Gut gebrüllt: Julia C. Kaiser spricht über Das Floß!
Julia C. Kaisers Langfilmdebut Das Floß! läuft gerade bei Achtung Berlin, einem meiner absoluten Lieblingsfestivals. Leider kann ich dieses Jahr nicht dabei sein (man_frau kann ja nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen), aber ich wollte doch unbedingt die Chance ergreifen, Julia für GUT GEBRÜLLT zu ihrer Arbeit zu interviewen.
Woher kam die Idee zu Das Floß!?
Julia: Die Idee einen Impro-Film zu machen entstand 2012 zwischen Julia Becker, der Mitproduzentin und Hauptdarstellerin, und mir. Das Projekt sollte nicht nur als freie Produktion entstehen – also: vollkommen unabhängig von Sendern und Förderungen – es sollte auch inhaltlich auf allen Ebenen die größtmögliche kreative Freiheit gestatten.
Und wie habt ihr eure Geschichte gefunden?
Julia: Sehr schnell kamen wir auf den ungewöhnlichen Spielort des Floßes und auf den Rahmen eines Junggesellinnenabschieds. Ein für mich zentrales Thema ist das Hinterfragen von gesellschaftlichen Rollenmustern. Also lag die Idee nahe, das sehr klassische Element eines Junggesellinnenabschieds zu nehmen, um ihn dann ‚auf den Kopf‘ zu stellen: Eine lesbische Braut feiert mit ihren besten männlichen Freunden. Aber – und das passt Katha gar nicht – der Samenspender ihres zukünftigen Kindes, das sie mit ihrer Freundin haben will, wurde auch eingeladen…!
Es sollte aber in der Geschichte eben nicht allein um die Problematik gehen, dass zwei Frauen, damit sie ein Kind zusammen haben können, einen Samenspender brauchen. Deshalb entwickelte sich sehr schnell der zweite Erzählstrang der Geschichte: Kathas Freundin Jana feiert auch ihren Junggesellinnenabschied und wird hier mit einem unangenehmen Überraschungsgast konfrontiert.
Und schon geht es in der Geschichte um Dinge, die geschlechter- und identitätsunabhängig funktionieren und die uns deshalb alle berühren.
Was ist für Dich der Kern der Geschichte?
Julia: Der Mut zumindest mal die Absicht zu erklären, sich ein Leben lang an einen Menschen zu binden – sei es nun Kind, Partner oder beides.
Die Hauptfigur Katha muss lernen, NICHT in herkömmlichen Mustern zu denken; und es ist der am konservativsten wirkende Charly, der sich als Träger dieses ‚queeren‘ Geistes entpuppt.
Wenn sich am Ende der FLOß-Fahrt vielleicht bei uns allen die zarte Vermutung einstellt, dass es keine Rolle spielt, ob wir nun konventionell oder alternativ unserem Glück hinterher hechten, ist es geglückt: Wir alle machen dabei nämlich die gleiche tragisch-komische Figur…
Mir ist aufgefallen, dass Du, obwohl der Film um ein gleichgeschlechtliches Paar kreist, mit den beiden Junggesellinnenabschieden eine männliche und eine weibliche Sphäre trennst (auf der einen Party sind ausschließlich Männer, auf der anderen nur Frauen). Weshalb?
Julia: Weil es in der Geschichte um genau das geht: Es kann keine weibliche und männliche Sphäre geben, bzw. nur bis zu einem gewissen Punkt und dann scheitert das Model. Die Hauptfigur Katha versucht genau diese binäre Rollenverteilung aufrecht zu erhalten, muss aber ständig feststellen, dass das nicht durchzuhalten ist. Die Figuren versuchen in den Kategorien ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ zu denken und zu handeln – und wir Zuschauer versuchen die Geschichte so zu lesen, müssen aber immer wieder feststellen, dass das nicht klappt. Das sind – vermute ich – die Momente, in denen wir am lautesten lachen im Film.
Das Schauspiel wirkt immens authentisch. Wie viel war geskriptet, wie viel improvisiert?
Julia: Als Basis hatten wir eine Art Drehbuch, dass wir als Grundlage verwendet haben: Es war ein Versprechen, dass jeder Zeit gebrochen werden konnte, wenn uns am Set, beim drehen, bessere oder schlüssigere Ideen eingefallen sind. Grundsätzlich kann man sagen, dass wir nach dem Prinzip gearbeitet haben: Was passiert ist festgelegt, aber wie es passiert entscheidet sich erst in dem Moment, wenn wir es drehen.
Worum geht es Dir beim Filmemachen? Was ist Dir wichtig? Was sind Deine Ziele?
Julia: Ich bediene mich mit dem Medium Film einem verführerisch vielschichtigen, leicht zugänglichen und daher sehr mächtigen Instrument, um meine Geschichten zu erzählen. Vielleicht kann es gelingen, dass ich durch meine Geschichten einen positiven, freiheitlichen Geist vermittle. Geschichten, die zu Tränen rühren und zugleich zum Schreien komisch sind – denn für mich ist das Leben kein deutsches Drama! Wahrhaftigkeit und ein schonungsloser Blick auf die Realität wird in Deutschland meiner Meinung nach häufig mit deprimierender Tristesse verwechselt.
Welches sind für Dich als junge Filmemacherin die größten Hürden?
Julia: Der Schutz meiner Inhalte, die ich erzählen möchte, bedeutet für mich die größte Herausforderung. Jede Geschichte, die einen ungewohnten Ton anschlägt, die mit einer ungewöhnlichen Arbeitsweise hergestellt werden soll, die aus weniger populären Lebenswelten erzählt, oder die eine ungewöhnliche Haltung zur Welt einnimmt, hat es schwer. Aber ich habe den inneren Drang und ich sehe es sogar als meine Aufgabe genau solche Geschichten zu erzählen. Eine der größten Hürden besteht natürlich darin einen Weg zu finden, bei dem sich die künstlerische Integrität und der Anspruch von meinem Beruf leben zu können, nicht ausschließt.
Wie stehst Du zur Regie-Quote? Brauchen wir sie oder nicht und warum?
Julia: Ich denke, es ist ein guter Weg und ein guter Schritt eine geschlechtliche Gleichberechtigung zunächst mal künstlich vorzunehmen, damit sich gedankliche Muster in unseren Köpfen verändern können. Meiner Meinung nach ist das doch eine großartige Stärke, die wir als Menschen nutzen können: Wir stellen rational fest, dass gewisse Zustände nicht stimmen und können uns selbst umerziehen.
Abgesehen von der Regie-Quote: Was könnte die Arbeit von Filmfrauen erleichtern? Was kann getan werden, um für mehr Gleichberechtigung im Filmbusiness zu sorgen?
Julia: Es muss doch eigentlich schon viel früher auf mehr Gleichberechtigung geachtet werden: Schon bei der Aufnahme an Filmhochschulen. Ich denke aber, dass es vor allem um Haltungen geht, die sich durchsetzen müssen – die aber auch jemanden brauchen, der sie durchsetzt. Meiner Meinung nach ist die Vernetzung von Frauen innerhalb der Branche noch viel zu zaghaft und ich hoffe aber sehr und meine das auch schon deutlich zu spüren, dass sich das mit der jetzigen Generation ändern wird.
Aufführungstermine von Das Floß! bei Achtung Berlin 2015:
Freitag, 17. April, 20:00 Uhr, Babylon 1
Samstag, 18. April, 22:15 Uhr, Tilsiter
Dienstag, 21. April, 21:30 Uhr, Passage
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