IFFF 2015: Warum kennt keine_r Elisabeth Wilms?

© Stadtarchiv Dortmund

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In ihrer Heimat im Ruhrgebiet ist Elisabeth Wilms, auch gerne die „filmende Bäckerin“ genannt, durchaus der_m einen oder anderen bekannt. Ich jedoch, wie ich hier beschämt zugeben muss, hatte ihren Namen vor dem IFFF 2015 noch nie gehört und ich möchte an dieser Stelle auch die steile These aufstellen, dass es einem Großteil meiner Leser_innen ebenso geht. Umso schöner wenn ein Festival dann Gelegenheit bietet, diese Wissenslücken zu füllen.

Elisabeth Wilms ist nämlich nicht nur eine Bäckersfrau, die aus purer Lust an der Freude eine Kamera in die Hand nahm und ihr Umfeld auf Film bannte, sie hat auch einzigartige historische Dokumente geschaffen. Aufnahmen Dortmunds vor und insbesondere nach dem Krieg, Bilder, wie wir sie sonst nirgends sehen können.

Aber jetzt greife ich in meinem Elisabeth Wilms Erlebnis vor, denn die Filmvorführung beim Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln begann mit zwei anderen Werken. Zunächst wurde dem Publikum der äußerst unterhaltsame 60er Jahre Werbespot Vom Bäckermeister: Quarkgebäck gezeigt, der insbesondere die Damen unter uns darüber informierte, wie gut diese Süßigkeit für die Figur sei. Sehr aufschlussreich. Während es sich hier augenscheinlich um eine Auftragsarbeit handelte, entstand der nächste Film, Alt-Dortmund Unzerstört ganz unter der Eigenregie von Elisabeth Wilms. Wie ein Mosaik, das sich Stück für Stück zu einem großen Bild zusammensetzt, montiert Wilms hier einzelne, repetitiv wirkende Alltagsszenen des Vorkriegsdortmund zu einem vierminütigen dokumentarischen Stummfilm zusammen.

Das Kontrastprogramm hierzu bot dann Alltag nach dem Krieg. Die Aufnahmen des zerbombten Dortmund, von zerlumpten Kindern, Hunger und Armut hat Wilms später mit eigenen Kommentaren und Erinnerungen übergesprochen, so dass ein sehr eindrückliches Zeitzeugnis einer geradezu postapokalyptisch wirkenden Nachkriegsstadt entsteht.

Der Weihnachtsbäcker

© Stadtarchiv Dortmund

Als weitaus erbaulicher und überraschend als faszinierendster Film der kleinen Reihe entpuppte sich Der Weihnachtsbäcker, bei dem Wilms den Backprozess einer Bäckerei vor dem Heiligabend verfolgt. 1943 gedreht zeigt Der Weihnachtsbäcker handwerkliche Fähigkeiten, die uns heute im Zeitalter der Massenproduktion den Atem rauben. Zudem sind die Bilder von großer Sinnlichkeit, greifen die Bäcker hier doch noch mit beiden Händen in Mehl und Teig, modellieren Marzipanfrüchte oder gießen Baumkuchen in Handarbeit. Ebenfalls stumm fordert dieser Film die volle visuelle Aufmerksamkeit seines Publikums ein. Die uns grundsätzliche bekannte Tätigkeit des Weihnachtsbackens erzeugt einen (emotionalen) Bezug zu den Bildern auf der Leinwand und lässt uns voll und ganz in das Schauspiel eintauchen. Die zwölf Minuten Film sind tatsächlich viel zu schnell vorbei!

© IFFF Dortmund/Köln

© IFFF Dortmund/Köln

Für mich als Berlinerin weit weniger fesselnd gestalteten sich die Dortmund-Filme Dortmunds neue Westfalenhalle und Gestatten Dortmund, wobei ersterer ähnlich wie Der Weihnachtsbäcker faszinierende Bilder von zeitgenössischem Handwerk präsentiert. Der Bau der Westfalenhalle Anfang der 50er Jahre ist mit den damaligen Mitteln wirklich ein atemberaubendes weil abenteuerliches Unterfangen. Aber zum Plätzchenbacken habe zumindest ich einen stärkeren persönlichen Bezug.

Solltet ihr also jemals die Möglichkeit haben, Der Weihnachtsbäcker oder Alltag nach dem Krieg von Elisabeth Wilms zu sehen, dann nehmt sie unbedingt wahr. Elisabeth Wilms war eine echte Filmlöwin, deren Werke jede_r mal gesehen haben sollte.

Sophie Charlotte Rieger
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