Interview: Susann S. Reck von der Queer Media Society
Vergangenes Jahr rief Kai S. Pieck die Queer Media Society ins Leben, um sich für die gleichberechtigte Repräsentation von queeren Menschen in den Medien einzusetzen. Auf der diesjährigen Berlinale stellte sich die Organisation erstmalig öffentlich vor und auch beim Filmfest war sie wieder vertreten, diesmal mit einem Panel zum Thema „Outing“.
Ich war selbst bei einigen Berliner Netzwerktreffen mit dabei und verfolge daher die Aktivitäten der Organisation mit großem Interesse. Und so war es mir eine besondere Freude die Regisseurin und Autorin Susann S. Reck (Blender), selbst QMS-Netzwerkerin, am Rande des Filmfest München zu interviewen – über die Anfänge und Ziele der QMS und das Thema Queerness.
Wie bist Du zur QMS gekommen?
Eigentlich von mehreren Seiten. Zum einen haben mich Freundinnen darauf aufmerksam gemacht und ich habe dann gegoogelt, mir das durchgelesen und befunden, dass Kai S. Pieck einen Nerv trifft. Gerade in den letzten Jahren ist nicht genug für queere Menschen und Diversität gemacht worden. Das ist mir sofort eingeleuchtet. Also habe ich ihn angeschrieben und jetzt engagiere ich mich in der QMS.
Was genau meinst Du mit „Nerv getroffen“?
Ich denke, dass es mal eine bessere Zeit gab – ich spreche jetzt nur für den Filmbereich. Es gab eine Zeit, in der es dem Queer Cinema auch in Deutschland relativ gut ging, mit Personen wie Monika Treut und Rosa von Praunheim, und das ist dann abgeebbt. Und es ist nicht mehr wirklich etwas nachgekommen. Im Moment ist viel im Gang, gerade durch Pro Quote Regie, dann durch Pro Quote Film, und da liegt die Frage nahe, inwieweit wir als queere Menschen da vertreten sind beziehungsweise inwiefern wir auch mehr für uns selbst tun müssen. Auch wenn Pro Quote eine wahnsinnig wichtige Arbeit macht, können wir als queere Menschen noch einen großen Beitrag leisten.
„Welche Ziele können wir entwickeln?“
Aber die QMS engagiert sich ja nicht nur im Bereich Kino.
Wir bauen gerade sieben Sektionen auf. Das sind: Literatur/Verlagswesen, Film/TV/Radio/Web, Musik, Werbung, Journalismus, Bühne/Event und Games. Film ist gut vertreten, Journalismus auch, Literatur wird immer mehr und bei Werbung, Bühne und Games hapert es noch. Wir sind im Moment primär dabei, Kontakte zu knüpfen und für die verschiedenen Sektionen Leute zu finden, die sich engagieren wollen.
Wie ist die QMS strukturell organisiert?
Bislang ist es einfach ein Netzwerk. Jeder kann mitmachen – je nachdem, in welchem Bereich Du arbeitest in der jeweiligen Sektion. Die Idee ist, dass Arbeitsgemeinschaften oder auch Gesprächsrunden gegründet werden, je nachdem was ansteht. Beim Film haben wir natürlich andere Prioritäten als in der Literatur. Das versuchen wir gerade herauszufinden: Worum geht es in den einzelnen Sektionen? Welche Ziele können wir entwickeln?
Woran arbeitet ihr gerade im Bereich Film?
Wir versuchen in die Politik Kontakte aufzubauen, haben für die FFG Novelle, also die Erneuerung des Filmförderungsgesetzes, für die Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine Empfehlung ausgesprochen, was sich in Bezug auf Diversity ändern sollte. Wir haben außerdem einen Workshop ins Leben gerufen, das QueerLab, das sektionsübergreifend arbeiten soll. Da ist die Idee, dass sowohl Leute vom Film als auch von der Literatur zu uns kommen und wir uns überlegen, was wir machen können, um die Stereotype aufzubrechen, queeres Leben nicht nur als sexualisiert wahrzunehmen, sondern eben auch als Lebensweise.
„es ist natürlich qua unserer Gesellschaft so, dass schwule Männer eher auch erfolgreiche Positionen haben.“
Das heißt es geht um Inhalte und nicht wie bei PQF um Diversität hinter der Kamera.
Es geht um beides. Es geht auch ums Personalwesen. Wir unterscheiden uns natürlich von anderen Gruppen auch dadurch, dass wir nicht unbedingt als queer sichtbar sind. Deswegen ist es zum Beispiel auch schwierig Erhebungen zu machen. Welche Instrumente können wir also entwickeln, um auch Empfehlungen und Forderungen auszusprechen?
Ich habe das Gefühl, bei der Berlinale Veranstaltung und auch hier in München, zum Beispiel in Anbetracht der Zusammenarbeit mit Bavaria Fiction, dass ihr schnell Kontakte in die Industrie geknüpft habt. Bei Pro Quote Film war das am Anfang nicht so einfach, meine ich. Hast Du eine Ahnung woran das liegt?
Pro Quote Film ist ja gestartet als Pro Quote Regie und das waren Regisseurinnen. Wir sind ja LGBTIQ, das heißt wir sind Schwule, Lesben, inter, queere und trans* Personen. Das heißt, wir sind breiter aufgestellt. Und es ist natürlich qua unserer Gesellschaft so, dass schwule Männer eher auch erfolgreiche Positionen haben. Und schon länger. Es kann natürlich sein, dass wir deswegen leichter Kontakte haben. Weil an den Schnittstellen bereits queere Personen sitzen. Aber das sage ich mit Vorsicht.
Gibt es Überlegungen mit Pro Quote zu kooperieren?
Die gibt es bereits. Es gab bereits ein Treffen, bei dem wir uns über mögliche Diversitätsstandards ausgetauscht haben und am Runden Tisch mit Vertreter*innen der anderen Minderheiten-Gruppierungen über eine gemeinsame Studie nachgedacht haben.
„Man unterschätzt die Vielfalt, die es innerhalb von Queerness gibt.“
Die Forderung von 7 Prozent: Habt ihr die schon vorgelegt?
Diese Forderung leitet sich aus der Dalia Studie zum Anteil von LGBTQI in der Bevölkerung ab. Die 7,4 Prozent, die sich dort ergeben haben, sind eine der wenigen Zahlen, die wir haben. Zum Beispiel haben wir diese Empfehlung für die FFG Novelle angebracht: Wir sind 7,4 Prozent LGBTQI und unsere Forderung ist, dass sich diese Zahl in den Medien widerspiegelt.
Mal ganz blöd gefragt: Ist dann nicht irgendwann ein Punkt erreicht, an dem die queeren Themen „aufgebraucht“ sind?
Man unterschätzt die Vielfalt, die es innerhalb von Queerness gibt. Ein großes Problem, das insbesondere Frauen betrifft, ist die Stigmatisierung. Das Thema Queerness wird auf die Sexualität reduziert. Also lesbisches Leben wird mit lesbischer Sexualität gleichgesetzt und nicht damit, wie unterschiedlich Frauen, die lesbisch sind, leben. Lesbische Mütter sind noch die, die am meisten gezeigt werden, weil das ja was ist, womit sich auch heterosexuelle Frauen noch identifizieren können. Aber zum Beispiel Frauen, die gar nicht heiraten wollen, aber Partnerschaften haben, die jahrzehntelang gehen. Oder Frauen, die alleine leben. Diese ganz verschiedenen Modelle, die es ja auch innerhalb des lesbischen Lebens gibt, werden so gut wie gar nicht thematisiert.
Und uns geht es auch um queere Altersvielfalt, um queere Menschen, die in verschiedenen sozioökonomischen Verhältnissen leben, die verschiedene Religionen haben, unterschiedliche Ethnien… auch da gibt es ja dann immer unterschiedliche Lebensweisen, von denen auch ich nichts weiß. Ich weiß zum Beispiel sehr wenig darüber, wie türkische Lesben leben. Und das interessiert mich.
„Uns geht es explizit darum, als queere Menschen mitzuentscheiden.“
Wenn man Mitglied werden möchte, wendet man sich am besten an…
Du gehst auf die Webseite und kannst uns dort anschreiben. Wir nehmen Dich auf und Du kannst Netzwerker_in werden.
Muss man queer sein, um Netzwerker_in zu werden?? Und was heißt das eigentlich?
Es kann jeder mitmachen, auch heterosexuelle „Friends“. Und was queer ist: Ich persönlich sehe das als gender fluid. Queer ist für mich nicht eindeutig lesbisch, nicht eindeutig schwul, wahrscheinlich nicht mal eindeutig bisexuell, also eine Persönlichkeit, die in ihrer Sexualität und ihrem Begehren eher fließend ist. So würde ich queer bezeichnen. Aber queer ist bei uns ein Sammelbegriff für alles, was nicht heteronormiert lebt und denkt!
Es gibt heterosexuelle Friends und queere Mitglieder, aber wer wer ist, spielt keine Rolle?
Das spielt erst mal keine Rolle, wobei es für unsere Ziele natürlich schon wichtig ist, dass wir das Queere und die queeren Menschen klar als solche benennen. Uns geht es explizit darum, als queere Menschen mitzuentscheiden.
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