Yaloms Anleitung zum Glücklichsein deprimiert

© Alamode

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Ich bin ein großer Fan der Romane von Irvin D. Yalom, insbesondere jener Geschichten, die sich direkt auf seine Arbeit als Psychoanalytiker beziehen. Insofern waren meine Erwartungen an Yaloms Anleitung zum Glücklichsein vielleicht tatsächlich etwas zu hoch. Und vielleicht hat mein harsches Urteil über den Film, das binnen weniger Minuten fiel, auch mit meinen Vorkenntnissen zu tun.

Ich bin verärgert. Wirklich und aufrichtig. Statt endlich einmal der echten Stimme von Irvin D. Yalom lauschen zu können und damit auch einen Eindruck von seiner Persönlichkeit zu gewinnen, muss ich mit einem deutschen Sprecher des Voice Overs vorlieb nehmen, der sich verdächtig nach Märchenonkel anhört. Das passt immerhin zu der übertrieben kitschigen Inszenierung. Wieso ein Film mit dem Thema „Glücklichsein“ fast ausschließlich mit rührselig-melancholischer Musik arbeitet, erschließt sich mir bis zum Ende nicht. Von dem Mut, dem Humor und der Energie, die ich an Yaloms Romanen schätze, ist in dieser einfallslosen Inszenierung nichts zu finden. Interviewsequenzen – freilich ebenfalls übergesprochen – wechseln sich mit Archivmaterial und Fotografien sowie Videos aus Yaloms eigenem Fundus ab. Auch seine Ehefrau sowie seine Kinder und Enkelkinder werden vor die Kamera geholt. Doch so viel Informationen Regisseurin Sabine Gisiger hier auch einstreut, weder der Mensch Irvin D. Yalom, noch sein wissenschaftlicher Beitrag zur modernen Psychotherapie, noch sein literarischer Genius werden hier erfahrbar. Das Voice Over rezitiert Lebensweisheiten, von denen wir uns nicht sicher sein können, ob sie aus einem seiner Bücher stammen oder extra für diesen Film geschrieben und eingesprochen wurden. Die deutsche Märchenonkel-Synchro vermittelt zudem den Eindruck, Yalom wäre hier Erzähler seiner eigenen Geschichte, würde sich selbst auf diese verklärte Art und Weise in Szene setzen. Das ist natürlich irreführend, da die Inszenierung ja von Sabine Gisiger stammt.

Rückblickend brennt in mir die Frage, welche Zuschauer_innen Frau Gisiger hier im Hinterkopf hatte. Yaloms Anleitungs zum Glücklichsein beschreibt zwar Sinn und Inhalt der Psychotherapie, bleibt dabei aber sehr an der Oberfläche. Wer sich also mit Psychologie und therapeutischen Settings bereits beschäftigt hat, wird hier nichts Neues erfahren, sondern vielmehr frustriert über die fehlende Vertiefung interessanter Themen sein. Wer der Psychologie und/oder Psychiatrie ohnehin kritisch gegenüber steht oder hierfür kein Interesse hegt, der wird sich den Film von vornherein nicht ansehen. Fans von Yalom, zu denen ich mich zähle, kommen ihrem Idol, von einigen wenigen biographischen Informationen abgesehen, in keiner Weise näher und wer noch nie etwas von Irvin D. Yalom gelesen hat, wird durch diesen Film auch nicht dazu inspiriert. Seine Romane kommen viel zu kurz. Nur einer, Als Nietzsche weinte, wird am Rande erwähnt, ohne jedoch den Geist, Wert oder Inhalt des Buches tatsächlich zu vermitteln.

Ob die Originalsprache an all diesen Schwachstellen etwas geändert hätte, kann ich nicht abschließend beurteilen. Doch sie hätte mir zumindest einen direkteren Zugang zu der Figur auf der Leinwand ermöglicht, bei der es sich nicht zuletzt um eine Person handelt, die in ihrem Beruf sehr verbal arbeitet. Yaloms Anleitung zum Glücklichsein ist ein gutes Beispiel für die Idiotie der Synchronisation. Um mehr über den beeindruckenden Analytiker und Schriftsteller zu erfahren, empfehle ich deshalb statt dieses Films definitiv einen Blick in seine Werke! Bevorzugt natürlich im Original.

Kinostart: 2. Oktober 2014

 

Sophie Charlotte Rieger
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