Gut gebrüllt: Susanne Foidl und der Babelsberger Salon

Anfang Mai fand an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf das 1. Symposium Gender-Forschung-Film statt, bei dem ich die Ehre hatte auf einem Panel mit dem Titel „#wessenblick“ über den weiblichen* Blick zu diskutieren. Das Symposium war eine wunderbare Veranstaltung, mit vielen beeindruckenden Redner_innen, spannenden Inhalten und nicht zuletzt einem kleinen Semi-Privat-Konzert von Sookee. Ich hoffe inniglich, dass dem ersten bald das zweite Symposium folgen wird.

Hinter all dem stecken übrigens die Gleichstellungsbeauftragte der Filmuni, Susanne Foidl, sowie der sogenannte Babelsberger Salon. Ein paar Tage nach der Veranstaltung traf ich Susanne zum Abendessen und Interview, um mir für GUT GEBRÜLLT einmal ganz genau erklären zu lassen, was eigentlich eine Gleichstellungsbeauftragte an der Uni so tut, was es mit dem Babelsberger Salon auf sich hat und natürlich welches Fazit sie aus dem Symposium zieht.

© Ingo Kniest

Gleichstellungsbeauftragte – Was bedeutet das eigentlich?

Was genau ist eine Gleichstellungsbeauftragte?

Das ist eine Person, meistens eine Frau, die als politisches Instrument eingesetzt ist, um Artikel 3 des Grundgesetzes umzusetzen. In diesem Artikel steht zwar, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, aber faktisch ist dem nicht so. Mitte der 90er wurden dann deutschlandweit Frauenbeauftragte eingeführt, die in Brandenburg inzwischen Gleichstellungsbeauftragte heißen.

Was machen Gleichstellungsbeauftragte konkret?

Wir sind dazu da, strukturelle Hindernisse zu beseitigen. Theoretisch für Männer wie für Frauen, faktisch aber sind in der Regel Frauen benachteiligt. Wir sind beratend für die Hochschulleitung tätig und haben Zugriff auf sämtliche Daten, also Bezahlung, Berufungen und Immatrikulationen. Je nachdem, wo der individuelle Fokus der Gleichstellungsbeauftragten liegt, kümmern sie sich auch um andere Dinge. Eine Person aus der Verwaltung wird sich zum Beispiel besonders um Familienfreundlichkeit, Home Office und dergleichen bemühen.

Und Dein Fokus?

Ich persönlich komme aus der Montage und deshalb ist mir das Inhaltliche sehr wichtig. Aber mich interessiert auch, was man an den Strukturen verbessern kann, z.B. bei Berufungs- und Einstellungsverfahren. Ich achte zum Beispiel darauf, dass in den entsprechenden Kommissionen immer auch eine Professorin sitzt und dass ein wertschätzender Umgang herrscht.

Hast Du Einfluss auf die Lehrinhalte?

Nein, die Lehre ist frei und heilig. Ich habe Einfluss auf meine Lehre und darauf, was ich bei den Studierenden anregen kann und was diese darauf aufbauend vielleicht von der Hochschule fordern. Das kann ich dann wiederum unterstützen. Und ich habe insofern Einfluss auf die Lehre, als dass im Berufungsverfahren nun explizit nach den Vorstellungen von Gleichstellung in Lehre und Forschung gefragt wird. Das ist noch kein hartes Kriterium, aber immerhin wird es abgefragt. Außerdem habe ich die Mittel, um selbst Lehrveranstaltungen zu initiieren, wie kürzlich ein Seminar zu Vergewaltigungsdarstellungen im Film gemeinsam mit meiner Kollegin Renata Helker. Das ist dann natürlich ein Wahlpflichtangebot. Ganz aktuell gibt es aber erstmalig im Pflichtseminar „Perspektiven auf Film und Medien“ eine Einheit zu „Film als Gendertechnologie und Queer Cinema“ von mir und Skadi Loist.

© Ingo Kniest

Du hast vor zwei Jahren den Babelsberger Salon gegründet. Was ist das?

Das ist ein Raum, der die Beschäftigung mit Gender, Film und Ästhetik möglich machen und fördern soll. Ein Raum zum Denken und Forschen. Dieser Salon, also dieser Raum, kann verschiedene Formen annehmen. Er kann ein Seminar sein oder eben auch ein Symposium. Ich sehe es als Luxus, mich an der Universität mit diesen Themen beschäftigen zu können und als meine Aufgabe, diesen Diskurs auch nach außen zu tragen.

„Mit Antworten komme ich nicht weiter“

Warum ein Symposium?

Ein Symposium ist für mich eine Veranstaltung, bei der eher diskutiert wird statt Antworten vorzugeben. Die Menschen, die dort teilnehmen oder sprechen, haben nicht den Anspruch etwas zu wissen. Sie können einfach eine Idee in den Raum stellen und darüber diskutieren. Ich möchte nicht, dass man sich einfach nur reinsetzt, zurücklehnt, mitschreibt, am Ende rausgeht und sagt: „Ich weiß.“ Sondern wir müssen weiter überlegen! Mit Antworten komme ich nicht weiter, weil sich alles verändert – wir, die Gesellschaft. Es kann also gar nicht sein, dass wir definitive Antworten haben.

Und hat das in Deinen Augen das Symposium „Gender-Forschung-Film!“ geleistet?

Ja. Alle, die vorgetragen haben, hatten am Ende eine Frage. Leider habe ich gemerkt, dass nicht genug Raum zum Diskutieren war. Die Zeit für die einzelnen Beiträge war zu kurz bemessen. Aber das habe ich jetzt gespeichert.

Wie habt ihr das inhaltlich zusammengestellt?

Das war sehr subjektiv. Jede Veranstaltung hat eine Geschichte, wie ich auf die Leute aufmerksam wurde. Christiane König zum Beispiel hat mal einen Artikel über Film als Gendertechnologie geschrieben, der mich sehr inspiriert hat. An Liz Rosenfeld begeistert mich wiederum, wie sie das private Begehren ins Politische überträgt und das ganz selbstverständlich als Forschung begreift. Mit Renata Helker und Skadi Loist arbeite ich ohnehin an der Uni zusammen. Mir ging es auch darum zu zeigen: Wer forscht wie? Und zwar sowohl in Bezug auf die wissenschaftliche wie auch auf die künstlerische Forschung. Ich glaube, dass die künstlerische Forschung, vor allem die feministische, Diversität schon von vornherein mitdenkt und somit ganz anders auf die Dinge schaut. Das war mir wichtig.

Und was war die treibende Idee dabei, das Ziel?

Der Wunsch war vor allem, dieses Thema einmal im größten Kino der Filmuni zu platzieren, damit alle sehen: Hier passiert etwas und zwar Gender-Forschung-Film.

© Ingo Kniest

Haben das denn alle gesehen?

Nein, leider viel zu wenige. Ich habe großes Verständnis, dass man nicht alles mitnehmen kann, was wir an der Uni anbieten. Aber trotzdem war ich ein bisschen enttäuscht, dass so wenig Kolleg_innen und Studierende da waren.

Bist Du zufrieden mit dem Symposium? Was war gelungen?

Mir haben das Programm und auch seine Dramaturgie persönlich sehr gut gefallen. Ich fand es super, mit Ulrike Ottinger und ihrem verrückten Film Freak Orlando zu eröffnen und dann mit der Performance von Anna-Lena Meisenberg zu enden. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Leute untereinander ins Reden gekommen sind, was ich mir erhofft hatte. Andererseits sagten viele im Feedback, es wäre zu wenig Zeit für Vernetzung gewesen. Das will ich beim nächsten Mal besser machen.

Total Radikalisiert

Das heißt, es wird ein zweites Symposium geben?

Das fragst Du mich besser noch mal in drei Wochen. Im Moment fühle ich mich durch das Symposium total radikalisiert und habe das Gefühl, ich kann nicht mehr in einer Welt leben, die so zurückgeblieben ist.

© Ingo Kniest

Was meinst Du damit?

Nach dem Symposium war ich in mehreren beruflichen Situationen, in denen ich mich mit Männern über Filme ausgetauscht habe. Plötzlich kam es mir so heftig vor, was sie sagen, wie sie urteilen, welches Feedback sie den Studierenden geben. Da habe ich gemerkt, dass ich einfach immer weniger Sexismen dulde, Sexismus für mich eigentlich überhaupt kein Thema mehr ist, dass ich darüber nicht mehr reden möchte. Über Jahre habe ich das toleriert, aber nach dem Symposium merkte ich, dass ich keinen Bock mehr habe, nachsichtig zu sein. Irgendjemand hat auf dem Symposium gesagt, feste Verhärtungen brauchen auch einen knallharten Einschnitt, um aufgebrochen zu werden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diejenige bin, die das in der Uni machen sollte, aber was habe ich zu verlieren?!

„Die Uni muss unbedingt was tun“

Abgesehen vom Symposium, glaubst Du, dass von der Lehre aus eine Veränderung angeschoben werden kann zu mehr Gleichberechtigung in der Branche?

Es sieht so aus, als käme das jetzt erst mal nicht aus den Hochschulen, weil alles grob paritätisch ist. In den Medienwissenschaften sind mehr Frauen, im Sound sind mehr Männer und so weiter. Die Studierenden haben dieselben Mittel für dieselbe Anzahl an Projekten. Und trotzdem: Sobald sie aus der Schule raus sind, machen die Frauen vielleicht noch einen Film und sind dann irgendwie verschwunden. Das ist den Studentinnen aber gar nicht so klar und sie sehen das Problem nicht. Da stellt sich aber auch die Frage, welche Aufgabe die Lehre hat. Ich bilde ehrlich gesagt nicht für den Markt aus, sondern unterrichte Künstler_innen. Aber vor allem in Produktion und Regie sollten die Studierenden auf jeden Fall für den Markt fit gemacht werden. Man sollte aber nicht nur die Frauen coachen, weil sie diejenigen sind, die die Probleme haben, sondern alle darin trainieren, das Thema Gender im Blick zu haben.

© Ingo Kniest

Also muss die Uni doch auch etwas tun?

Die Uni muss unbedingt was tun und wir sind da gerade dran. Es stehen Mittel für Gleichstellungsmaßnahmen zur Verfügung. Das Problem ist aber auch: die Lehrenden, die wir haben, können das nur bedingt leisten. Sie wurden zu ganz anderen Bedingungen eingestellt, wurden nicht nach Gleichstellung gefragt. Das sind tolle Kolleg_innen, aber sie sind eben nicht auf dieses Thema spezialisiert. Das heißt, man braucht extra Geld, um solche Leute zu „kaufen“. Ich fände es auch wichtig, akademischen Mitarbeiterinnen Unterstützung für ihre Qualifikationsprojekte geben zu können. Bei den Wissenschaftlerinnen geht das gut, aber bei den Künstlerinnen ist das schwierig. Da wird statt nach einer Promotion nach Preisen geschaut. Ja, aber wer bekommt denn die Preise? Das sind Leute, die mit großen Budgets arbeiten. Und das wiederum sind dann meistens Männer.

Sophie Charlotte Rieger
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