Drei Gedanken zu Mütter – Am Rande des Nervenzusammenbruchs

Wenn ein Regisseur, in diesem Fall Vojtech Moravec, eine beschwingte Komödie über Mütter inszeniert, dann hilft es offenbar nur wenig, dass das Drehbuch von zwei Frauen stammt (Sandra Nováková und Vanda Zaplatílková). Das Ding geht trotzdem mit Anlauf ebenso spektakulär in die Hose wie eine Ladung Milchschiss nach zwei Wochen Kacka-Abstinenz.

Es ließe sich durchaus argumentieren, diesem verstörenden Werk einen Text zu widmen, sei vergebene Liebesmüh. Andererseits lässt sich an Mütter – Am Rande des Nervenzusammenbruchs wundervoll herausarbeiten, woran die Darstellung von Gebärenden und weiblichen Sorgetragenden im Kino krankt. Und deshalb Feuer frei für Drei Gedanken.

Vorab ein paar kleine Infos zum Film, den zu sehen ich wahrlich nicht empfehle. Daher erscheint es mir umso wichtiger, hier zum weiteren Verständnis des Texts zumindest die Handlung kurz zu skizzieren: Influencerin Sarah bekommt ihr erstes Kind und verzweifelt am baufälligen Haus, das ihr Partner Jiri für die junge Familie erstanden hat. Währenddessen erwägt Hedwig in ihrem Luxusheim eine Affäre, da ihr Gatte vor lauter Arbeit kaum mehr zu Hause ist. Elisabeth, gerade schwanger geworden, kämpft mit der Abgrenzung von ihrer eigenen übergriffigen Mutter. Und die alleinerziehende Susanne landet beim Versuch, von ihrem Ex Unterhalt einzutreiben, mit eben diesem Taugenichts wieder im Bett.

Und ja, das ist genauso stereotyp erzählt wie es klingt.

Sarah im Krankenhausnachthemd. Auf ihrem Arm ihr Baby. Sie macht ein Selfie mit einem Selfie-Stick.

© Meteor Film

1. Insta-Shaming ist frauenfeindlich

Die Voice-Over-Erzählerin dieses illustren pseudo-komödiantischen Reigens ist Hauptfigur Sarah, die sich normaler Weise dem Storytelling via Instagram widmet. Natürlich darf bei der publikumswirksamen Inszenierung ihrer Person auch die Geburt selbst nicht fehlen, die Jiri als Kameramann live ins Internet überträgt. Damit spielt Mütter freilich auf die große Anzahl von Momfluencerinnen an, also Mütter, die sich mit der Abbildung ihrer Kinder und Themen von Mutterschaft und Erziehung in Sozialen Medien einen Namen machen und zuweilen auch stattliche Einkommen erzielen. Aber was ist eigentlich falsch daran?

Während sich durchaus darüber streiten ließe, ob Babys und Kleinkinder ohne ihr Einverständnis bei Instagram ausgestellt werden sollten, beschränkt sich der weder besonders clevere noch lustige Humor von Mütter darauf, Sarah für ihre Instagram-Aktivitäten ins Lächerliche zu ziehen. Erst im letzten Drittel des Films darf sie sich endlich gegenüber Jiri und dem Publikum als arbeitende Mutter behaupten, wenn sie die Beschäftigung mit dem Handy korrekterweise als Job betitelt. Doch der Film mag der professionellen Influencerin in dieser Hinsicht nicht so recht den Rücken decken und fährt fort, ihre Selfies und Videotagebücher konsequent als lächerlichen Freizeitvertreib zu inszenieren.

Schade, dann Instagram hat auch jenseits des Themas Mutterschaft großes Emanzipationspotential. Die Plattform ermöglicht das Erzählen der eigenen Geschichte und die Inszenierung des (weiblichen) Körpers unter eigener Autor:innenschaft und damit einen ausnahmsweise mal nicht cis-männlichen Blick auf jedwedes Thema. Freilich verlieren sich viele Instagrammer:innen auch in der Re-Inszenierung patriarchaler und sexistischer Motive und Narrative, doch wer kann es ihnen verübeln, steckt doch hierin meist die (einzige) Möglichkeit, mit dieser zeitintensiven Arbeit auch ein Auskommen zu verdienen.

Sarah und Jiri auf der Straße, beide berühren Sarahs Bauch dicken Schwangerschaftsbauch. Sie schauen aufgeschreckt. Sarah hält ihr Handy mit einem Selfie-Stick.

@ Meteor Film

Instagram ist jedoch noch viel mehr als eine Plattform für Selbstdarsteller:innen, nämlich ebenso ein Informationsmedium und Treffpunkt. Insbesondere im Zuge der COVID-19 Pandemie, die Mütter in eine Isolation beförderte, die selbst deren Omas in den 50er verstört hätte, wurde Instagram als Begegnungsstätte zu einem Ersatz für Schwangerschaftsgymnastik und Krabbelgruppe. Zudem bieten die Inhalte der Momfluencerinnen einen schier unendlichen Fundus hilfreicher Informationen von Geburtsvorbereitung, über Stillberatung bis hin zu gewaltfreier Kommunikation mit Kleinstkindern – die Inhalte ebenso qualitativ hochwertig wie ihre Vermittlung.

Das Bedürfnis junger Mütter nach Austausch und Information zu verlachen, ist in sich ebenso frauenfeindlich wie die allgemeine Abwertung eines Mediums, das insbesondere weiblichen und queeren Personen zur Darstellung ihrer eigenen Personen, Körper und Themen dient. Insta-Shaming ist in sich hochgradig patriarchal und sexistisch.

2. Desinformation statt Aufklärung

Ein Film, der sich dem Thema Mutterschaft wahrhaft verschreibt, besitzt das Potential mit toxischen Mythen aufzuräumen, Mütter zu empowern und ihren cis Partnern einen Einblick in das komplexe Erleben dieser Lebensphase zu gewähren. Mütter jedoch tut nichts dergleichen und steigt stattdessen gleich mal mit einem der schlimmsten Klischees ein: Der schmerzhaften Geburt. Während bei Instagram (ja, genau!) Themen wie Hypnobirthing und friedliche Geburt im Grunde schon ein alter Hut sind, muss Sarah hier in der Eingangsszene unter Schreien auf dem Rücken liegend und mit einem akustisch akzentuierten Dammschnitt ihre Tochter gebären. Ich persönlich kann keine Aussage darüber treffen, wie es um die Geburtshilfe in Tschechien bestellt ist, dem Herkunftsland dieses Films. Aber ich persönlich kann eine sehr qualifizierte Aussage über den Diskurs um Schwangerschaft und Geburt in jenem Land treffen, in dem dieser Film nun synchronisiert als Video on Demand erscheint und umworben wird. Und dementsprechend bin ich nicht weniger als vollkommen schockiert.

Auf dieser destruktiven Note einsteigend, geht es mit Mütter desinformativ weiter. Die rabiate Stillberatung durch die Krankenschwester auf der Wochenbettstation mag zwar auch hierzulande Standard sein, doch versäumt der Film es vollständig, dieser verstörenden Szene irgendetwas Positives, Konstruktives entgegenzusetzen. Überhaupt weiß Mütter zu den körperlichen Entwicklungen im Zuge von Schwangerschaft und Geburt nur einen einzigen Ratschlag auszusprechen, nämlich das Trainieren des Beckenbodens, um einen Dammschnitt zu vermeiden… ich weiß nicht… ich… äh… hätten die da nicht wenigstens mal eine Hebamme über das Buch lesen lassen können?!

Die schwangere Elisabeth mit Badeanzug und Handtuch um wickelt. Sie schaut erschöpft.

@ Meteor Film

Auf die Spitze getrieben wird die – nach den Regeln des Patriarchats gezielt gestreute – Desinformation schließlich beim Thema Sexualität. Elisabeth will während der Schwangerschaft keinen Sex mit ihrem Ehemann, weil sie das dem ungeborenen Kind gegenüber als respektlos empfindet. Eine Haltung, die sicherlich andere werdende Mütter teilen, die jedoch zugleich sexistische Rollenmuster frigider Frauen und allzeit paarungsbereiter Männer fortschreibt. Diese finden sich auch bei Jiri und Sarah, wenn die frisch gebackene Mutter im Anschluss an die Geburt kein sexuelles Verlangen mehr verspürt.

Nun ließe sich das Thema Sexualität im Zusammenspiel mit Schwanger- und Elternschaft auch sinnvoll abbilden, treibt es doch so ziemlich alle Betroffenen auf die eine oder andere Weise um und ist gleichzeitig unnötig tabuisiert. Statt aber auch nur den Hauch einer hilfreichen Information über hormonelle Schwankungen und körperliche Veränderungen einzustreuen, entschließt sich Mütter lieber sexistische Stereotype breitzutreten: Die Männer wollen Sex, die Frauen nicht. Und weil es ja nur darum geht, was die Männer wollen, setzen diese schon mal Erinnerung im Handy (!) für das offizielle Ende des Wochenbetts, weil sie dann ja wieder rammeln dürfen… ähm… ne, ich will das nicht weiter kommentieren.

Fakt ist: Mütter – Am Rande des Nervenzusammenbruchs mag vielleicht die eine oder andere tatsächliche Baustelle aufzeigen, Tabus adressieren und klassische Probleme junger Eltern darstellen, bietet aber weder Lösungen noch irgendeine Form der Ermächtigung an. Tabus bleiben Tabus, Desinformation verstärkt vorhandene Probleme, Eltern und insbesondere Mütter erhalten nicht einen einzigen hilfreichen Input. Statt schreiben althergebrachte sexistische Muster und Stereotypen Gebärende und Mütter auf die Rolle der Leidenden fest. Das Patriarchat klopft sich selbst kumpelhaft auf die Schulter: „Wieder mal geschafft! Wir sind einfach geil, Alter!“

Drei Männer im Heimwerker Dress.

@ Meteor Film

3. Humor ist wenn Mann trotzdem lacht

Nach all dem bleibt die wichtige Frage im Raum stehen, wer da eigentlich drüber lachen soll. Und die Antwort ist einfach: cis Männer – für Vojtech Moravec seinen Film ironischer Weise mit Sicherheit nicht gemacht hat. Alle anderen können nur weinen, weil sie an zum Teil schmerzhafte reale Probleme erinnert werden und dazu auch noch ertragen müssen, dass eben jene respektlos verlacht werden. Die Perversität einer männlich dominierten Filmkultur, die Frauen als Zielpublikum dazu zwingt, über ihre sexistische Unterdrückung und die daraus resultierenden Probleme zu lachen, wird an Mütter besonders deutlich. Humor kann auch eine Waffe sein, wenn er dazu dient, gesellschaftliche Missstände auf lachhafte Befindlichkeiten zu reduzieren.

Ist Mutterschaft in einer patriarchalen Gesellschaft also vielleicht einfach kein Thema für eine Komödie? Ist die Realität von Sorgetragenden und Gebärenden in einer frauenfeindlichen Welt einfach zu hart, um sie als Stoff für eine komödiantische Erzählung zu nutzen? Sind Mütter im Kontext von unterfinanzierter Geburtshilfe und Gender Care Gap vielleicht einfach nicht die Personengruppe, über die wir Witze machen sollten?

Susanne, Sarah und Elisabeth. Sarah hält ihr Baby auf dem Arm. Die drei schauen erstaunt und lächlend.

@ Meteor Film

Nein, ich glaube, der komplette Verzicht geht hier zu weit. Gerade Mütter haben es doch verdient, dass sie sich durch einen Film in ihrer Lebenswelt abgeholt fühlen und ein bisschen über sich lachen dürfen. Es ist ja nicht so, als hätten wir keinen Humor, als hätten wir keine Selbstironie. Aber Mütter will nicht mit Müttern lachen, sondern über sie. Und daran ändert auch die wenig schmeichelhafte, stereotype Darstellung unfähiger Väter nichts. Mit diesem Film gewinnt an Ebde niemand etwas, außerhalb vielleicht das Patriarchat selbst.

„Aber das ist doch nur ein Film“, sagen jetzt wieder man(n)che. „Das ist doch nur zur Unterhaltung. Das ist doch lustig.“ Zunächst einmal: Nein, das ist nicht lustig. Und dann: Ein Film ist eben leider niemals nur ein Film. Mütter hält uns dazu an, über Frauen zu lachen, die mit Instagram Geld verdienen. Mütter hält uns dazu an, Sexualität als einen genuin männlichen Akt zu betrachten, zu dem Frauen gefälligst beizutragen haben. Mütter suggeriert, eine Geburt sei immer schmerzhaft, Stillen immer problematisch und Männer wären bei der Aufzucht von Neugeborenen unabänderlich nutzlos. Mütter – Am Rande des Nervenzusammenbruchs ist ein Propagandafilm für die Unterdrückung der Frau und erhält damit unser Prädikat „Alarmstufe Toxisch“. Das ist nicht lustig. Das ist einfach nur traurig.

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Sophie Charlotte Rieger
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