DVD: Close – Dem Feind zu nah

von Sophie Brakemeier

Es geht bitterernst zur Sache in Close – Dem Feind zu nah von Vicky Jewson. Zoe Tanner (Sophie Nélisse), die verwöhnte Tochter eines reichen Bergbau-Tycoons, erbt dessen Firma und ihrer bösen Stiefmutter Rima Hassine (Indira Varma) gefällt das natürlich gar nicht. Rima engagiert die knallharte Leibwächterin Sam Carlson (Noomi Rapace) um Zoe nach Casablanca zu begleiten, wo sie – ja was soll sie da eigentlich? Egal. Noch bösere Männer*, die Zoe auf Rimas Befehl entführen sollen, machen den beiden die Reise zur Hölle und es entbrennt ein actiongeladenes Katz-und-Maus-Spiel. „Verwöhnte Tochter“? „Böse Stiefmutter“? Verfolgungsjagden? Ja, hier wird die Erwartungshaltung an das Genre Actionthriller bedient – und das ist auch nicht weiter schlimm. Aber selbst, wenn mensch nur Bock auf eine platte Story, Schießereien und supercoole Punchlines hat, enttäuscht Close trotzdem auf fast allen Ebenen.

Sam steht neben einem Auto. Sie zielt mit einem Maschinengewehr auf etwas außerhalb des Bildes.

© 2017 EuroVideo Medien GmbH

Es scheint, als hätte Regisseurin Vicky Jewson ein Faible dafür, Frauen* in ihren Filmen durch wüstenreiche Schauplätze des Großraums Mittlerer Osten zu scheuchen und dabei gnadenlos die Qualität des Films auf der Strecke bleiben zu lassen. Schon ihr vorheriger Film Born of War, in dem eine junge Frau* den Warlord, der ihre Eltern umgebracht hat, zur Strecke bringen will, bietet ein ähnliches Setting an und wurde für seine Erzählweise und Dramaturgie stark kritisiert. Dass sich die Schauplätze Marokko (in Close) und Afghanistan (in Born of War) in Jewsons Darstellung kaum unterscheiden, obwohl die Länder geographisch 6.800 km auseinanderliegen und Unmengen an kulturellen und gesellschaftlichen Unterschieden aufweisen, sagt leider auch schon viel über ihre Art des Inszenierens und Erzählens aus: klischeehaft, oberflächlich und voller Lücken.

Dabei bietet die Konzeption von Close so viel Potential. Die Geschichte, die auf der Arbeit der real existierenden Leibwächterin Jacquie Davis basiert, ist an sich zwar nicht besonders originell, ein paramilitärischer Actionthriller mit gleich drei weiblichen* Hauptrollen aber  ein dermaßen seltenes Gut, dass ich gewillt bin darüber hinwegzusehen. Mit Noomi Rapace (Millenium-Trilogie) und Indira Varma (unter anderem Game of Thrones) wurden dabei auch zwei Schauspielerinnen gecastet, die in ihren bekanntesten Rollen schon bewiesen haben, wie stark und ermächtigend ihre Leinwand-Präsenz sein kann. Close hätte ungemein von der Rivalität zwischen den beiden Figuren Sam Carlson (Noomi Rapace) und Rima Hassine (Indira Varma) profitieren können, wenn das Drehbuch dem nicht einen riesigen Strich durch die Rechnung machen würde.

Zoe und Sam sitzen in einem Auto. Sie sind verschwitzt.

© 2017 EuroVideo Medien GmbH

Es lässt sich leider kaum beschönigend ausdrücken: Die Handlung des Films ergibt an vielen Stellen keinen Sinn. Warum lässt sich Zoe so einfach nach Casablanca locken? Warum suchen sie und Sam sich keine Hilfe? Wieso soll Zoe überhaupt entführt werden? Das sind keine kunstvollen Leerstellen, die Vicky Jewson in ihren Film hineingearbeitet hat, sondern ausgewachsene Logiklöcher. Es ließe sich natürlich anführen, dass bei einem Actionthriller die Geschichte ohnehin zweitrangig sei, aber im Fall von Close lässt sich schwer darüber hinwegsehen, dass die Vernachlässigung der grundlegendsten erzählerischen Mittel es fast unmöglich macht, dem Film zu folgen. Zeitsprünge werden nicht markiert, Personen tauchen urplötzlich ohne Erklärung an Orten auf, an denen sie nicht zu erwarten sind, und Motivationen werden wenig bis gar nicht beleuchtet.

Wo der Film auf Handlungsebene so viele Lücken lässt, wie es nur geht, operiert er auf der Ebene der Dialoge absolut diametral. Ständig werden Handlungen hölzern kommentiert und jeder noch so banale Gedanke ausgesprochen. Die Gespräche wirken redundant und überflüssig. Sie erinnern an jene Essays, die mensch in der Schul- oder Studienzeit mit so vielen unnötigen Wörtern wie nur möglich gefüllt hat, um die Mindestlänge zu erreichen. Keine Spur von Witz oder Intelligenz. Wo Close einerseits von seinen Zuschauenden verlangt, die Logiklöcher der Handlung mit den eigenen Gedanken zu füllen, erklärt er ihnen andererseits jede Konklusion und jede Wende auf Vorschulniveau. Für mich persönlich fühlt es sich fast beleidigend an, für so dumm gehalten zu werden.

Rima unterhält sich mit einem Angestellten ihrer Firma.

© 2017 EuroVideo Medien GmbH

Es lässt sich schon erahnen: Die unkonsequente Story und die platten Dialoge wirken sich auch auf die Figurenzeichnung negativ aus. Ohne Tiefgang und Antrieb stellen Sam, Zoe und Rima eigentlich nur das notwendige Humankapital dar, welches notwendig ist, um überhaupt eine Geschichte erzählen zu können – sei sie noch so schlecht. Dabei fehlt es den Hauptdarstellerinnen absolut nicht an Ausstrahlung und schauspielerischer Kompetenz. Vor Allem Noomi Rapace und Indira Varma schaffen es mit ihrer reinen Anwesenheit zu fesseln. Ihre Blicke sind durchdringend und ihre Emotionen glaubhaft. Selbst das schlechteste Drehbuch kann die schauspielerische Stärke der beiden nicht unterdrücken – aber leider können sie andersherum auch den schlechtesten Film nicht retten.

DVD-Veröffentlichung: 11. April 2019

 

Sophie Brakemeier