Berlinale 2018: Impreza – Das Fest

Das Private ist wieder politischer geworden, aber in einem anderen Sinne als im feministischen Diskurs: Gespräche über Migrationspolitik oder die Legitimität rechtskonservativer Parteien hat Einzug in die Wohnzimmer und Kneipengespräche gehalten. Für viele Menschen bedeutet das unangenehme Auseinandersetzungen mit Freund_innen, Verwandten und Partner_innen. Vielleicht bedeutet es manchmal sogar das Ende einer Beziehung.

In Impreza – Das Fest zeigt Regisseurin Alexandra Wesolowski eben jene familiären Grabenkämpfen, wenn sie eine Reise zur goldenen Hochzeit ihrer polnischen Großeltern dokumentiert. Über alle drei anwesenden Generationen hinweg trifft die Filmemacherin dabei auf rechtskonservative Meinungen, die ihrer eigenen Position diametral gegenüberstehen. Im Zentrum der politischen Gespräche mit verschiedenen Personen befinden sich die Themen Migration, „Genderwahn“, Frühsexualisierung und die Europäische Union. Obwohl diese Begegnungen stets ruhig und liebevoll ablaufen, ist eine Einigung oder auch nur Annäherung dabei nicht in Sicht.

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Uns als deutsches Publikum dürften viele der Argumentationen bekannt vorkommen. Oft handelt es sich um lange Monologe, die so lange beliebig von einem der obig genannten Themen zum nächsten springen bis wir so stark verwirrt sind, dass wir den Ausgangspunkt der Diskussion vergessen haben. Auch Alexandra Wesolowski scheint es gelegentlich so zu gehen. Oder aber sie deeskaliert, in dem sie sich ab einem gewissen Punkt auf die Rolle der Zuhörerin beschränkt.

Wir treffen Wesolowskis polnische Großfamilie in den Vorbereitungen der groß angelegten Feier zur goldenen Hochzeit. Alles ist perfekt geplant und organisiert: Ansprachen, musikalisch untermalte Anekdoten und eine Modenschau. Die opulente Inszenierung und das mondäne Eigenheim der Großeltern helfen wahrlich nicht dabei, mit den Menschen auf der Leinwand zu sympathisieren, sondern vergrößern im Gegenteil die Kluft zwischen Kinopublikum und Protagonist_innen. Es ist so verdammt einfach, diese Menschen nicht zu mögen. Zu einfach.

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Als größtenteils erwachsene Menschen sind Wesolowskis Verwandte freilich selbst in der Lage zu entscheiden, ob sie und ihre Aussagen mit diesem Film um die Welt reisen sollen. Dennoch wirkt die Familie hier in der Eindimensionalität der Darstellung vorgeführt. Alexandra Wesolowski beschränkt sich in der Auswahl ihres Materials zu großen Teilen auf die politischen Streitgespräche, gibt aber keine Einblicke in den alltäglichen Umgang der Familie miteinander. Die andere Seite der Medaille, die es immer gibt, fehlt. So aber bleiben die Protagonist_innen auf ihre politischen Positionen beschränkt und entwickeln sich nicht zu ganzen Menschen.

Alexandra Wesolowski tritt zwar selbst vor die Kamera und ist stets Teil der Gespräche, bleibt dabei aber ebenso oberflächlich. Auch sie ist nur eine, in diesem Fall einsame, politische Position. Viel interessanter aber wäre gewesen, zu verstehen, was die innerfamiliären Grabenkämpfe für die Beteiligten bedeuten. Wie überwinden wir Differenzen dieser Art, um einander dennoch liebevoll verbunden zu bleiben? Wie fühlen sich beide Seiten im Zuge dieser durchaus emotionalen Grundsatzdiskussionen? Und weshalb hat sich Alexandra Wesolowski entschieden, diese intimen Konfrontationen zum Thema ihres Films zu machen?

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All diese Fragen bleiben bedauerlicher Weise unbeantwortet, so dass uns Impreza – Das Fest nichts Neues zu erzählen weiß. Dass es Menschen mit rechtskonservativen Positionen gibt, die zirkulär und in Rückgriff auf die immer gleichen rechten Informationsquellen argumentieren, ist uns ebenso bekannt wie der hiermit verbundene herausfordernde Dialog. Seit den letzten Bundestagswahlen hat sich die Gesprächsbereitschaft vieler Menschen radikal verändert und einer ablehnenden, zuweilen gar aggressiven Abwehrhaltung Platz gemacht. „Mit denen ist einfach nicht zu reden“, ist eine häufig anzutreffende Position. Leider schlägt Impreza – Das Fest in eben jene Kerbe und zeigt in ihren konservativen, oftmals egozentrischen Überzeugungen festgefahrene Personen, die für einen demokratischen Dialog verloren scheinen – und das ohne, dass eine polnische Gegenposition sichtbar wäre. Und so ist der Film am Ende ebenso radikal wie die Menschen, die er portraitiert: Zwischen Schwarz und Weiß gehen die Graustufen verloren.

Das Fest findet trotzdem statt, mit dem gesamten geplanten Brimborium. Für ein paar Stunden herrscht Harmonie, eine heile familiäre Welt, voll lachender, glücklicher und einander verbundener Menschen. Es ist also möglich, politische Grabenkämpfe beiseite zu schieben. Aber wie das gelingen kann und welchen Preis dieser Frieden hat, bleibt ungesagt.

Sophie Charlotte Rieger
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