Drei Gedanken zu: Gladiator II
Achtung: Dieser Text enthält Spoiler!
Am Ende von Gladiator (Ridley Scott, 2000) scheint Rom gerettet: Der Tyrann Commodus (Joaquin Phoenix) ist tot, seine Schwester Lucilla (Connie Nielsen) und ihr Sohn Lucius leben, das Römische Imperium soll fortan wieder vom Senat und der Demokratie alter, reicher Männer regiert werden.___STEADY_PAYWALL___
Mehr als zwanzig Jahre später zeigt sich: Das Happy End war von kurzer Dauer. Nun konzentriert sich die Macht in den Händen der Zwillingsbrüder Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger). Erobert wird um des Eroberns willen. Hungern und Seuchen machen sich breit, zentrales Herrschaftsinstrument ist Unterhaltung, blutige Gladiatorenspiele, um das Volk ruhig zu stellen. Nur die Hoffnungen derer, die noch zu träumen wagen, sind übrig geblieben – so das Vorwort von Gladiator II.
Aber wessen Hoffnungen sind das? Wer wagt es noch, zu träumen? Jetzt, so kurz nach dem katastrophalen Ergebnis der US-Wahl, inmitten eines Rechtsrucks, der hierzulande Tag um Tag spürbarer wird, scheint ein Film, in dem es um den Verlust von Demokratie und um Tyrannen mit absolutem Machtanspruch geht, besonders bedeutsam. Deshalb ist es mehr als nur enttäuschend, mehr als ein Rückschritt – es ist ein gähnender Abgrund, Unterhaltung-gewordene Hoffnungslosigkeit, dass Gladiator II nicht nur zu feige ist, offen Stellung zu beziehen, sondern sich aktiv rechter Deutungsmuster und Lügen bedient.
Verkommene Eliten
Die despotische Doppelspitze aus Geta und Caracalla hat jeglichen Bezug zur Realität verloren. Sie füllen ihre Tage mit Trink- und Essgelagen, mit Triumphzügen für erfolgreiche Generäle und brutalen Spektakeln im Kolosseum. Sie zeigen weder körperliche Stärke noch politischen Scharfsinn, gieren dafür umso mehr nach Macht und Blut und verschwenden die ihnen gegebenen Ressourcen.
Geta und Caracalla tragen außerdem aufwendig bestickte Gewänder und Make-up, sie scharren schöne Jünglinge um sich und sind auch sonst überdeutlich queer konnotiert. Queere Bösewichte haben im Sandalenfilm Tradition, ihre Darstellung in Gladiator II erreicht allerdings eine neue, abscheuliche Qualität. Denn Figuren wie Messala (Stephen Boyd) in Ben-Hur oder Commodus (Christopher Plummer) in Der Untergang des Römischen Reiches sind interessant (oder wenigstens unterhaltsam), sie haben eine nachvollziehbare (wenn auch verwerfliche) Motivation und bieten oft mehr Identifikationspotenzial als der langweilig-ehrenhafte Held. Nicht so Geta und Caracalla. Gladiator II stellt sie und ihren Hofstaat als abgehobene, dekadente, verkommene Elite dar und bedient damit 1:1 rechte und populistische Ideen.
Und weil zwei Bösewichte nicht genug sind, gibt es noch Macrinus (Denzel Washington), der in der Tat unterhaltsam ist und komplex hätte sein können, was den Film am Ende aber nicht interessiert. In Interviews vergleicht Regisseur Ridley Scott Marcinus indirekt mit Donald Trump – der Vergleich ist erstens komplett unangemessen, weil er eine Parallele zwischen einer ehemals versklavten Person of Colour und einem weißen, mit allen Privilegien ausgestatteten cis Mann zieht. Denken wir den Vergleich zu Ende, schiebt er zweitens der ach so verweichlichten Elite die Schuld am Aufstieg rechtsradikaler Akteure in die Schuhe – und gibt damit der rechtskonservativen Idee Raum, dass Feminismus, queerer Aktivismus und MeToo der Grund für den Aufstieg der Rechten seien.
Fridging²
Gladiator ist alles andere als ein feministisch wertvoller Film, thematisiert aber zumindest für den Bruchteil einer Sekunde den Sexismus des Römischen Reiches und lässt am Ende Lucilla als einzige weibliche Figur sowohl ihren Vater und Bruder als auch den Helden Maximus (Russel Crowe) überleben. Über zwanzig Jahre später schafft es Gladiator II, rückschrittlicher als sein Vorgängerfilm zu sein. Wieder ist Lucilla die einzig nennenswerte weibliche Figur. Titelheld Hanno (Paul Mescal) ist anfangs noch mit Arishat (Yuval Gonen) verheiratet, diese stirbt aber nach ungefähr zwanzig Minuten. Irgendwoher muss Hanno ja seine male angst, seine Wut und seine Motivation bekommen. Dass Arishat als Kriegerin im Kampf fällt, ändert nichts daran, dass ihr Tod ein klassischer Fall von Fridging ist.
Damit aber nicht genug. Lucilla hat sich der Demokratie verschrieben und versucht gemeinsam mit einer Gruppe loyaler Senatoren und ihrem Ehemann Marcus Acacius (Pedro Pascal), die Herrscher zu stürzen. Der Plot fliegt auf und Lucilla soll publikumswirksam im Kolosseum hingerichtet werden. Hanno, der sich als ihr verschollener Sohn Lucius entpuppt, bekommt scheinbar die Chance, seine Mutter zu retten. Held, der er ist, gelingt es ihm auch – fast. Tragisch und vollkommen sinnlos wird Lucilla von einem tödlichen Pfeil getroffen. Sie stirbt gefesselt und machtlos. Es ist unglaublich, wie selbstbewusst-faul, einfallslos und schlussendlich grausam das Drehbuch von David Scarpa mit seinen weiblichen Figuren umgeht.
Oben ohne aber okay
Paul Mescal in Aftersun, Joseph Quinn in A Quiet Place: Day One und Fred Hechinger in White Lotus liefern alle einfühlsame und vielschichtige Performances ab – in Gladiator II sind sie bestenfalls durchschnittlich. Pedro Pascal schafft es irgendwie (und passenderweise), seiner Figur eine niedergeschlagene Müdigkeit zu verleihen, kommt aber kaum vor. Paul Mescals Hanno besteht aus Muskeln und Wut und hält epische Reden, während im Hintergrund epische Musik läuft. Der Schlachtruf „Ehre und Stärke”, der im ersten Film undefiniert pathetisch daherkam, klingt aus seinem Mund wie eine rechtsradikale Parole. „Diese Stadt ist krank,” sagt Hanno über Rom und es ist, als hätte Ridley Scott Travis Bickle aus Taxi Driver zum Helden seines Films gemacht.
Außerdem verbringt Hanno mindestens ein Drittel des Films oben ohne – ein Umstand, den Fans und Kritiker*innen begrüßen. Überhaupt ist im filmischen Diskurs gerade der Fehlschluss sehr präsent, dass cis Männer oben ohne etwas mit Gleichberechtigung oder gar mit Feminismus zu tun hätten. Dabei handelt es sich hier ebenfalls um Objektifizierung. Natürlich gibt es trotzdem Unterschiede – die Objektifizierung von cis Männern ist selten machtlos, ihre Körper werden kraftvoll und in Aktion gezeigt. Ideale toxischer Männlichkeit sind allerdings auch dann noch sehr präsent, wenn eine Figur ihr T-Shirt auszieht. Stärke als physische Kraft, Konfliktlösung durch Gewalt und das Versprechen absoluter Dominanz transportieren sich auch und vor allem durch diese Darstellung cis-männlicher Körper.
Gleichzeitig haben Paul Mescals aufgepumpte Muskeln etwas Tragisches. In seinem viel zu großen Körper wirkt Hanno verloren, einsam. Überhaupt ist die Gewalt in Gladiator II ungewöhnlich verzweifelt – sie ist Unterhaltung, politisches Instrument und Motor eines Teufelskreises ohne Ende in Sicht.
Das ist am Ende egal, denn Hanno erweist sich als Lucius und damit als Prinz von Rom – in seinen Adern fließt königliches Blut. Gladiator II stilisiert Hanno zum Hoffnungsträger und legt die Zukunft der römischen Demokratie in die Hände eines gutmütigen Herrschers. Nicht die Menschen Roms stürzen die Tyrannen – der Thronfolger tut es mithilfe seiner Armee.
Am Ende hält Hanno/Lucius eine epische Rede. Er spricht vom römischen Traum, der wiederhergestellt werden muss, von Rom als Zufluchtsort für jene in Not. Was ein starkes Statement für Migration und Menschlichkeit hätte sein können, wird im Kontext des Films zweideutig bis zur Unkenntlichkeit. Hanno richtet diese Worte nämlich an seine Armee, an Soldaten, die eben noch die Zuschauer*innen im Kolosseum niedergemetzelt haben.
Und hier zeigt sich das Hoffnungslose, Abgrundhafte von Gladiator II. Die Filmschaffenden denken vermutlich, Gladiator II sei ein ganz normaler, liberaler Film. Und wahrscheinlich ist er das auch – denn der Diskurs ist inzwischen so weit nach rechts gerückt, dass Fantasien von starken Männern, die Recht und Ordnung wiederherstellen, als liberal gelten können.
Kinostart: 14. November 2024
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