Doxumentale’25: UNDERCOVER: EXPOSING THE FAR RIGHT – Interview mit Havana Marking
Über Monate infiltrierte HOPE not hate die extreme Rechte, um ihre Strukturen und Strategien offenzulegen. Mit einer Kamera im Knopfloch taucht Journalist Harry Shukman in rechte Netzwerke ein, die sich von Großbritannien über Polen und Deutschland bis ins Silicon Valley erstrecken. Filmemacherin Havana Marking begleitete die Recherche. Mit der Spannung eines Spionage-Thrillers und journalistischer Genauigkeit bündelt ihr Film Undercover: Exposing the Far Right die Erkenntnisse von HOPE not hate.

Havana Marking
Im Interview mit FILMLÖWIN spricht Havana Marking darüber, wie sie journalistische Sorgfalt und antifaschistische Haltung verbindet und warum es an der Zeit ist, für Demokratie und eine offene Gesellschaft einzutreten.
Lea: Was hat dich dazu bewegt, einen Film mit HOPE not hate zu machen?
Havana Marking: Ich mache Filme über die Geschichten hinter den Überschriften. Mich interessieren die Geschichten der Menschen. Welche Auswirkungen haben diese großen Zeitungsüberschriften tatsächlich für sie? Sehr oft bedeutete das für mich, zu reisen: nach Afghanistan, auf den Balkan oder nach Asien. Es schien, als würden dort all die großen geopolitischen Dinge passieren. Und dann plötzlich – vor 5 Jahren – hatte ich die Erkenntnis, dass wir hier im Westen gerade jetzt an erster Front die Demokratie verteidigen. Es gibt eine schreckliche Bedrohung für die Demokratie und den westlichen Liberalismus. Darüber wollte ich sprechen.
Ich sehe da eine journalistische, aber auch eine aktivistische Motivation. Wie würdest du selbst deine Rolle als Filmemacherin beschreiben?
Grundsätzlich bin ich Journalistin, ich habe eine journalistische Ausbildung und arbeite mit journalistischer Sorgfalt. Mein Film muss absolut wasserdicht sein. Ich brauche Fakten und Beweise für jede Behauptung, die ich aufstelle. Das ist ganz klar journalistische Arbeit. Aber ich stehe auch ganz offen zu der Tatsache, dass ich Antifaschistin bin. Ich verfolge eine Geschichte über Antifaschist*innen. Ich glaube an ihre Mission und daran, dass HOPE not Hate einen unglaublich wichtigen Beitrag zu unserer Gesellschaft leistet.
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen dir und HOPE not hate zustande gekommen?
Zuerst habe ich mit Nick [Lowles], dem Gründer und Geschäftsführer, über historische Ereignisse gesprochen. Es gab hier in UK 2001 große Unruhen und ich fand spannend, wie es damals dazu gekommen ist. Aber immer wenn ich mit Nick gesprochen habe, passierte gerade irgendetwas Furchtbares. Es gab einen Zwischenfall, er wurde verfolgt, Tommy Robinson hatte irgendetwas gemacht… Da habe ich entschieden: Das ist die Geschichte. Wir begleiten Nick und erzählen die Geschichte von HOPE not hate. Etwa sechs Monate nach Drehbeginn flüsterte er mir zu: „Wir haben diese geheime Mission. Willst du die auch filmen?“ Natürlich bin ich darauf angesprungen.

© Hopeful Productions
Du warst dann mittendrin in dieser geheimen Mission. Wie hast du daraus die Erzählung und den Stil für deinen Film Undercover: Exposing the Far Right entwickelt?
Die besten Dokumentationen entwickeln sich meiner Meinung nach aus dem Material. Ich hatte Glück, dass die beiden Hauptfiguren Patrick und Harry so tolle und so unterschiedliche Charaktere waren. Diese Beziehung zwischen dem Agenten und dem Spion sieht man, glaube ich, nicht sehr oft, weder in Spielfilmen noch in Dokumentarfilmen. Weil wir eine echte Spionagemission hatten, konnten wir uns in dieses Genre begeben, mit der Musik, der Dynamik. Ich habe viele Spionagefilme geschaut, um das einzufangen.
Welche Auswirkungen hatte die Heimlichkeit auf die Filmarbeiten?
Wir konnten nicht auf der Straße filmen, weil wir Harry nicht enttarnen wollten. Die Kamera ist also die ganze Zeit niedrig. Wir sind in Taxis. Wir sind in Hauseingängen. Wir sind in Hotelzimmern im Dunkeln. Das haben wir möglicherweise auch ein bisschen ausgereizt. Wenn wir im Dunkeln agieren, dann lasst es uns richtig dunkel machen und das Licht ausschalten. Außerdem haben wir mit einem kleinen Team und wenig Budget gearbeitet und konnten die Szenen nicht wie sonst üblich ausleuchten. Solche Stilmittel haben sich ganz natürlich aus der Situation ergeben.
Eine Herausforderung bei Filmen über die extreme Rechte liegt darin, ihre Haltung und Ansichten offenzulegen, ohne sie dabei selbst zu reproduzieren. Wie bist du damit umgegangen?
Das ist wirklich ein Dilemma. Mit HOPE not hate hatten wir Expert*innen auf diesem Gebiet. Sie versuchen immer das Warum zu verstehen. Sie sagen nicht einfach „Ihr seid dumm und rassistisch“, sondern fragen, was gesellschaftlich schief läuft, dass Menschen nach Alternativen suchen. Man sieht rechte Demonstrationen, bei denen Leute auf der Bühne stehen und den Leuten diesen Unsinn, diese Lügen erzählen. Aber man sieht auch, wie die Leute manipuliert werden und es glauben. Zu erklären, wie diese Lügen verfangen und wie das funktioniert, das ist die journalistische Aufgabe.

© Hopeful Productions
Undercover: Exposing the Far Right erklärt Strategien und Ideologien der Neuen Rechten, greift aber auch die historischen Bezüge auf.
Eine Sache, die ich herausstellen wollte, ist die Konstante. Man erkennt, dass die Ideen, die diese Leute vertreten, nicht neu sind. Es handelt sich um die Eugenik der 1930er Jahre, die für eine neue Generation neu verpackt wurde. Teile des Geldes stammen aus dem Pioneer Fund, der in den 1930ern eingerichtet wurde und Nazi-Eugenik gefördert hat. Diese Ideologie war damals falsch, sie war in den 1980ern falsch und sie ist es heute immer noch. Aber sie ist nicht verschwunden und wir müssen wirklich aufpassen. Wir müssen uns davor schützen und dabei hilft diese historische Perspektive.
Gab es während der Recherchen einen bestimmten Moment, in dem du das Gefühl hattest, ihr seid etwas Großem auf der Spur?
Das war sicherlich, als wir der Finanzierung durch einen Tech-Multimillionär auf die Spur gekommen sind. Da geht es um weltweite Vernetzungen und diese große Macht von Superreichen. Das war übrigens auch der Moment, in dem wir wussten, dass wir mehr Budget für unsere juristische Absicherung brauchten. Aber wir waren erfolgreich. Er hat die Finanzierung für diesen Fond eingestellt.
Gibt es weitere Effekte, die du dir wünschen würdest?
Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass die Leute aus der extremen Rechten unseren Film sehen und sagen werden: Oh, ich habe mich geirrt, ich habe Unrecht mit meiner Meinung. Ich glaube aber, dass es eine große Anzahl von Menschen in der Mitte gibt, die sich beeinflussen lassen, die keine Rassist*innen sind, aber anfangen, mit den Ideen der extremen Rechten zu sympathisieren. Ich hoffe, dass unser Film in dieser Diskursverschiebung eine Grenze ziehen kann. Und ich hoffe, er inspiriert Menschen, aktiv zu werden.
Undercover: Exposing the Far Right läuft aktuell im Programm der doxumentale’25.
- Doxumentale’25: UNDERCOVER: EXPOSING THE FAR RIGHT – Interview mit Havana Marking - 18. Juni 2025
- Doxumentale’25: Abortion Dream Team – Kurzkritik - 13. Juni 2025
- Mond – Kurdwin Ayub im Interview - 23. März 2025
Ihr liebsten Löwinnen, Ihr habt leider den falschen Trailer verlinkt zu diesem tollen Interview. Hier wäre der richtige: https://www.youtube.com/watch?v=VaiEx808zHY
Danke für den Hinweis! Wir haben den Doxumentale-Trailer ergänzt.