Drei Gedanken zu: Magic Mike – The Last Dance

Mike Lane aka Magic Mike (Channing Tatum) ist back back back für einen letzten Tanz. Doch auch im mittlerweile dritten Film der Reihe taucht die erste Frau in den Credits relativ weit unten auf. Drehbuch, Regie und Produktion wurden allesamt von Männern übernommen. Für einen Film, der sich die Erfüllung weiblicher Fantasien auf die Fahnen geschrieben hat, scheint das relativ absurd. Und trotzdem ist der Vorgängerfilm Magic Mike XXL (Gregory Jacobs, 2015) für manche inzwischen ein feministisch-sexpositiver Klassiker (plus: Joe Manganiellos Tankstellen-Tanz zu „I Want It That Way” ist ein garantierter Stimmungsaufheller). Wie also sieht es mit Magic Mike – The Last Dance aus?___STEADY_PAYWALL___

SALMA HAYEK PINAULT als Maxandra Mendoza und CHANNING TATUM als Mike Lane in “MAGIC MIKE’S LAST DANCE”

Salma Hayek Pinault und Channing Tatum in „Magic Mike – The Last Dance“ © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Claudette Barius

Der Plot: Covid, Cocktails und Magic Mike in London

Die Covid-Pandemie hat Mike sein Geschäft gekostet. Anstatt exklusive Möbel anzufertigen, arbeitet er nun unter anderem als Bartender auf noblen Privatpartys. Seine Freunde, Tanzkumpanen und Wahlfamilie – Tito, Ken, Tarzan und „Big Dick” Richie – sind nicht mit von der Partie. Mike lässt ihre Anrufe unbeantwortet – das Tanzen hat er aufgegeben. In vielerlei Hinsicht ist Mike dort, wo wir ihn in Magic Mike (Steven Soderbergh, 2012) zum ersten Mal getroffen haben: Er hat mehrere Jobs gleichzeitig, ist umgänglich, unverbindlich und bei genauerem Hinsehen ziemlich einsam.

Ein Close-up von Salma Hayek Pinault als Max in "MAgic Mike - The Last Dance"

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Claudette Barius

Als Bartender trifft Mike auf Maxandra Mendoza, genannt Max (Salma Hayek Pinault). Max ist so reich wie unglücklich. Sie hat sich vor Kurzem von ihrem Ehemann getrennt und die Scheidungspapiere liegen auf dem Tisch. Mike lässt sich breitschlagen, Max einen (letzten!) Tanz darzubieten, eins führt zum anderen und schwups, landen die beiden im Bett. Für Max ist der Tanz ein transformatives Erlebnis. Kurzerhand heuert sie Mike als Choreograf für eine Tanzshow in ihrem Londoner Theater an. Innerhalb von zwei Monaten soll er ein erotisches Tanzerlebnis der Sonderklasse auf die Beine stellen …

Was Frauen wollen – Teil I: T-Shirts, Tanzrequisiten und Rollenmuster

Magic Mike – The Last Dance ist ein bisschen wie ein H&M-T-Shirt mit der Aufschrift „Feminist” – er verkauft Feminismus als unanstößig, leicht verdaulich, ohne Ecken und Kanten und ohne Wut. Der Film sagt die richtigen Sachen, wirft die richtigen Themen auf und trotzdem fehlt etwas. Die Schale ist da – nur der Kern nicht. Was fehlt, ist beispielsweise eine Auseinandersetzung damit, wie ungleich das Begehren von Männern und Frauen im Mainstreamkino besetzt ist. Die Lust heterosexueller Männer ist im Film überrepräsentiert und hat die Darstellung von Frauen und Sex über lange Zeit geprägt (Stichwort: the male gaze). Das Begehren von Frauen hingegen ist oft entweder unsichtbar oder furchterregend. Nicht so in den Magic Mike Filmen – hier haben sowohl Frauen als auch Männer Spaß am Sex. Trotzdem fällt es dem Film schwer, weibliches Begehren jenseits gegenderter Rollenmuster darzustellen.

Filmstill einer Tanzszene aus Magic Mike - The Last Dance

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Claudette Barius

Ein gutes Beispiel ist der mittlerweile zum Markenzeichen gewordene Magic Mike Lap dance. Hier holen sich die Tänzer eine Frau aus dem Publikum auf die Bühne – was als Lap dance beginnt, endet in der Regel in dry humping. Die Frau wird zum Teil der Show, sie wird zur Tanzrequisite. Sie ist dabei vor allem eins: passiv. Lediglich eine Tanzszene in The Last Dance hat dem etwas entgegenzusetzen: Während einer Probe tanzt Max spontan einen Salsa. Dabei sucht sie sich ihre Partner selbst aus und bewegt sich zu ihrem eigenen Vergnügen – nicht für das Publikum. Statt Lustobjekt oder Requisite zu sein, initiiert sie hier Tanz und Annäherung.

Channing Tatum als Mike Lane und Kylie Shea als Ballerina in einer Tanzszene im Regen

Channing Tatum und Kylie Shea © 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Courtesy of Warner.

Im Gegensatz zu den Vorgängerfilmen gibt es in The Last Dance auch eine Tanznummer zwischen Mike und einer professionellen Tänzerin (Kylie Shea). Anders als beim Lap dance ist die Frau hier nicht Requisite, sondern Partnerin. Und trotzdem ist die Performance von einer geschlechterspezifischen Rollenverteilung mit Hebefiguren und männlicher Führung geprägt. Der Tanz spiegelt hier eine konservative Sicht auf heterosexuelle Beziehungen, die Männer wie Frauen in vorgegebene Muster zwängt. In einem Film, der seine Geschichte wie selbstverständlich in Tanzsequenzen erzählt, ist es schade, dass die klassische Rollenverteilung von aktiv und passiv kaum hinterfragt wird.

Consent, Macht und Konsum

„Du musst um Erlaubnis fragen,” sagt Mike zu einem seiner Tänzer. „Und sobald Du die Erlaubnis hast, kannst Du sie behalten.” Das Bitten um Erlaubnis ist in The Last Dance Teil der Tanzchoreografie. Die Tänzer gehen auf die Knie und bitten die Dame, die sei zuvor aus dem Publikum geholt haben, per Handkuss um Erlaubnis. Keine einzige verweigert je ihr Einverständnis. Vor Hunderten von Menschen „Nein” zu sagen, wäre in der Tat ziemlich schwer. Klingt irgendwie vertraut, oder? Der Film verpasst hier die Chance, Consent in heterosexuellen Beziehungen ehrlich zu reflektieren. Denn neben Einverständnis bedeutet Consent eben auch Kommunikation und zwar nicht nur einmal, sondern fortlaufend.

JEMILIA GEORGE als Zadie Rattigan und CHANNING TATUM als Mike Lane unterhalten sich in der Kuche. Zadie sitzt hinter ihrem Macbook, Mike hat eine Flasche Fiji Water vor sich stehen

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Claudette Barius

Jenseits der Tanzfläche sind die weiblichen Figuren im Film aktive, komplex geformte Figuren. Max hält in der Beziehung zu Mike die ökonomischen Zügel in der Hand. Zwar stellt sich heraus, dass sie auf das Geld ihres (beinahe) ex Mannes angewiesen ist, für weite Teile des Films ist Mike als ihr Angestellter finanziell trotzdem von ihr abhängig – jedenfalls theoretisch. Wie schon in den Vorgängerfilmen gibt es eine deutliche Verbindung zwischen Lust und Konsum – ein Thema, das zwar ständig mitschwingt (der Film ist voll mit Produktplatzierung), aber nie wirklich aufgegriffen wird.

Was Frauen wollen – Teil II: Sixpacks und Lap dance

„Eine Frau kann haben, was sie will, wann immer sie will,” sagt Hannah (Juliette Motatmet), die auf der Bühne eine Art Stimme der Frauen im Publikum darstellt. Aber was wollen Frauen eigentlich? Mikes Show und auch der Film versprechen, die wildesten Fantasien von Frauen zu erfüllen. Am Ende heißt das aber:  Lap dance und Männer oben ohne. Die Magic Mike Filme stellen nur eine Art von erotischem Begehren da. Begehren jenseits von Sixpacks oder Erotik ohne Sex kann sich der Film nicht vorstellen.

Salma Hayek und Channing Tatum kurz vorm Kuss in Magic Mike - The Last Dance mit pink-lilanem Hintergrund

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures

Fans der Vorgängerfilme kommen auch in Magic Mike – The Last Dance auf ihre Kosten und Spaß macht der Film zweifellos. Es ist dabei nur schade, dass er lediglich an heterosexuelle Frauen vermarktet wird. Filme nach Gender in „für Frauen” und „für Männer” einzuteilen ist natürlich unsinnig. Trotzdem bewegt sich das Marketing von The Last Dance entlang dieser Grenzen – beispielsweise wird der Film im Rahmen zahlreicher Previews gezeigt, die sich an Frauen richten, zu denen allerdings – hier ein kleiner Tipp – mensch unabhängig vom Gender gehen darf (es gibt in der Regel gratis Sekt). Der Film hat für heterosexuelle Männer womöglich noch einen größeren Mehrwert als für Frauen. Denn wie schon Magic Mike XXL setzt sich auch The Last Dance mit Männlichkeit auseinander. Während Magic Mike XXL davon erzählte, wie unterschiedlich heterosexuelle cis Männlichkeit gelebt werden kann, nährt The Last Dance sich aus männlich-heterosexueller Perspektive an weibliche Lust, consent und Intimität an und denkt darüber nach, wie ein respektvoller Umgang miteinander aussehen könnte.

Kinostart: 9. Februar 2023

Theresa Rodewald