Maria Stuart, Königin von Schottland
Eigentlich gibt es in der Geschichte doch genügend beeindruckende Frauen*, über die einen Film zu machen sich lohnt. Dennoch sind Bio-Pics über historische Frauen*figuren ausgesprochen selten und noch viel seltener sind jene, die Geschichten abseits romantischer Liebe erzählen. Insofern macht Maria Stuart, Königin von Schottland von Regisseurin Josie Rourke grundsätzlich schon einmal eine Menge richtig: Der Film präsentiert gleich zwei respekteinflößende Heldinnen, deren romantische Verwicklungen ebenso wie die männlichen* Figuren an den Rand der Handlung verbannt werden.
Die Hauptfigur dieser Geschichte um Macht und Intrigen ist – der Titel verrät es schon – Maria Stuart (Saoirse Ronan). Nach dem Tod ihres französischen Gatten kehrt sie in die schottische Heimat zurück und stellt damit für die regierende Königin Englands, Elizabeth (Margot Robbie), eine Bedrohung dar – insbesondere da diese noch immer keinen Thronfolger geboren, ja, nicht einmal geheiratet hat. Und so beginnt ein Machtkampf der Gigantinnen, der jedoch zunehmend weniger von den Frauen* selbst und zunehmend ihren männlichen* Beratern geführt wird – bis insbesondere Maria Stuart nicht mehr weiß, wem sie noch trauen kann.
Frauen* in einem Männer*business – Maria Stuart, Königin von Schottland könnte zeitgenössischer kaum sein. Die beiden Hauptfiguren befinden sich zwar offiziell in einer Machtposition, sind jedoch zugleich einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur unterworfen, die eben jene Macht unterminiert. Allein die Tatsache, dass ihre Position nur über den Umweg der Eheschließung und Mutterschaft konsolidiert werden kann, illustriert das Korsett sexistischer Rollenmuster, in das Maria und Elizabeth eingeschnürt sind. Insbesondere die schottische Königin ist zugleich mit misogynen Anfeindungen seitens der Kirche konfrontiert: „Ein Weibsstück mit Krone“ – das wollen die Herren* der Schöpfung nicht akzeptieren.
Doch viel mehr als um den Glauben an eine biologische Unterlegenheit der Frau* geht es hier – wie im Grunde immer beim Thema Misogynie – um Macht und Privilegien. Denn die Versuche der beiden Königinnen sich miteinander zu verbünden, das Land in Frieden zu einen, statt gegeneinander in den Krieg zu ziehen, entspricht eben nicht dem Streben nach Alleinherrschaft des männlichen* Beratungsstabs. Insbesondere auf schottischer Seite reiht sich Intrige an Intrige, um die widerspenstige Königin zu entmachten.
Herrlich widerspenstig sind diese beiden Frauen* nämlich tatsächlich, erhaben, von sich und ihrer Meinung überzeugt. Und genauso inszeniert Josie Rourke ihre Heldinnen, fordert unseren ganzen Respekt für diese royalen Kämpferinnen ein, ohne sie dabei zu überhöhen. Während es am Beginn noch so scheint, als würde hier mit der eiskalten Elizabeth und der gutmütigen Maria das „Heilige-Hure-Paradigma“ bedient, entwickeln sich beide Heldinnen zu überaus komplexen Figuren, deren Handlungen nicht ohne Weiteres vorauszusehen sind. Sie dürfen Fehler begehen, unsere Sympathie vorübergehend verlieren und gerade damit zu faszinierenden Persönlichkeiten werden.
Maria und Elizabeth sind schon allein deshalb Identifikationsfiguren, weil sie in dieser Geschichte gegen ein Rollenbild kämpfen, mit dem Frauen* noch heute konfrontiert sind. Dass Maria schließlich durch ihre Untergebenen vom Thron gestürzt werden kann, ist beispielsweise nur durch die Verteufelung ihrer Sexualität möglich. Oder zeitgenössisch ausgedrückt: Slut shaming. Die Unterminierung ihres Machtanspruchs basiert ausschließlich auf der Strategie, sie öffentlichkeitswirksam als Ehebrecherin und Hure zu bezeichnen.
Dabei verhandelt der Film Sexualität und sexuelle Identität nahezu vorbildlich. Im Kreis von Marias Zofen darf ein schwuler Musiker seinen Platz finden, der sogar eine eigene, wenn auch über die Maßen tragische, Storyline erhält. Die beiden Heldinnen wiederum kämpfen anhaltend um sexuelle Selbstbestimmung, die der Film niemals in Frage stellt. Sexszenen sind rar und niemals voyeuristisch, inszenieren die Frauen* als Sex-Subjekte. Nur die Vergewaltigungsszene zwischen Maria und ihrem dritten Ehemann* gestaltet sich fragwürdig, denn das Auserzählen des nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs bietet keinen narrativen Mehrwert.
Gewalt und Zwang, sexualisiert oder nicht, ist in dieser Geschichte den Männern* vorbehalten. Sie sind es, die Zwietracht sehen, Kriege provozieren, morden. Die entsprechenden Figuren bleiben dabei bedauerlich eindimensional. Dass es sich um Männer* handelt, scheint Drehbuchautor Beau Willimon bereits Erklärung genug und das illoyale und unmoralische Agieren der Figuren braucht im Rahmen dieses Films keine weitere Herleitung. Das wiederum ist natürlich am Ende genauso sexistisch wie auf Dekoration reduzierte Frauen*figuren.
Vielleicht aber steckt hinter den unterwickelten männlichen* Charakteren noch ein anderer Gedanke, nämlich eine bewusst Marginalisierung der Figuren, um einen noch klareren Fokus auf die beiden Heldinnen zu ermöglichen. Während diese als Individuen klar im Zentrum der Handlung stehen, bilden ihre Berater ein anonymes, toxisch männliches Umfeld: das Patriarchat. Dieses ist der wahre Gegner von Maria und Elizabeth. Nicht einzelne Männer*, sondern eine hierarchische, auf Macht und Dominanz ausgerichtete Struktur, in der Solidarität zwischen Frauen* keinen Platz hat. Die pazifistischen Absichten der Königinnen sind zum Scheitern verurteilt. Im Haifischbecken der patriarchalen Hofgesellschaft kann nur die überleben, die ihre Weiblichkeit* aufgibt.
Auch das ist wieder zeitgenössisch, fügt sich nahtlos in die zahlreichen Ratgeber, die Frauen* heute vermitteln, wie sie sich mit der Übernahme genuin männlicher* Eigenschaften im Beruf durchsetzen – als wäre Männlichkeit* die Blaupause, das Ideal, dem alle Menschen nacheifern sollten. Und das obwohl – wie Maria Stuart, Königin von Schottland eindrucksvoll zeigt – eben diese Männlichkeit* die Ursache für Gewalt, Krieg und Tod darstellt.
Dass die Geschichte von Maria Stuart und der ersten Queen Elizabeth ausgerechnet jetzt in dieser Weise erzählt wird, ist also kein Zufall. Vermeintlich eine historische Erzählung, verhandelt der Film brandaktuelle feministische Diskurse. Und obwohl uns das dramatische Ende allen bekannt ist, der Tod von Maria Stuart zu jedem Zeitpunkt der Geschichte absehbar ist, so findet Josie Rourke schließlich doch ein emanzipatorisch wertvolles Ende: Maria und Elizabeth mögen zu Lebzeiten gescheitert sein, doch mit dem Festhalten weiblicher* Solidarität gelang es ihnen schließlich doch, die Grundlage für eine friedlichere Zukunft zu schaffen. Wenn auch unsere Kämpfe manchmal vergeblich scheinen, wie kleine Tropfen auf gigantischen heißen Steinen, so werden sie doch Früchte tragen. Das können wir heute und morgen vielleicht so noch nicht erkennen, aber vielleicht in 500 Jahren, wenn unsere Geschichte als Blick in die Historie erzählt wird.
Kinostart: 17. Januar 2019
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Wer damals an die Macht gekommen ist, war sicherlich am skrupelosesten, und hat alle anderen ausgespielt. Das ist sicher auch bei Frauen so gewesen.
Ich glaube deshalb nicht, dass mehr Frauen in der Politik automatisch zu Frieden führen.
Die Politik würde in weniger aggressiven Tönen ausgetragen werden, aber Kriegerinnen in der Geschichte beweisen, dass auch Frauen für ihr Ziel, eine höhere Sache, töten.
Kleopatra hat zum Beispiel ihren Bruder ertränken lassen.
Krieg machen Männer? Blödsinn Frauen sind nur oft nicht zum Zug gekommen, da ihnen gesellschaftlich verwehrt wurde, eine Waffe in die Hand zu nehmen,und weil es für Frauen in einer männlich Dominierten Welt das Mittel Sex zum erreichen von Interessen gab. Frauen haben weniger Tetosteron und gehen deshalb vieleicht auch weniger gern in einen Kampf, aber andere in den Krieg schicken geht genauso.
Führt weibliche Solidarität wirklich automatisch zu Frieden,weil so die Männer nicht mehr an die Macht kommen, die mit ihrer toxischen Männlichkeit Kriege auslösen?-Ich glaube es gäbe mit vielen Frauen an der Macht weniger Kriege, aber auf keinen Fall automatisch Frieden.
weiblichen Geschlechts sein bedeutet nicht automatisch friedlich, so wie Männlichen Geschlechts sein sein nicht automatisch aggressiv bedeutet.