#Roevember – Schwangerschaftsabbruch im Film

Der Slogan #Roevember erinnert im Rahmen der Novemberwahlen 2022 in den USA an das Ende von Roe v. Wade – also an die Supreme Court-Entscheidung aus dem Jahr 1973, die die Entscheidung über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft als „fundamentales“, verfassungsmäßiges Recht jeder schwangeren Person in den USA etablierte und die am 24. Juni 2022 durch eben dieses Oberste Gericht gekippt wurde.

Seit Juni diesen Jahres ist das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA also nicht mehr in der Verfassung verankert. Freie körperliche Selbstbestimmung Schwangerer ist somit in den USA kein Grundrecht mehr, Abbrüche sind in mehreren Bundesstaaten bereits illegal.

Die FILMLÖWIN-Redaktion hat aus diesem Anlass eine Übersicht zu Filmen erstellt, die Schwangerschaftsabbrüche thematisieren.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer von Eliza Hittman (2020) ist ein leiser Film über ein dramatisches Thema, nämlich den erschwerten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA. Der Film macht auf subtile Weise den Widerspruch sichtbar zwischen der Sexualisierung weiblicher Teenager und der Verweigerung ihrer Selbstbestimmungsrechte über die eigenen Körper. Hittman arbeitet mit dem Stilmittel der Reduktion, einer ruhigen Erzählung ohne dramatisierte Höhepunkte, einer unaufgeregten Inszenierung, die nicht darauf ausgelegt ist, dem Publikum starke Emotionen zu entlocken, es durch die Nähe zu den Protagonistinnen aber trotzdem tut.

© 2019 Courtesy of Focus Features

À la vie (Sheroes)

In À la vie (Sheroes) (2021) porträtiert Aude Pepin die Hebamme und Aktivistin Chantal Birman. Als Feministin der ersten Stunde engagiert sich Birman seit den 1970ern für das Recht auf Abtreibung und die Position der Hebammen in der französischen Gesellschaft und dem Gesundheitssystem. Seit dem Jahr 2016 können in Frankreich Hebammen Abtreibungen durchführen. Pepins Film zeigt intime Momente, vertrauensvolle Gespräche zwischen Frauen und verdeutlicht durch seine Protagonistin, was Selbstbestimmung bedeutet. „Zwischen Leben und Tod wählen Frauen immer die Freiheit“, lautet eine bekannte Aussage von Birman, die verdeutlicht worum sich der Kampf dreht.

© Crossing Europe

Fast Times at Ridgemont High

In einem Subplot von Amy Heckerlings High-School-Komödie Fast Times at Ridgemont High (1982) wird die Teenagerin Stacy nach dem ersten Sex ungewollt schwanger. Was folgt ist eine unaufgeregte, ehrliche Darstellung eines Schwangerschaftsabbruchs in den USA der 80er: Stacy trifft ihre Entscheidung alleine und bestimmt, der Termin in der nächsten Klinik der Stadt ist schnell vereinbart, das Geld zusammengesammelt. Menschen, die ihr nahe stehen und von ihrer Entscheidung erfahren, reagieren mit voller Akzeptanz und nur wenigen Fragen. Damals kaum bemerkenswert, ist eine solch selbstverständliche Darstellung des Themas im amerikanischen Kino heute wie auch in Zukunft kaum noch möglich. 

Das Ereignis

Ungeschönt und dennoch voller Wärme bringt Regisseurin Audrey Diwan die vielschichtige Geschichte einer ungewollten Schwangerschaft auf die Leinwand. Die Studentin Anne (Anamaria Vartolomei) ist Anfang 20, als sie ungewollt schwanger wird. Für Anne steht fest, dass sie zu diesem Zeitpunkt kein Kind bekommen möchte. Diese Entscheidung ist für sie keine moralische Frage, sondern schlicht die einzige Möglichkeit, ihr Leben selbstbestimmt fortzuführen. Das Ereignis (2021) bricht mit dem – selbst unter Befürworter:innen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung – verbreiteten Narrativ, ungewollt Schwangere müssten immer eine schwierige Gewissensentscheidung treffen. 

© PROKINO Filmverleih GmbH

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Dienstmädchen Sophie ist schwanger. „Ich möchte kein Kind“, sagt sie. Ende der Diskussion. Es gibt in Celine Sciammas Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019) keine Hintergrundgeschichte zu dieser Schwangerschaft und keine Erwähnung des Vaters. Sophie trifft ihre eigene Entscheidung, das war’s. Die Szene der Abtreibung selbst ist das Gegenteil der sterilen Darstellungen von Abtreibungskliniken, die wir aus anderen Filmen kennen. Im Hintergrund lacht ein Baby – die Zellen in Sophies Körper sind kein Baby. Bei Sciamma dürfen Babys und Abtreibung in einem Raum koexistieren. Am Ende stellen die Protagonistinnen die Abtreibung noch einmal nach, um sie zu malen – weil sie als Ereignis zum Kanon des Darstellenswerten gehört. Wow. 

Portrait einer jungen Frau in Flammen

© Alamode Film

24 Wochen

In 24 Wochen (2016) erzählt Regisseurin Anne Zohra Berrached die Geschichte einer Spätabtreibung. Als Astrid (Julia Jentsch) erfährt, dass ihr Kind neben einer Trisomie auch einen schweren Herzfehler hat, entscheidet sie sich, die Schwangerschaft in der 24. Woche abzubrechen. 24 Wochen ist definitiv ein Film, der sein Publikum emotional erreichen will, das aber nie auf die Kosten seiner Figuren tut, denen er immer wieder „Pausen“ gönnt, narrative Auslassungen, die das Publikum selbst zu füllen eingeladen ist. Vor allem aber erzeugt er gerade durch den Schmerz, den er den Protagonist:innen wie auch dem Publikum zumutet großen Respekt für seine Hauptfigur und ihre Entscheidung und leistet damit einen Beitrag zum Kampf um körperliche Selbstbestimmung. 

© Friede Clausz

Dirty Dancing

Die Handlung des romantischen Tanzfilms Dirty Dancing (1987) muss ich wohl niemandem mehr erzählen, doch die Bedeutung eines Handlungsstrangs muss hier ganz besonders betont werden: Um ihre Karriere als Tänzerin nicht zu gefährden und schlicht und einfach, weil sie gerade kein Kind bekommen möchte, entscheidet sich Nebenfigur Penny für eine Abtreibung. Der Film aus dem Jahr 1987 (!) zieht diese Entscheidung nicht in Zweifel, sondern zeichnet sie als vollkommen legitim. Darüber hinaus thematisiert er die Lebensgefahr, die davon ausgeht, Schwangerschafts-abbrüche in den Bereich der Illegalität zu verbannen. Ein solch progressiver Umgang mit dem Thema Abtreibung sucht auch im zeitgenössischen Kino noch seinesgleichen. 

Obvious Child

Der Film Obvious Child (2014) von Gillian Robespierre sticht unter den Abtreibungsfilmen hervor, weil er ohne große Schuld-Scham-Reue-Narrative auskommt. Stattdessen arbeitet er mit Empathie und Humor und fordert so unsere Sehgewohnheiten zu Abtreibung heraus. Als die Mittzwanzigerin Donna feststellt, dass sie ungeplant schwanger ist, ist ihr schnell klar, dass sie die Schwangerschaft abbrechen will. Im Wege stehen zwar die hohen Kosten und die Angst vor dem Abbruch, aber ihre beste Freundin steht ihr zur Seite und teilt eigene Erfahrungen. Außerdem thematisiert Donna, die als Stand-Up-Comedian arbeitet, die kommende Abtreibung auf der Bühne und zeigt so, wie Humor als Coping-Strategie bei dem Thema funktionieren kann. (Gast-Löwin Franzis Kabisch abortion.tv)


Ob Kinder oder keine entscheiden wir alleine! – Die Situation in Deutschland

Auf der Seite Pro Choice Info gibt es zahlreiche seriöse Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch, Erfahrungsberichte und konkrete Unterstützung bei der Suche nach Ärzt:innen. Beratungen bei einer (ungewollten) Schwangerschaft bietet ProFamilia an.

Es gibt in Deutschland die Möglichkeit eine Schwangerschaft legal und sicher zu beenden. Dennoch schränkt der §218 StGB das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein. Initiativen wie das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung kämpfen deshalb weiterhin für reproduktive Rechte.

Das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung ist ein globales Thema. Die Initiative Women Help Women stellt Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen bereit und vernetzt Aktivist:innen, Mediziner:innen und ungewollt Schwangere über vier Kontinente.

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