Mädelstrip – Pseudofeminismus weißer Frauen*
Amy Schumer ist streitbar. Einerseits gehört sie zu eben jenen feministischen Rampensäuen des 21. Jahrhundert, die ein neues Frauen*bild abseits des Heidi Klum Ideals prägen und damit als emanzipatorisch wertvolle Rollenmodelle fungieren. Gleichzeitig aber ist Schumer auch schon wegen rassistischer Witze in die Kritik geraten. In gewisser Weise ist der Film Mädelstrip, in dem sie die Hauptrolle spielt, ein Spiegel jener widersprüchlichen Persönlichkeitsanteile, denn auch die Komödie von Jonathan Levine ist zugleich feministisch wie auch rassistisch und inszeniert das Empowerment der Heldin auf höchst fragwürdigen Wegen.
Gut gemeint ist nicht genug
Eigentlich ist die Geschichte von Mädelstrip vielversprechend. Die ungewöhnliche weibliche* Hauptfigur Emily (Amy Schumer) erinnert eher an den stereotypen Mittdreißiger-Antihelden, schippert sie doch recht ziellos durch ihr Leben statt das klassisch weibliche* Überengagement an den Tag zu lagen. Als ihr Freund sie verlässt, weil er sich als Rockstar gerne von mehr als einer Pussy inspirieren lassen möchte, denkt sie gar nicht daran, ihre geplante Ecuador-Reise abzusagen, sondern nimmt kurzerhand ihre Mutter Linda (Goldie Hawn) ins Schlepptau. Doch die glaubwürdigen Mutter-Tochter-Konflikte, die wohl so manche Zuschauer_innen an Streitgespräche mit den eigenen Eltern erinnern dürften, bleiben nicht die einzige Herausforderung der Reise: Emily und Linda werden entführt.
Im Zentrum der Geschichte stehen zwei Frauen* unterschiedlichen Alters, die nicht dem Hollywood-Schönheits- und Schlankheitsideal entsprechen und die mit ihrer Notlage keinen Helden auf den Plan rufen, sondern sich selbst zu helfen wissen. Mit den männlichen* Figuren geht der Film überaus kritisch ins Gericht: neben Emilys Ex-Freund ist da beispielsweise noch ihr lebensunfähiger Muttersöhnchen-Bruder und ein Möchtegern Indiana Jones im kolumbianischen Dschungel, dessen Ausspruch „I go first, cause I’m the man“ (= Ich gehe als erster, denn ich bin der Mann) sein letzter sein wird.
Klingt erst mal interessant. Ist es aber nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass der Film in Hinblick auf komödiantische Überzeichnung und Slapstick zuverlässig über das Ziel hinaus schießt.
Ein dickes Ding
Ich habe ja meine Freude an Amy Schumers Körper schon zum Ausdruck gebracht. Es ist großartig, dass auch Frauen* ohne gesundheitskritische Modelmaße Hauptrollen spielen dürfen. Leider macht Mädelstrip das Gewicht seiner Heldin mehrfach auf unerfreuliche Weise zum Thema. Emily wirkt niemals wirklich sexy, sondern stets lustig, weil – so die hier implizite Annahme – dicke Menschen ja eigentlich gar nicht wirklich sexy sein können. Mich erinnerte die Inszenierung von Schumers Körperlichkeit ein bisschen an Filme mit Melissa McCarthy, wie z.B. Spy: Susan Cooper Undercover, die oft nicht müde werden zu betonen, dass die dicke Figur ja „trotzdem“ begehrenswert sein könne, was Zuschauende jedoch in der Position, dick sei unsexy, bestärkt statt herausfordert.
Mir fällt es schwer zu verstehen, warum Darstellerinnen wie Schumer oder McCarthy Rollen annehmen, in denen ihre erotische Ausstellung auf komödiantische Effekte reduziert wird oder sie gar, wie im Falle von Mädelstrip, dezidiert unattraktiv wirken. So gibt es beispielsweise hier eine Szene, in der Emily volltrunken im Hotelbett entspannt und laut hörbar furzt. Was in einem anderen Kontext als ermächtigend gelten könnte, weil – tatsächlich! – Frauen* haben auch eine Verdauung, dient hier ausschließlich dazu, die Figur ins Lächerliche zu ziehen und sie als besonders unattraktiv zu inszenieren. Und wenn Linda ihrer Tochter später sagt, dass sie mit ihrem Gewicht perfekt wäre, dann entsteht zugleich der Eindruck, dass dies einmal zur Debatte gestanden hätte. Wirklich emanzipiert und körperpositiv aber wäre, Emilys Figur einfach GAR nicht zu thematisieren und sie genauso zu behandeln und zu filmen wie eine klassische Hollywoodschönheit.
Lesben ohne Liebe
Im Hotel in Ecuador lernen Emily und Linda zwei amerikanische Frauen* kennen, die – so scheint es – hier als lesbisches Paar ihren Beitrag zur Diversität der Figuren leisten sollen. Abgesehen davon jedoch, dass sie gemeinsam reisen und durch ihr burschikoses Auftreten das Abziehbild der Kampflesbe performieren, ist den Frauen* ihre Liebe zueinander nicht anzusehen. Warum Ruth (Wanda Sykes) und Barb (Joan Cusack), denen nicht einmal Nachnamen vergönnt sind, überhaupt in dieser Konstellation in die Geschichte eingeführt werden, bleibt – zumindest mir – ein absolutes Rätsel. Ebenfalls zum Stirnrunzeln ist der Umstand, dass Barb als ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit charakterisiert wird, was sie denn auch in akrobatischen Stunts zu beweisen weiß, jedoch innerhalb des Films die einzige Frau* bleibt, die jenseits des Mode-Einzelhandels einer Erwerbstätigkeit nachgeht.
Wo sind all die Frauen* hin?
Während Mädelstrip oberflächlich feministisch tut, nimmt der Film bei genauerem Hinsehen eine erschreckende Marginalisierung von Frauen*figuren vor! Von den zwei Heldinnen und ihren pseudo-lesbischen Sidekicks einmal abgesehen, gibt es in der Welt dieses Films so gut wie keine Frauen*. Insbesondere in dem Teil des Geschichte, der in Südamerika spielt, sticht die Abwesenheit von weiblichen* Nebenrollen ins Auge. Es ist, als gäbe es in Ecuador und Kolumbien einfach keine Einwohnerinnen. Das Hotel-Personal, die Bösewichte und alle weiteren Sprechrollen, auf die Emily und Linda im Zuge ihres Abenteuers treffen, sind männlich. Alle! Nur an einer einzigen Stelle tauchen in Kolumbien Frauen* auf. Es sind „Indianerinnen“ (der politisch unkorrekte Begriff ist hier bewusst eingesetzt, um die stereotype Figurenzeichnung zu unterstreichen). Auf den rassistischen Teil des Filmkonzepts werde ich gleich noch detaillierter eingehen. An dieser Stelle möchte ich jedoch auf den schockierenden Umstand hinweisen, dass die Frauen*, die Emily und Linda bei einem gastfreundlichen indigenen Stamm im Dschungel antreffen, komplett stumm sind und nichts anderes tun, als Wasserkrüge durch die Gegend zu tragen und Kleidung zu überreichen. Echt wahr! Das Bild indigener Frauen* in Mädelstrip entspricht in etwa diesem Ausschnitt aus dem Dschungelbuch:
Die grüne Hölle Lateinamerika
Am verstörendsten in Mädelstrip ist für mich persönlich der Umgang des Films mit seinem Spielort in Lateinamerika. Behauptet Emily zu Beginn des Films noch, sich diesmal für ein weniger touristisches Reiseziel entschieden zu haben, endet sie schließlich in einem jener Hotelkomplexe, die – überall auf der Welt identisch – keinerlei Zugang zur örtlichen Kultur ermöglichen. Natürlich spricht sie auch nicht ein einziges Wort Spanisch und vertritt somit eben jenen Tourismus, den zumindest ich hochgradig unsympathisch finde. Wenn sich der große Bösewicht schließlich vor Emily aufbaut und ihr seine gesammelten Antipathien für überhebliche, rücksichts- wie auch ahnungslose Tourist_innen entgegenblafft, wollen wir als Zuschauende eigentlich Applaus klatschen.
Nun wäre ja ein gewisses Maß an Vorurteilen durchaus auch ein Anknüpfungspunkt für Zuschauende. So glaubt beispielsweise Linda, dass sie außerhalb der schützenden Mauern ihres All Inclusive Bunkers der permanenten Bedrohung durch eine Entführung ausgesetzt wäre. Statt diesen Bullshit jedoch Lügen zu strafen, erzählt der Film dann genau das: Emily und Linda verlassen ihren Hotelkomplex und werden entführt. Weil… das in Lateinamerika eben so ist?!
Von diesem äußerst fragwürdigen Charakteristikum lateinamerikanischer Länder abgesehen wird dem Publikum keinerlei Einblick in die ecuadorianische oder kolumbianische Kultur geboten. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis der erste spanische Satz fällt und die, die auf ihn folgen, lassen sich an einer Hand abzählen. Es gibt keinerlei Versuche, ein auch nur halbwegs realistisches Bild des Spielorts zu zeichnen, und anstelle dessen nur eine Aneinanderreihung von haarsträubenden Stereotypen.
Den rassistischen Höhepunkt erreicht der Film im schon erwähnten Dorf im Dschungel. Dort wird Emily durch einen klassischen Mediziner von ihrem Bandwurm befreit (ein Glück ist sie nicht an einen traditionellen Schamanen geraten, der sich im Dschungel auskennt!). Diesem klassischen, also westlichen Schuldmediziner steht ein indigener Assistent zur Seite, dessen englischer Wortschatz sich auf ein einziges banales Wort beschränkt und der auch davon abgesehen hochgradig debil und naiv wirkt. Und ich hatte geglaubt, das Bild des „noblen Indianern“ wäre mit dem klassischen Western Mitte des letzten Jahrhunderts untergegangen…
Was wir aus Mädelstrip dennoch lernen können
Mädelstrip ist ein weiteres mahnendes Beispiel dafür, dass eine „starke“ Heldinnenfigur noch lange keine Garantin für einen emanzipatorisch wertvollen Film und schon gar nicht für eine diskriminierungsfreie Figurenzeichnung darstellt. Mädelstrip zeigt außerdem die Notwendigkeit intersektional-feministischer Betrachtungen, die nicht nur weiße heterosexuelle Frauen ohne Behinderung aus westlichen Gesellschaften in den Blick nimmt. Mädelstrip ist als mahnendes Beispiel vielleicht von Bedeutung, als Kinofilm jedoch mit Sicherheit nicht.
Kinostart: 15. Juni 2017
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