Stellungnahme zum Film SIE SAGT. ER SAGT (ZDF)

Von Pro Quote Film e.V., Pro Quote Bühne e.V., KO – Kein Opfer e.V., Red Club und #MeToo Germany

Copyright ZDF/Julia Terjung

—> DIESER FILM IST EIN SCHLAG INS GESICHT FÜR ALLE MENSCHEN, DIE VON VERGEWALTIGUNG UND TRAUMA BETROFFEN SIND, WEIL DAS WICHTIGE THEMA GESCHLECHTSSPEZIFISCHER GEWALT RELATIVIERT WIRD.
—> LIEBES ZDF, WERDEN SIE IHRER VERANTWORTUNG GERECHT UND ÜBERLEGEN SIE IN ZUKUNFT GENAU, WELCHEN FILMEMACHER*INNEN SIE WELCHE THEMATIKEN ANVERTRAUEN !

Die Herren von Schirach und Berben scheint das Thema sexualisierte Gewalt umzutreiben. Sie werden nicht müde, ihre Sicht der Dinge kund zu tun, die sich allerdings vor allem in der Besorgnis um eine potenzielle Falschbeschuldigung und Vorverurteilung äußert. Immerhin haben sie seit der tendenziösen Serie Glauben ein bisschen dazugelernt, aber trotzdem ist es schockierend, wie schlecht recherchiert und stümperhaft die beiden Männer wiederholt Filme zu einem Thema machen dürfen, von dem sie nicht die geringste Ahnung haben.

Warum ist der Film „Sie sagt. Er sagt.“ (ZDF) so ärgerlich?

Laut Drehbuchautor von Schirach handelt der Film von dem angeblich unauflöslichen Dilemma, wenn vor Gericht Aussage gegen Aussage steht. Wieso musste für diese Fragestellung mal wieder ein Vergewaltigungsvorwurf herhalten? Wir können dieses Stereotyp nicht mehr sehen!

Das Thema der Falschbeschuldigung steht im Mittelpunkt der Handlung. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Falschbeschuldigung nur bei 3-8% liegt. Dies wird im Film zwar gesagt – die Dramaturgie behandelt beide Szenarien aber gleichwertig. Dadurch und durch die Überschrift „Ein Film – zwei Wahrheiten“ vermittelt sich die Botschaft, dass es genauso wahrscheinlich sei, dass die Frau lügt, wie, dass sie tatsächlich vergewaltigt wurde. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland – wenn man das Dunkelfeld mit einbezieht – nur eine von hundert Vergewaltigungen zu einer Verurteilung des Täters führt, ist es mehr als fraglich, wieso in diesen Film Rundfunkgebühren investiert wurden. Der Film ist sehr oberflächlich recherchiert, was sich in der komplett unrealistischen und unglaubwürdigen Handlung zeigt. Die thematisierten Traumafolgen stimmen nicht mit der
geschilderten Tat überein und sind in der von Ina Weiße verkörperten Figur nicht spürbar. Die Dialoge sind hölzern, die Figuren eindimensional. Der Film wird der komplexen Gefühlslage einer Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt nicht gerecht. Der Film wurde von einer fast reinen Cis-Männerriege um Matti Geschonnek (Regie), Ferdinand von Schirach (Drehbuch), Theo Bierkens (Kamera) und Dirk Grau (Schnitt) umgesetzt. Was hat das ZDF und Sarah Kirkegaard (MOOVIE) dazu bewogen, genau diese Cis-Männer mit diesem sensiblen Thema zu beauftragen? Ein gemischtgeschlechtliches Team in den inhaltlich relevanten Departments hätte zu einem besseren Ergebnis geführt.

Die Tat, die im Film beschrieben wird, bewegt sich wieder im Übergangsbereich zwischen Konsens und Vergewaltigung, der bereits von anderen Produktionen wie 37 Sekunden und Nichts, was uns passiert ausgeleuchtet werden sollte. Es vermittelt sich hier der Eindruck, dass es eine Tendenz gibt, das wahre Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland, das um ein vielfaches brutaler ist, in der Fiktion auszusparen.
Besonders ärgerlich ist, wenn Filmemacher Themen inhaltlich besetzen, von denen sie keine Ahnung haben und dies hinterher dazu führt, dass Projekte von Menschen mit fundiertem Wissen mit dem Argument „Das hatten wir schon“ abgelehnt werden. Es ist keinesfalls hinnehmbar, wenn dieser Film die deutsche Antwort auf #MeToo sein soll.

—> Gute Vorschläge zum Umgang mit dem Thema geschlechtsspezifische Gewalt bietet das Impulspapier „Geschlechtsspezifische Gewalt in Kino, Streaming und Fernsehen“, das gemeinsam von der MaLisa Stiftung und WIFT herausgebracht wurde.

—> Wir brauchen mehr Filme zu diesem gesellschaftlich relevanten Thema, die aus der Betroffenenperspektive erzählt werden und von Drehbuchautor*innen und Regisseur*innen mit fundiertem Wissen umgesetzt werden.

—> Hierbei ist auch zu beachten, dass FINTA*-Filmschaffende die gleichen Budgets und die gleichen prominenten Sendeplätze bekommen wie ihre cis-männlichen Kollegen.

Berlin, 4. März 2024

(Anmerkung der FILMLÖWIN-Redaktion: Unsere Gründerin berät Produktionen zum Thema Darstellung von und Umgang mit sexualisierter Gewalt – auch ein Sensitivity Reading bzw. eine Beratung hätten hier einen großen Unterschied gemacht.)