Warum Bad Moms die Besten sind

Ein Film über schlechte Mütter von den Machern von Hangover? Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen emanzipatorisch wertvollen Blockbuster. Aber Bad Moms hat mich eines Besseren belehrt: Unterhaltsam, clever und emanzipatorisch wertvoll. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu diesem Fazit käme, aber: Ab ins Kino!

Wem das als Empfehlung schon reicht, der mag hier gerne aufhören zu lesen. Allen anderen erkläre ich, wie ich zu dieser überraschenden Schlussfolgerung gekommen bin. Zunächst einmal: Ich habe keine Kinder, insofern hat mich die Mama-Thematik als solche wenig bis gar nicht angesprochen. Und gegen Mila Kunis habe ich eine persönliche Abneigung, die ich nicht logisch begründen kann, denn spätestens mit Black Swan hat sie ja eigentlich bewiesen, dass sie mehr als nur ein hübsches Gesicht in romantischen Komödien ist. Meine Begeisterung für Bad Moms ist also sowohl vom Thema wie auch von der Besetzung unabhängig (wobei Kristen Bell als überforderte Vierfachmutti definitiv ein Highlight ist) und wurzelt gänzlich in der Geschichte und ihrer Inszenierung.

© Tobis

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Amy (Mila Kunis) ist von ihrem Leben überfordert: Eine in Teilzeit bezahlte, aber in Vollzeit absolvierte Arbeitsstelle, zwei Kinder, die bekocht, chauffiert und betreut werden müssen, und als würde all das noch nicht reichen ein Ehemann, der sich nichtsnutzig auf der Couch am wohlsten fühlt und seit zehn Monaten eine virtuelle Liebschaft unterhält. Das ist denn auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und den ohnehin schon stressigen Alltag der Vollblutmutter endgültig zum Albtraum werden lässt.

Wie soll frau* eigentlich allen Ansprüchen gerecht werden? Heutzutage kann eines gar keine perfekte Mutter sein, heißt es später im Film. War das Los der 50er Jahre Hausfrau* schon bedrückend, so ist es im 21. Jahrhundert mitnichten leichter geworden. Die Freiheit, selber einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hat Mutterschaft deutlich komplizierter gemacht, was nicht zuletzt an einem Arbeitsmarkt liegt, der die Doppelbelastung vieler Frauen* großzügig ignoriert bzw. als biologischen Nachteil abheftet. Vom sozialen Umfeld ist ebenso wenig Unterstützung zu erwarten: Wer zu Hause bleibt, ist faul, wer arbeiten geht, eine Rabenmutter – so die Logik. Und Gott bewahre, wenn frau* dann auch noch eine aktive Sexualität hat…

© Tobis

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Bad Moms erzählt von drei Frauen*, die dem Streben nach Perfektion den Mittelfinger zeigen, die sich nicht länger um die ideale Ernährung und Pädagogik, sondern endlich einmal wieder um sich selbst kümmern wollen. Neben Amy ist das die Hausfrau Kiki (Kristen Bell), deren auf die eigenen vier Wände beschränktes Leben sich ebenso auch in den 50ern hätte abspielen können, und die Alleinerziehende Carla (Kathryn Hahn), die sich lieber betrinkt als ihrem Sohn beim Baseball zuzujubeln. Mit diesen Hauptfiguren treffen also unterschiedliche Frauen*- und Muttertypen aufeinander, die jedoch – und hier offenbart sich die Achillesferse des Films – eines gemeinsam haben: Sie sind weiß, schlank und schön. Und bis auf ein experimentelles Partyknutschen der ja ohnehin als promisk charakterisierten Carla auch heterosexuell. Die „schwarzen lesbischen Mütter“ oder „die Mütter, die mal Väter waren“ dürfen im Verlauf des Films Protagonistinnen eines Witzes sein, jedoch nicht selbst auftreten. In puncto Vielfalt lässt Bad Moms also reichlich Luft nach oben.

Schade, denn was der Film erzählt, holt nicht nur weiße, schöne, heterosexuelle Mütter ab, sondern im Grunde alle Frauen*, ja, vielleicht sogar alle Menschen. Die von außen an uns herangetragenen Maßregeln des Lebens, wie wir uns zu ernähren, zu kleiden und zu benehmen haben, wie wir unsere Kinder erziehen und die Wohnung einrichten sollen, haben längst ein erdrückendes Ausmaß angenommen. Es ist schlichtweg nicht mehr möglich, all diesen Anforderungen gerecht zu werden. Stattdessen ist eines ständig mit der eigenen Unvollkommenheit konfrontiert. Statt zu sehen was wir leisten, sehen wir nur, was wir wieder einmal nicht geschafft haben.

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So geht es auch Amy, Kiki und Carla und eigentlich auch ihren Kontrahentinnen, den vermeintlich perfekten Müttern, deren Leben sich ausschließlich um den nächsten Elternabend und schulischen Kuchenbasar dreht. Jede hat ihre eigene Form, die andauernde Unzulänglichkeit zu kompensieren, sei es mit Whiskey oder Überengagement. Das Schöne aber ist, dass Bad Moms entgegen seines Titels nicht eine einzige tatsächlich schlechte Mutter zeigt. Auch wenn sie sich im Supermarkt mit Vodka begießen, ja, selbst wenn sie beim Abendessen über ihre Brut herziehen, bleiben Amy, Kiki und Carla stets liebenswerte Supermamis, die für ihre Kinder sterben würden. Und Supermamas sind die drei Frauen* nicht obwohl, sondern weil sie sich betrinken, lästern und versagen. Die Bad Moms sind die Besten, weil sie zu ihren eigenen Fehlern stehen und damit ein tatsächliches anstatt ein rein performatives Vorbild abgeben. In dem Moment, in dem Amy sich selbst erlaubt, nicht perfekt zu sein, nimmt sie auch ihrer Tochter den Leistungsdruck. Kurzum: Entspannte Mamas sind gute Mamas.

Es ließe sich nun darüber streiten, ob Mila Kunis wirklich jemals wie eine gestresste Mutter wirkt. Im Gegenteil sieht sie auch mit Spagetti im Haar und nach dem Koitus noch wie ein Mannequin aus. Den Zwang äußerer Schönheit kann Bad Moms seinen Zuschauer_innen also leider nicht nehmen. Zweifelhaft ist auch die kapitalistische Logik der Geschichte, die Freiheit und Vergnügen nur im Zusammenhang mit Konsum definieren kann.

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Ich persönlich sehe über diese Wermutstropfen gerne hinweg. Bad Moms ist unterhaltsam, herzerwärmend und für einen Hollywoodblockbuster definitiv emanzipatorisch wertvoll. Selbst die obligatorische Love Story bleibt ein Nebenschauplatz, ist zu keinem Zeitpunkt dramaturgisch richtungsweisend. Stattdessen geht es um einen Prozess der Emanzipation und auch des Empowerments, um die Absage an vorgefertigte Rollenmuster, um den Mut zu sich selbst zu stehen, eigene Wege zu gehen, anstatt einem unerreichbaren Ideal hinterherzujagen. Der Weg dorthin führt über Freundinnenschaft, über das Zusammenhalten und nicht über Konkurrenz. Denn es geht eben nicht darum, andere auszustechen, darum die Schönste im ganzen Land oder die beste Mutter der Welt zu sein. Wir sollten nicht gegeneinander, sondern mit- und füreinander arbeiten und auch das ist eine emanzipatorisch wertvolle Botschaft, weil sie der patriarchalen Logik der Hierarchisierung, dem ewigen Machtgefälle zuwiderläuft.

Also: Bad Moms sind die Besten. Darauf heute ein Bier mit den Mädels. Aber das laute Aufstoßen bitte nicht vergessen!

Kinostart: 22. September 2016

Sophie Charlotte Rieger
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