Was kostet die Welt

Lea Gronenberg

Die Insel Sark liegt mitten im Ärmelkanal und gehört weder zu Großbritannien noch zur Europäischen Union. Seit dem 16. Jahrhundert leben die Bewohner_innen der Insel nach ihren eigenen Regeln, die größtenteils auf Vertrauen beruhen. Die politischen Interessen waren gemeinwohlorientiert, denn auf einer Fläche von nur 5,5 km² besteht eine gewisse Notwendigkeit miteinander auszukommen. Die Einwohner_innen von Sark schätzen ihre Unabhängigkeit und sind bereit dafür mit anzupacken. Das Gemeinwesen – also Feuerwehr, Ambulanz, Polizei und Parlament – wird ehrenamtlich organisiert. Aus diesem Grund waren hohe Steuersätze bisher unnötig.

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Die Dokumentarfilmerin Bettina Borgfeld beschreibt Sark als altmodisches Idyll. Die malerische Landschaft und Cottages verleihen der Insel eine angenehme Ruhe und Abgeschiedenheit, die jahrzehntelang Tourist_innen angelockt hat. Der Leuchtturmwärter, der Schäfer und ein Landwirt zeigen sich im Interview rundum zufrieden damit, wie es auf der Insel zugeht. Fortschritt könnten sie sich allenfalls als einen sehr gemächlichen Prozess vorstellen. Von außen betrachtet wirkt die Gemeinschaft auf Sark ein bisschen verschlafen, aber harmonisch.

Diese Harmonie wurde empfindlich gestört, als die Milliardäre David und Frederick Barclay begannen, in die Insel zu investieren. Um ihre Pläne von einem Luxusressort mit eigenem Weinanbau, Golfplätzen und Hubschrauberlandeplatz zu verwirklichen, nahmen die Brüder zunehmend Einfluss auf das politische Geschehen und schufen nebenbei ihre eigene Steueroase. Der Dokumentarfilm Was kostet die Welt beleuchtet ihr Vorgehen und den Widerstand der Sarkees.
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Als erfahrene Unternehmer nutzten die Barclays ihr Vermögen und ihre Erfahrungen aus den Bereichen Medien, Einzelhandel und Immobilien, um ihre Interessen durchzusetzen. Nach und nach kauften sie fünf der sieben Hotels auf der Insel, einen Gasthof, die Hälfte der Einkaufsstraße, Grundstücke und eine Zeitung. Sie verdrängten die einheimische Bevölkerung immer weiter und gingen skrupellos gegen alle vor, die sich ihnen in den Weg stellten. Ihre Methoden reichen von Verleumdung bis zu Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Und so wird auch aus dem beschaulichen Inselkrimi Was kostet die Welt zunehmen ein ausgewachsener Politthriller.

Bettina Borgfeld begleitet beispielsweise Rosie, die auf Sark geboren ist und dort Malkurse für Feriengäste gibt, über einen längeren Zeitraum und zeigt, wie sehr ihr die Barclays mit Hetzkampagnen in deren eigenen Zeitung zusetzen und wie sie Misstrauen zwischen den Inselbewohner_innen säen. Rosie und ihre Mitstreiter_innen kämpfen mit spürbarer Verzweiflung um ihr Sark, denn „ohne Gemeinschaft ist es nur ein Fels“. Sie stoßen jedoch immer wieder an ihre (finanziellen) Grenzen und verlieren mehr und mehr den Glauben an Gerechtigkeit.

Was kostet die Welt lässt sein Publikum kopfschüttelnd zurück. Die Entwicklungen auf Sark scheinen völlig absurd – mitten in Europa – und doch stehen sie beispielhaft für Konflikte um Selbstbestimmung, Demokratie und Meinungsfreiheit. Der Fall Sark ist insbesondere vor dem Hintergrund massiver Steuerhinterziehung in Europa und für jene Zuschauer_innen interessant, die sich für die Hintergründe und Zusammenhänge dieses Themas interessieren. Bettina Borgfeld gelingt mit ihrem Dokumentarfilm eine Zuspitzung über die Machtlosigkeit gegenüber international agierenden Wirtschaftskräften und führt den Zuschauer_innen vor Augen, wie dreist diese bestehende Rechtssysteme zu ihren Gunsten ausnutzen.

Kinostart: 16. Mai 2019

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