IFFF 2025: Concerning My Daughter

In ihrem Debüt-Spielfilm Concerning My Daughter verwebt die südkoreanische Regisseurin Lee Mi-rang Geschichten dreier Frauengenerationen. Im Mittelpunkt der Verfilmung eines Romans von Kim Hye-jin steht die namenlose Figur der Mutter, die in ihrem Privatleben mit Vorurteilen gegenüber ihrer queeren Tochter konfrontiert wird und sich im Rahmen ihrer Lohnarbeit als Pflegerin für die Rechte ihrer an Alzheimer erkrankten Patientin einsetzt. Es sind Beziehungen, die Widersprüchlichkeiten aufweisen, in Lee Mi-rangs Literaturverfilmung aber eine südkoreanische Gesellschaft beschreiben, in der für viele Personen kein Platz zu sein scheint. 

In Südkorea, auch im Vergleich zu anderen Industriestaaten, sind die Rechte von queeren Menschen merklich eingeschränkt: gleichgeschlechtliche Ehen, oder ein legales Pendant, werden nicht anerkannt, Gesetze, die vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung schützen, gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund erzählt Concerning My Daughter von der Beziehung der Mutter zu ihrer Tochter Green: Als Green aufgrund eines Vorfalls während Protesten an ihrer Universität wieder nach Hause ziehen muss und ihre langjährige Lebensgefährtin Rain mitbringt, kann die Mutter nicht mehr länger ignorieren, dass ihre Tochter lesbisch ist.___STEADY_PAYWALL___

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Mutter und Tochter leben jahrelang in Schweigen über Greens Beziehung. Die Mutter ist der Ansicht, dass Green sich eines Tages doch noch für die Ehe mit einem Mann entscheidet, denn nur der könne schließlich finanziell für sie ein Leben lang sorgen. Diese Radikalität hat ihren Ursprung in der sozialen Abgeschiedenheit der verwitweten Mutter, die nicht nur in Einsamkeit lebt, sondern durch Lohnarbeit finanziell für ihren eigenen Haushalt sorgt und auch ihre Tochter auf diesem Wege unterstützt. So würde, zumindest aus der Sicht der Mutter, mit der ökonomischen Sicherheit der Tochter, auch die Mutter versorgt sein. 

Auch an anderer Stelle tun sich Konflikte im Leben der Mutter auf: Durch ihre Patientin Mrs. Lee, die zum Ende ihres Lebens hin keine Familie, keine Besucher*innen oder sonstige Unterstützung hat, wird die Mutter an Vergessenwerden und Unsichtbarkeit im Alter erinnert. Schleichende Prozesse, die auch in ihrem eigenen Leben stattfinden und die sie schlussendlich ihrer Tochter ersparen möchte. Umso mehr setzt sich die Mutter für Mrs. Lee ein, geht dabei über ihre offiziellen beruflichen Verantwortungsbereiche hinaus und gegen die Vorgaben von Kolleg*innen und Ärzt*innen vor, um ihre Patientin zu schützen und zu versorgen.

Regisseurin Lee Mi-rang verfolgt in ihrem Film die Mutterfigur besonders nah. Sie ist eine Person, die wir als Pflegerin bewundern und als Mutter im Umgang mit ihrer Tochter als queerfeindlich erkennen; deren Einsamkeit als Frau mittleren Alters uns mitfühlen lässt, deren Verhalten gegenüber der bereitwillig im Haushalt der 3er-WG mitarbeitenden Rain sie als kalt entlarvt. Über diese Gegensätzlichkeiten einer Figur entfaltet sich Concerning My Daughter als Geschichte über Liebe und Familie. Strukturen, die im Film auch immer eng mit Reproduktionsarbeit auf verschiedenen Ebenen verbunden sind; eine Darstellung, die es ermöglicht, sich von einer eng gefassten Vorstellung, in welcher Konstellation Menschen zusammenleben und -gehören können, zu entfernen. 

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Hauptdarstellerin Oh Min-ae spielt die namenlose Hauptfigur einfühlsam als eine Frau, die in ihrer Zurückgezogenheit verloren scheint. Das konstante Gefühl der Isolation, das ihr Leben bestimmt, ist über die gesamte Laufzeit von Concerning My Daughter zu spüren. Auf diesem Weg öffnet Lee Mi-rangs Film nicht nur Fragen darüber, wie und warum sich Südkorea dem Umgang mit seiner queeren Community stellen muss, sondern auch, wer alles sonst noch an den Rand gedrängt wird, wenn staatliche Institutionen so viel Wert auf eine intakte heterosexuelle Paarbeziehung legen: alte Menschen, verwitwete Menschen, Menschen in prekären Lebensumständen, alleinstehende Frauen.

Concerning My Daughter ist ein zurückhaltender und dennoch mitreißender Film. In seiner smarten Verzahnung von Lebensrealitäten dreier verschiedener Generationen ist Lee Mi-rangs Film nicht auf große Gesten aus, lässt Momente der großen Dramatik außen vor und bietet Charakteren wie Zuschauer*innen keine finale Erlösung. Vielmehr zeigt er sich sensibel im Umgang mit seinen Figuren und ihren Ängsten und schlägt vor, dass Solidarität auch in kleinsten Momenten von Sorgearbeit zu Tage tritt: dazu zählt sowohl die extra Waschrunde für die schmutzigen Handtücher einer Patientin, als auch das gemeinsame Tragen einer Wassermelone, die später am WG-Tisch verzehrt wird.

Concerning My Daughter ist Teil des Programms des 42. IFFF.

Sabrina Vetter
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