Macbeth und die bösen Frauen
William Shakespeare ist vermutlich der beliebteste Dramatiker des Kinos, was daran liegen mag, dass Geschichten von Macht und Verrat bedauerlich zeitlos sind. Dennoch lässt sich bemängeln, dass nicht mehr Shakespeare-Verfilmungen von Regisseurinnen entstehen, die den Erzählungen eine neue, weibliche Perspektive verleihen. Oder auch, dass nicht mehr Stücke von Dramatikerinnen für die Leinwand adaptiert werden. Doch das nur am Rande.
Macbeth, das wissen wohl die meisten, ist ein brutaler König, der über seinen eigenen teuflischen Machenschaften den Verstand verliert. Was zumindest mir, die ich das Stück bislang weder gesehen noch gelesen habe, vor der Sichtung des aktuellen Films von Justin Kurzel jedoch nicht klar war, ist die Rolle der Frauen in dieser Mär von den Übeln der Machtgier.
Vielleicht erst einmal ein kleiner Blick zurück auf die Shakespeare-Adaptionen, die mir zuerst in den Sinn kommen – eine völlig subjektive Auswahl also. Da wäre zum einen Romeo & Julia von Baz Luhrmann, in der eine böse Frau, nämlich die Gräfin Capulet, auf zumindest in Luhrmanns Darstellung hysterische Weise Romeos Tod einfordert und seine Verbannung erwirkt. Als zweites denke ich an Cymbeline, jüngst verfilmt durch Michael Almereyda, ein eher unbekanntes Stück Shakespeares, in dem eine diabolische Stiefmutter mit ihren Intrigen eine Familie zerstört. Frauen, die Männer mehr oder weniger subtil zu Verbrechen anstiften, gibt es also offenbar nicht nur in Macbeth.
Doch zurück zu Kurzels ausnehmend düsterer und athmosphärischer Inszenierung, in der Macbeth maßgeblich durch den Einfluss böser Frauen zum Schreckensherrscher wird, also in eine Opferrolle gerät, in der er für die eigenen Handlungen nur noch bedingt verantwortlich gemacht werden kann. Es sind Hexen, die Macbeth mit ihren Prophezeiungen zum Unheil anstiften. Sie sagen ihm eine Zukunft als König ebenso voraus wie den Umstand, dass er keinen Thronfolger zeugen wird. Damit ist nicht nur das vorzeitige Ende seiner Herrschaft vorhergesagt, sondern insbesondere auch seine Männlichkeit in Frage gestellt. Als seinem Begleiter Banquo königliche Nachkommenschaft prophezeit wird, ist die Feindschaft zwischen den beiden Männern vorprogrammiert.
Die durch die Hexen verursachte glimmende Männlichkeitskrise des Macbeth wird anschließend durch seine traute Ehefrau zu einem lodernden Feuer geschürt. Mit der Aufforderung, doch bitte ein ganzer Kerl zu sein, treibt Lady Macbeth ihren Gatten zum hinterlistigen Mord an seinem König. Wenig überraschend macht dies Macbeth jedoch nicht automatisch männlicher: Es ist die zukünftige Königin, die letztlich die letzten Spuren und damit die Pfuscherei ihres Ehemanns verwischt. Selbst ist die Frau – zumindest dann, wenn es um mörderische Intrigen geht.
Macbeth kommt über seine eigenen Taten nicht hinweg und verliert den Verstand. Er ist das Opfer weiblicher Hexerei, Prophezeiungen und Manipulation geworden, die ihn gezielt da getroffen haben, wo es am meisten Schmerz: an seinem männlichen Ego. Die Frau ist bei all dem nur scheinbar die stärkere Figur, die einen unsicheren Mann zu einem Mord verleitet. Tatsächlich ist Macbeth seiner intriganten Frau moralisch überlegen. Shakespeares Macbeth entlarvt also kein männliches Heldenideal, sondern unterstreicht es!
Lady Macbeth wiederum untermauert das Klischee, dass Frauen zwar physisch schwächer, dafür aber umso hinterhältiger seien und ihre Ziele eben nicht im ehrlichen Zweikampf, sondern durch Intrigen erreichten. Ihr fehlt nicht nur der Edelmut, den ihr Gatte vor der fiesen Einmischung der Frauen an den Tag legt, letztlich ist sie auch gänzlich charakterschwächer als ihr Gatte. Und dies ist freilich wieder ein Klischee: Der Mann wird blutrünstig, die Frau depressiv. Der Mann externalisiert Gewalt, die Frau richtet sie gegen sich selbst.
Immerhin verzichtet Kurzel darauf, Lady Macbeth als Sexobjekt zu inszenieren, auch wenn sie ihre Sexualität hier freilich nur aus Berechnung einsetzt, denn weibliche Lust – so lehrt uns das Kino seit Jahrzehnten – existiert ja eigentlich nicht. In Anbetracht all dieser Stereotypen wirkt die Eingangsszene wie blanker Hohn: Die Bestattung ihres Kindes soll der Intrigantin wohl einen Grund für ihr Handeln geben, der behaupteten ureigenen Bösartigkeit des Weibes so etwas wie einen Hintergrund und der Figur damit einen Charakter verleihen. Dieser viel zu simple Mechanismus ist jedoch zu gnadenlosem Scheitern verurteilt.
Nun denn. Herr Shakespeare hatte offenbar eine große Skepsis gegenüber der weiblichen Spezies. Das können wir Justin Kurzel nicht anlasten. Doch ich bestehe darauf – wie schon im Fall von Unbroken und Everest – dass das Abschieben der Verantwortung auf die literarische Quelle oder vermeintlich wahre Ereignisse eine billige Ausrede darstellt. Denn wie schon eingangs erwähnt: Nichts spräche dagegen, mal andere Geschichten als die von Männern über Männer zu erzählen. Ebenso wenig wie etwas dagegen spräche, alten Geschichten einen neuen Anstrich zu verleihen und die künstlerische Freiheit der Filmregie für einen Perspektivwechsel zu nutzen, zum Beispiel um die altbekannte Geschichte aus der Sicht der Frau zu erzählen.
Aber aller Kritik zum Trotz: Macbeth ist ein wirklich sehenswerter Film geworden. Auch das darf hier nicht ungesagt bleiben.
Kinostart: 29. Oktober 2015
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