleben wie „Mann und Frau“, wirft aber die Frage nach der Vereinbarkeit von Revolution und Familie auf. Zum Schluss bleibt sie die „Mutter revolutionärer Ideen“.
Wer kein geschichtliches Hintergrundwissen oder ein Nachschlagewerk zur Hand hat, wird nicht jede Person, die beim Maskenball der Sozialdemokratie zur Jahrhundertwende vorbeirauscht, allein anhand ihres Vornamens zuordnen können. Auch die zeitlichen Sprünge erfordern eine gewisse Aufmerksamkeit. Rosa Luxemburg von Margarethe von Trotta erhebt nicht den Anspruch einer lückenlosen Erzählung des Lebens und Wirkens Rosa Luxemburgs. Was bleibt ist ein Gefühl für ihre Strahlkraft, die ebenso wie die Idee von Freiheit und Gerechtigkeit auch 100 Jahre nach ihrem Tod anhält.
Über die Gastlöwin
Lea Gronenberg ist Politikwissenschaftlerin und Nerd. Filme und Serien sind für sie ein Ort der Zuflucht und zugleich ein Ort für Gesellschaftsanalyse und -kritik. Wie politisch ist Dirty Dancing? Wie kapitalismuskritisch ist Buffy? Wird Star Wars jetzt feministisch? Diese und viele andere Fragen diskutiert sie in politischen Seminaren, in der Kneipe und manchmal auch im Internet.
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