Unicorn Store

von Sophie Brakemeier

Es ist eine durch und durch konträre Komposition, mit der die Handlung von Unicorn Store, Brie Larsons (Captain Marvel) Regiedebüt beginnt. Kit (gespielt von Brie Larson selbst) arbeitet, in Gesicht und Körper beschmiert mit den schönsten Pastellfarben, an ihrem Selbstporträt in der Kunsthochschule. Fast wie im Wahn schafft sie einen Traum aus lila, türkis und Glitzer. In der Totale dann die erschreckende Ernüchterung: Im Schwarz und Weiß der Galerie ist ihr Werk vollkommen fehl am Platz. Die biederen Prüfer_innen schauen voller Abscheu auf sie und ihr Bild, bewerten es einstimmig als “poor” (ungenügend) und schütteln langsam die Köpfe. Als Kit beiseite tritt, offenbart sie ihr Selbstporträt als liebevoll gezeichnetes Einhorn mit bunter Mähne und schneeweißem Fell.

Es scheint, als würde Brie Larson mit dieser ersten Szene ganz deutlich machen wollen, worum es ihr mit Unicorn Store geht. Genauso wie das Bild, strotzt der Film nur so vor den bunten Fantasien, die mensch* oft jungen Mädchen* andichtet. Genauso wie Kit, will Brie Larson diese Fantasien als gleichwertigen Teil einer erwachsenen Identität präsentieren – und muss sich dabei Kritik gefallen lassen. Denn während Unicorn Store vollkommen in seiner Affirmation des Kindlichen  aufgeht, erzählt der Film dann doch eine Geschichte von tradierten Rollen und Anpassung.

© Netflix

Die Handlung ist schnell erzählt und, trotz fantastischer Anleihen, genauso schnell verdaut. Nachdem Kit von der Kunsthochschule fliegt, zieht sie zurück zu ihren Eltern Gladys (Joan Cusack) und Gene (Bradley Whitford) und beginnt kurz darauf, geplagt von dem Gedanken als Erwachsene versagt zu haben, als Kopierhilfe in einer Werbeagentur zu arbeiten. Ab diesem Moment werden ihr mysteriöse Briefe zugeschickt, die sie in “The Store” einladen, ein Geschäft, in dem es angeblich alles gibt, was das Herz begehrt. Dort angekommen bietet ihr der nicht minder mysteriöse Verkäufer (Samuel L. Jackson) die Erfüllung ihres sehnlichsten Kindheitswunsches an: ein eigenes Einhorn. Bevor sie es haben darf, muss Kit allerdings beweisen, dass sie genug Verantwortungsbewusstsein besitzt, um sich um dieses ungewöhnliche Einhorn zu kümmern. Zusammen mit Handwerker Virgil (Mahmoudou Athie) stellt sie sich dieser Herausforderung und lernt dabei das “Erwachsensein” von einer ganz anderen Seite kennen.

Die Geschichte von Unicorn Store kann mensch* nicht anders bezeichnen als sehr, sehr leichte Kost. In der dramatischen Zuspitzung des Konflikts zwischen Kits neuem Leben als seriöse Angestellte und ihrem Wunsch nach dem Einhorn, verliert die Heldin den Glauben an das ihr versprochene Tier und will sich resigniert eingestehen, betrogen worden zu sein. Ganze 8 Minuten lässt der Film uns dabei in dem Glauben, dass Kit sich “The Store” nur eingebildet und die ganze Zeit einem Phantom nachgejagt habe. Ganze 8 Minuten Zweifel und verlorene Hoffnung traut Brie Larson uns zu, bevor sich alles wieder zum Guten wendet. Das passt zwar ausgezeichnet zum flauschig-süßen Wohlfühlfaktor des Films, den diese 8 Minuten absolut nicht brechen können, sorgt aber auch dafür, dass die Themen des Films, nicht die Art von Ernsthaftigkeit erfahren, die sie verdienen.

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Denn hinter der gefühlvoll-witzigen, pastellfarbenen Fassade von Unicorn Store, hinter dem lebensbejahenden Motto, das ganz banal aussagt “Verlier nie deine Kindheitsträume aus den Augen!”, verpasst der Film es, dort Stellung zu beziehen, wo es bitter nötig gewesen wäre. Die belästigenden Machtspielchen, die Kits Chef Gary (Hamish Linklater) inszeniert, werden an keiner Stelle sanktioniert. Die sexistischen Staubsauger-Werbestrategien bleiben unkommentiert und erfolgreich.

Der Film verwendet soviel Energie auf die Bejahung des inneren Kindes, auf die Dekonstruktion normativer Vorstellung von “Erwachsensein”, dass vollkommen in den Hintergrund gedrängt wird, wie nicht nur Erwartungen von Reife und Anpassung unseren Platz in der Gesellschaft beeinflussen, sondern besonders auch Vorstellungen von Geschlecht.

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Es ist offensichtlich, dass Brie Larson diesen Film hauptsächlich für und über sich selbst gedreht hat. Sie ist es auch, die als Hauptdarstellerin diesen Film alleine trägt (zumal Samuel L. Jacksons Rolle definitiv zu wenig Screentime hat). Ihr Mienenspiel ist dabei wirklich herausragend, ihr Dialogwitz pfiffig und ihre naive Kindlichkeit an den meisten Stellen authentisch. Wenn Kit aber Virgil fragt, ob sie gut genug aussehe, um sexuell belästigt zu werden, wirft dies doch Zweifel am “Girlpower”-Motto auf, dass die Heldin an einer Kette um den Hals trägt. Geht es hier wirklich um einen feministischen Standpunkt oder doch eher um den Begriff “girl”?  Die Zielgruppe jedenfalls dürfte hier eindeutig sein: Mädchen* und nicht Feministinnen werden mit Unicorn Store angesprochen.

Das ist auch okay. Nur weil ein Film von einer Frau* gedreht wurde, muss er nicht zwangsläufig feministisch sein. Aber seine inhärenten Geschlechterhierarchien sollten dennoch kritisiert werden dürfen – vor allem, wenn sie im quietschfidelen Trubel aus Einhörnern und Regenbögen, ordinärer Hollywood-Ästhetik und sympathischen Figuren unsichtbar zu werden drohen.

Sophie Brakemeier