Der furchterregende Sexualtrieb der Frau
Ursprünglich erschienen auf Moviepilot.de
Eigentlich geht der Film Wie beim ersten Mal selbst in den Augen der kleinen Feministin in mir ganz gut los: Hausfrau Kay (Meryl Streep) sehnt sich nicht nur nach zwischenmenschlicher, sondern auch nach körperlicher Nähe zu ihrem Ehemann Arnold (Tommy Lee Jones), ergreift die Initiative und überredet ihn zu einer unverschämt teuren Paartherapie bei dem berühmten Psychiater Dr. Feld (Steve Carell). Großartig, könnten wir da denken, eine Frau, deren sexuelle Bedürfnisse nicht nur angedeutet werden, sondern die diesen auch noch tatkräftig Ausdruck verleiht! Endlich hat Hollywood verstanden, dass Frauen auch gerne vögeln! Aber ganz so revolutionär ist Wie beim ersten Mal dann am Ende leider doch nicht. Bevor ich euch den Umfang meiner Enttäuschung darlege, möchte ich jedoch erst einmal ein paar allgemeine Worte über die filmische Darstellung weiblicher Sexualität loswerden.
Weibliche Sexualität als Gefahr
Die Sexualität der Frau ist ein gemeingefährliches Phänomen. Das weiß auch das Kino nicht erst seit heute. Schon 1942 verfilmte Jacques Tourneur erstmals Katzenmenschen, einen der vielen Filme, in denen die sexuelle Identität einer Frau Anlass zu Furcht und Schrecken gibt. Die Protagonistin glaubt mit einem Fluch belegt zu sein, der sie im Moment sexueller Erregung in eine mordlustige Raubkatze verwandelt. Es bedarf nun wirklich keiner tieferen Kenntnis der Psychoanalyse, um hier die männliche Angst vor der weiblichen Libido herauszulesen. Anspielungen dieser Art finden sich im Kino übrigens zu Hauf. Eine andere Art Damen für die Umsetzung erotischer Fantasien abzustrafen fand sich erst kürzlich im Twilight-Franchise. Bella (Kristen Stewart), die über drei Filme hinweg versucht hatte, ihren Vampir zu verführen, wird im vierten Teil mit einer fast tödlichen Schwangerschaft für ihre Sexkapaden bestraft. Aber Beispiele gibt es auch jenseits zweifelhafter Teeny-Romanzen. So stellt die TV-Serie Sex and the City zwar weibliche Protagonistinnen in den Mittelpunkt, die sich über ihr Liebesleben austauschen, doch wird die sexuell aktivste, Karrierefrau Samantha (Kim Cattrall), für ihre Wollust mit Krebs und Einsamkeit bestraft.
Eine glorreiche Persiflage auf diese Furcht vor weiblicher Sexualität stellt übrigens die Satire Teeth – Wer zuletzt beißt, beißt am besten von Mitchell Lichtenstein dar, die hierzulande – wieso nur? – lediglich auf DVD erschienen ist. Hier wird der Kult um die weibliche Jungfräulichkeit und das Erwachen der erotischen Lüste einer jungen Frau treffend auf die Schippe genommen. Bezeichnend ist beispielsweise, dass im Schulbuch der Protagonistin das Bild der weiblichen Sexualorgane mit einem Sticker überklebt sind, während der männliche Penis den Schülern in voller Pracht präsentiert werden darf. Die Vagina im Zentrum der Geschichte stellt hier übrigens nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz praktisch eine Bedrohung für die Männlichkeit der beteiligten Jungen dar.
Weibliche Sexualität als Krankheit
Im letzten Jahr schien das Kino gar kritische Töne anzuschlagen. Die Unterdrückung des weiblichen Sexualtriebs wurde gleich mehrfach thematisiert. In Eine dunkle Begierde erzählte uns David Cronenberg von Sabina Spielrein (Keira Knightley) und ihrem Kampf gegen ihre durch sexuelle Scham ausgelöste Psychose. Durch das offene Gespräch und das Ausleben ihrer Fantasien mit Carl Gustav Jung (Michael Fassbender) erfährt die junge Frau im Film Heilung. Ihre Sexualität jedoch wird innerhalb der Logik des Films pathologisiert und entspringt nicht dem als normal zu erachtenden Sexualtrieb der Frau, sondern einem Kindheitstrauma der Hauptfigur.
Nur wenige Monate später griff ein weiterer Film das Thema der Hysterie wieder auf. In guten Händen von Tanya Wexler befasst sich mit der Erfindung des Vibrators, der in der Tat ursprünglich nicht als Freudenbringer dienen, sondern Frauen von hysterischen Symptomen kurieren sollte. Aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen stellt die RegisseurIN jedoch eine männliche Figur in den Mittelpunkt, wodurch es im Grunde weniger um die sexuellen Bedürfnisse der Frauen und deutlich stärker um die Potenz des Mannes geht, der nun mit Hilfe seiner Erfindung nicht nur eine, nein, hunderte von Frauen erfolgreich befriedigen kann. Juchei!
Zu diesem Thema könnte frau noch so viel mehr sagen. Dass Magic Mike weibliche Sexualität nur komödiantisch zu beleuchten weiß, habe ich ja bereits in einer meiner letzten Kolumnen besprochen. Erwähnenswert ist zudem, dass das Gros der Teeny-Komödien á la American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen Jungs in den Mittelpunkt stellt, die nach dem Verlust ihrer Jungfräulichkeit trachten, während Mädchen in diesen Konzepten meist nur die Beute, nicht aber Subjekte mit eigenen sexuellen Bedürfnissen darstellen. Aber das nur am Rande.
Wie beim ersten Mal oder wie frau eine Ehe rettet
Zurück zu dem Film, mit dem diese ganze Überlegung ihren Anfang nahm. Wer völlig unbefleckt und spoilerfrei ins Kino gehen möchte, sollte diesen Abschnitt übrigens aussparen. Aber ich glaube, die obigen Denkanstöße reichen zum Begreifen des Problems im Grunde aus. Also zurück zu Kay und Arnold. Wie nämlich wird die Beziehungskriese durch Dr. Feld angegangen? Es ist Kay, die einen Sexratgeber in die Hand gedrückt bekommt, um ihrem Mann die Befriedigung zu verschaffen, die er vermisst. Nicht Arnold wird in die Künste des Cunnilingus eingeführt, sondern die Frau soll mit einer Banane zur Profi-Bläserin ausgebildet werden. Endgültig auf die Barrikaden aber geht die kleine Feministin in mir, wenn Kay auf die Frage nach ihren sexuellen Fantasien keine Antwort zu geben weiß. Ist doch klar: Frauen haben keine sexuellen Fantasien! Deshalb dient jedwede Bettgymnastik auch primär der Befriedigung des Mannes. Und mit dieser Botschaft verschwindet das weiblich dominierte Publikum dieser Romantic Comedy ins Schlafzimmer, verkneift sich erfolgreich die eigenen erotischen Wünsche und sitzt dann mit diversen Neurosen bei ihrem Psychiater auf der Couch. Dass der ihr einen Vibrator oder einen befriedigenden Seitensprung verschreibt, möchte ich an dieser Stelle jedoch wirklich bezweifeln!
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