XPOSED 2019: Interview: Mònica Rovira – Ver a una mujer

Lea Gronenberg

Ver a una mujer ist ein sehr intimer Film, der vor allem Emotionen anspricht. Die Trennung zwischen Film und Wirklichkeit verwischt: Die Personen auf der Leinwand sind real, ihre Geschichte wird dennoch filmisch aufbereitet und erzählt. Die Regisseurin Mònica Rovira verarbeitet in dem Film die Beziehung zu ihrer Ex-Freundin Sarai.

Ver a una mujer folgt keiner strikten Storyline, sondern nimmt die Zuschauer_innen mit auf eine emotionale Reise, bei der es kaum Distanz zu den beiden Frauen* im Film gibt. Das Publikum soll sich ebenso wie sie in Gefühlen verlieren und versuchen zu verstehen, was nicht ausgesprochen wird. Dadurch wirkt der Film unglaublich intensiv.

Zum XPOSED Filmfestival war Mònica Rovira erstmals in Berlin, um ihren Film zu präsentieren. Filmlöwin Lea Gronenberg hat sie in der Lounge des Moviemento Kinos getroffen und mit ihr über den Entwicklungsprozess von Ver a una mujer gesprochen.

© XPOSED International Queer Film Festival

Du gibst in Ver a una mujer sehr persönliche Einblicke. Wie sind diese ungewöhnlichen Aufnahmen entstanden?

Es gibt drei unterschiedliche Abschnitte in dem Film. Die ersten dreizehn Minuten sind sehr chaotisch, die Aufnahmen sind wackelig und man weiß nicht genau, was eigentlich passiert. Das liegt daran, dass ich die gezeigten Momente gelebt habe. Diese Aufnahmen waren nie als Teil eines Films gedacht. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit meiner Kamerafrau an einem anderen Film gearbeitet. Sie hat in den Pausen Aufnahmen von uns gemacht und flüchtige Augenblicke des Lebens eingefangen. So ist dieses Material entstanden.

Bei der Arbeit an diesem Film hast du auch deine Ex-Freundin Sarai kennengelernt?

Sarai (war an der Produktion des Films beteiligt und) wir befanden uns ganz am Anfang unserer Beziehung. Es war sehr turbulent. Es gab eine Anziehungskraft und Leidenschaft, aber wir waren Fremde zu diesem Zeitpunkt und wussten noch nicht viel voneinander. Schließlich habe ich mich dafür entschieden, Sarai nicht mehr zu treffen, weil unsere Beziehung nicht gut lief und zu kompliziert war.

Ver a una mujer hat mir dabei geholfen mit meiner Beziehung abzuschließen.”

Wie ging es dann weiter?

Danach bin ich nach Island gefahren, um Abstand zu gewinnen und hatte diese Hard-Disk dabei. Eines Tages, nachdem ich wandern war und dicht an einen Vulkankrater geklettert war, habe ich mich hingesetzt und das Material angesehen. Das waren keine Filmszenen, sondern mein Leben. Ich habe mich so zerbrechlich, so verletzlich und so verliebt gesehen. Normalerweise sieht man sich selbst so nicht und vergisst diese Momente, aber ich hatte nun aus Versehen diese Aufnahmen. Da habe ich gedacht, vielleicht ist das der Beginn von etwas. Vielleicht kann ich aus diesen Bildern eine Geschichte für einen Film entwickeln.

Dafür hast du dann auch Sarai wiedergetroffen?

Ich habe mich entschieden weitere Aufnahmen für diesen Film zu machen. Daraufhin habe ich ein kleines Team von Leuten, mit denen ich bereits gearbeitet hatte, zusammengestellt und Sarai angerufen, nachdem wir monatelang nicht gesprochen hatten. In der Nacht vor dem Dreh habe ich mir überlegt, einfach ins kalte Wasser zu springen und meiner Crew zu vertrauen, anstatt Regieanweisungen zu geben und im Vorfeld festzulegen, was die Aussage des Films sein soll.

Wir haben beim Dreh in einem Mikrokosmos gelebt. Auch wenn ich wusste, wann gefilmt wurde, habe ich einfach auf Sarai reagiert und obwohl es choreografiert war, hat es funktioniert. Für mich war das damals wichtig, um mit der Beziehung abschließen zu können, und hat mir geholfen, mich zu verabschieden. In vier Tagen haben wir sechs Stunden aufgenommen, was nicht besonders viel ist.

© XPOSED International Queer Film Festival

Es gibt keine Wahrheit oder Fakten, nur meine Wahrnehmung und mein Gefühl.”

Wie entstand aus dem Rohmaterial schließlich der Film?

Es ging nicht darum, was ich dem Publikum oder mir selbst sagen will. Ich habe darauf gehört, was die Bilder zu sagen haben. Es war das erste Mal, dass ich selbst auf dem Bildschirm zu sehen war. Als Filmemacherin bevorzuge ich es hinter der Kamera zu sein und die Kontrolle zu haben.

Ich habe angefangen aus den Bildern eine Geschichte aufzubauen und versucht, vor allem die Stimmung und Emotionen herauszuarbeiten. Zuerst war ich sehr unzufrieden, weil die Seele, der Herzschlag des Films in Emotionen liegt. Emotionen sind aber keine Bilder, es sind Gefühle, die man nicht sehen kann. Aber ich wollte meinem Impuls folgen, mit dem Film eine emotionale Entwicklung zu zeigen. Dafür musste ich akzeptieren, dass es um eine persönliche Erfahrung geht und ich gleichzeitig als Filmemacherin das Narrativ des Films bestimme. Dabei war mir wichtig, dass es um meine Wahrnehmung und mein Gefühl geht, aber ich weiß nicht, wie Sarai fühlt. Es gibt keine Wahrheit oder Fakten oder eine Botschaft, nur meine Reise mit Sarai und diesem Film.

Im dritten Part des Films sprichst du direkt in die Kamera.

Mich hat die Frage beschäftigt, was ich dem Publikum mitgeben möchte. Ich wollte möglichst verantwortungsvoll, aufrichtig und ehrlich denjenigen gegenüber sein, die so eine Geschichte erleben. Im Film kann man eine Geschichte abschließen und das Ende festlegen, aber nicht im echten Leben. Dort gibt es unterschiedliche Ebenen und Komplexitäten. Ich wollte diesen Zwiespalt zwischen Leben und Filmemachen thematisieren und zeigen, dass die Frau im Film auch die Filmemacherin ist und ich Filmemachen als Teil meines Lebens begreife.

© XPOSED International Queer Film Festival

Als Filmemacherin und als Frau habe ich eine Verantwortung.”

Der Film ist sehr intim und teilweise hatte ich das Gefühl zu voyeuristisch zu sein, als ich ihn geschaut habe. War es schwierig, dich so sehr zu öffnen?

Ja, das war hart. Aber ich glaube, wenn es eine fiktionale Geschichte wäre, dann wäre es kein Problem. In dem Moment, wo es kein Charakter ist, sondern eine echte Person, ist das anders. Aber ich habe aus meinem Material eine Geschichte entwickelt und dabei geht es nicht um mich, sondern um Gefühle. Es geht nicht um diese beiden Personen, sondern darum verliebt zu sein und verloren zu sein und trotzdem weiter zu machen. Es gibt nicht den einen Weg zu leben oder zu lieben oder irgendwas. Jede Geschichte ist anders, aber ich hoffe, dass alle sich verlieben und fallen lassen.

Was bedeutet es für dich, eine weibliche* Filmemacherin zu sein?

Als Filmemacherin und als Frau habe ich eine Verantwortung. Immer wenn ich aufnehme, immer wenn ich editiere, immer wenn ich einen Film mache, habe ich dieses Bewusstsein. Für mich ist die feministische Perspektive entscheidend, nicht ob jemand ein Mann oder eine Frau ist oder Non Binary. Zum Glück gibt es ja diese Diversität, wir sind komplex und wir müssen nicht das Eine oder das Andere sein. Mir sind feministische Werte wichtig: Zuneigung, Fürsorglichkeit, Verletzlichkeit, zerbrechlich sein, emotional, pazifistisch. Das ist ein Zugang zur Welt, jeden Tag. Filmemachen ist mein Weg, das zu zeigen. Ich habe mich im Film verletzlich gezeigt und gleichzeitig Regie geführt. Ich arbeite gern kooperativ und möchte weiterhin so arbeiten, auch wenn es schwieriger ist. Ich möchte im Dialog sein und mich nicht über andere stellen, weil ich Regie führe. Ich möchte interagieren, zuhören, reagieren. Das ist der Weg, an den ich glaube.

Lea Gronenberg
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