Gast-Löwin: Rafiki

Ein Text von Gast-Löwin Nadine Schindler

Der Filmtitel Rafiki bedeutet auf Suaheli Freundin bzw. Freund. Von starken Freundinnenschaften spricht auch Suzie Noma in ihrem Dance-Hall Track Muthoni Drummer Queen, mit dem der Film sehr gelungen eröffnet. Musikalische Frauen*power und dazu Alltagsschnipsel, choreographiert im Beat der Musik. Die Kamera leitet tanzend ein. Wir kommen an – Detail für Detail im hektischen, fröhlichen Nairobi, zwischen rosa Häusern und bunt behangenen Wäscheleinen. Bis hierhin verspricht der Film schon einmal jede Menge Spaß.

© Edition Salzgeber

Rafiki ist ein Liebesfilm aus Kenia, der einen stolzen, aber nicht unkritischen Blick auf sein Land und seine Gesellschaft wirft. Die kenianische Regisseurin Wanuri Kahiu hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein neues mediales Bild von Afrika zu schaffen. Bewusst distanziert sie sich daher von einer Mitleid erregenden Repräsentation Afrikas, was sich schon unschwer in der Eröffnungsszene des Films erkennen lässt. Dahinter verbirgt sich die Idee des von ihr mitbegründeten Kollektivs Afro-Bubblegum: Wie Kahiu in einem Ted Talk ausführte, wird die Reduktion des afrikanischen Films auf ernsthafte Themen wie Krieg, Armut oder HIV der gelebten Realität nicht gerecht, weshalb sich das Kollektiv bewusst einer alternativen filmischen Betrachtungsweise widmet. Dass farbenfrohe Darstellungen einen Film jedoch um kein Haar weniger politisch machen, zeigt sich an Rafiki besonders deutlich.

Im Vordergrund des Films steht die romantische Geschichte zweier junger Frauen*, Ziki Okemi (Sheila Munyiva) und Kena (Samantha Mugatsia), die ihre Zuneigung füreinander entdecken. Eine Erzählung, die per se, so die Regisseurin über ihren Film in einem Interview im September 2018, nicht politisch sein sollte: “Love is love. It should never be political.”

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Aber spielt der Film in Kenia, mit Schwarzen Schauspielerinnen in den Hauptrollen, so wird er dann doch politisch. Entwickelt sich zwischen ihnen zudem noch eine homosexuelle Liebesbeziehung mit einem hoffnungsvollen Ende, ist der Film sogar so politisch, dass er im Heimatland, in dem Homosexualität bis heute als strafbar gilt, von der Zensurbehörde zunächst verboten und dann nur für ein siebentägiges Screening freigegeben wird.

Zweifellos handelt der Film von Themen, die in Kenia Tabu sind, in erster Linie von gleichgeschlechtlicher Liebe, die Rafiki im komplexen sozialen und gesellschaftlichen Gefüge darstellt. Kena und Ziki leben beide im gleichen Viertel in Nairobi. Die Väter der beiden Frauen* sind politische Konkurrenten, die in einer Lokalwahl um die Stimmen der Bevölkerung buhlen. Von ihren Töchtern erwarten sie dafür Loyalität. Schon die Tatsache, dass diese sich während der Wahlperiode anfreunden, provoziert verächtliche Blicke auf der Straße. Es ist jedoch vor allem ihre romantische Liebe, die die Situation für Kena und Ziki erheblich erschwert, zumal sie bei den obligatorischen Kirchenbesuchen mit der Familie stets mit einer streng heteronormativen Rhetorik konfrontiert sind. Am Rande sei hier bemerkt, dass ironischerweise eben jene christliche Religion in Kenia kolonial eingeführt wurde. Somit steht der Kampf um die Gleichberechtigung homosexueller Beziehungen auch in einem kolonialen Kontext.

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Die Protagonistinnen versuchen diese klare Gesellschaftliche Erwartungshaltung auf geradezu naive Weise zu ignorieren, treffen sich mutig im öffentlichen Raum und reagieren lässig auf die Kommentare ihrer Freund_innen. Selbst vor harschen Auseinandersetzungen mit der eigenen Familie scheuen sich Kena und Ziki nicht. Sie handeln so, wie es für sie selbstverständlich wirkt, und stellen sich damit selbstbewusst gegen die Ideale ihrer Elterngeneration.

Das klingt nach Rebellinnentum. Wer jetzt aber erwartet, dass Rafiki ein provokativ inszenierter und anstößiger Film sei, liegt falsch. Die Liebe der beiden Frauen* spart kein kitschiges Detail aus: das erste Date, Tretboot fahren, Kerzen- und Rosenromantik. Auch wenn die Entscheidung der Regisseurin für diese Darstellung eine sehr bewusste war, verliert die Beziehung der Protagonistinnen durch diese Kitschsymbole an Authentizität. Das widerständige Potential des Films droht dadurch verloren zu gehen, dass jede Szene genau so aufgelöst wird, wie es erwartbar ist.

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Was als unangenehmer Widerspruch zwischen rebellischer Inhaltsebene und konservativer  Bildebene empfunden werden kann, lässt sich aber auch als kluger Kunstgriff erklären. Vielleicht vermag diese durchaus vertraute Art der filmischen Inszenierung eine Form von Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Thema des Films, der homosexuellen Liebe, zu kreieren, wo sie de facto in Kenia (noch) nicht existiert.

Die Regisseurin Wanuri Kahiu hat mit Rafiki auf beeindruckende Weise einen Film geschaffen, der trotz seiner leichten, verspielten und fröhlichen Darstellung, ebenso als politisches Kino wie als Liebesfilm funktioniert. Der Film, der international zum Beispiel durch seine Einladung zu den 71. Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2018 viel Aufmerksamkeit erhielt, konnte nach langer Debatte in Kenia doch noch gezeigt werden. Wenn dies auch nur für einen kurzen Zeitraum gewährt wurde, so genehmigten die Behörden das Screening unter Berufung auf die künstlerische Meinungsfreiheit. Sicherlich eine Debatte die vielen Künstler*innen Mut macht.  

Kinostart: 31. Januar 2019

Nadine Schindler

Über die Gast-Löwin

Nadine Schindler ist Kulturwissenschaftlerin und schloss ihr Studium mit einer Arbeit zu Demokratisierungsprozessen in Georgien ab. Ihre Begeisterung für Film entwickelte sie vor allem durch verschiedene Zwischenstationen in Frankreich. Dort traf sie auf eine lebendige Film Community, in der hemmungslos gelobt und kritisiert wurde. Ihre ersten Filmkritiken entstanden 2015 im Rahmen des polnischen Filmfestivals in Berlin.