Generation Wealth

von Sophie Brakemeier

Die Frage, wie Geld und Glück zusammenhängen, ist so alt wie das Geld selbst und doch nicht richtig zu beantworten. Mit dem Dokumentarfilm Generation Wealth unternimmt die Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield (THIN,The Queen of Versailles) dennoch einen Versuch und geht dabei der Frage nach, welche Auswirkung die Obsession mit Reichtum, Schönheit und Status auf das Leben der unterschiedlichsten Menschen hat. Dafür führt sie nicht nur zahlreiche Interviews, sondern gräbt auch in ihrer eigenen Biographie und Familiengeschichte. Was dabei herauskommt, ist einerseits ein umfassendes, aber doch sehr oberflächliches Porträt einer statusfixierten Gesellschaft, und andererseits die Abbildung eines intimen Prozesses der Selbsterkenntnis, den Lauren Greenfield mit ihren Zuschauer_innen teilt.

Florian Homm sitzt auf einem Sofa und bläst den Rauch einer Zigarre in die Kamera.

© jip film & verleih

Aber mal ganz von vorn: Der Film Generation Wealth ist Teil eines dreigeteilten Projektes, an dem Lauren Greenfield schon seit 25 Jahren arbeitet. Die anderen Teile bestehen aus einer Fotomonografie und einer musealen Ausstellung, die beide schon 2017 veröffentlicht bzw. eröffnet wurden. Der Dokumentarfilm schließt diese Trilogie ab und verarbeitet dabei unter anderem den Entstehungsprozess der Fotografien, die im Mittelpunkt des Projektes stehen. Das Konzept von „Wealth“, welches in Generation Wealth gezeigt wird, lässt sich dabei nicht einfach mit dem deutschen Wort „Reichtum“ übersetzen. Vielmehr steht es hier für die Illusion, Glück durch einen Lebensstil zu erfahren, der von Geld, Schönheit und Ruhm geprägt ist.

Was der Film zeigt, ist gleichzeitig schockierend und absurd. Von Limousinen mit Swimmingpool und Hubschrauberlandeplatz über Beinprothesen im Louis Vuitton-Stil bis zu Bibliotheken voller Bücher, die zu wertvoll zum anfassen sind, dokumentiert Lauren Greenfield zahlreiche Kuriositäten des superreichen Lifestyles und der Jagd auf diesen. Gleichzeitig präsentiert sie Geschichten des Verlusts und des Scheiterns. Sie lässt Menschen zu Wort kommen, die ihre Familie, ihre Gesundheit und ihre Lebensgrundlage verloren haben. Statt allerdings die Geschichten für sich selbst sprechen zu lassen, bedient sich der Film den billigsten Mitteln der Gefühlshascherei. Traurige Pianomusik und lange Close-Ups auf die Gesichter der Interviewpartner_innen sollen den Zuschauenden suggerieren, dass sie hinter die Fassade jener blicken können, die dort auf der Leinwand ihr Inneres preisgeben.

Eine junge Frau und zwei junge Männer sitzen in einem geöffneten Cabrio. Die Männer sind oberkörperfrei.

© jip film & verleih

Nun mag mensch es vielleicht nicht so schlimm finden, wenn ein essayistischer Dokumentarfilm auch ein bisschen tendenziös ist, doch Generation Wealth gibt sich darüber hinaus auch in großen Teilen unsachlich. Schon in den ersten 40 Minuten werden so viele Aspekte angerissen, dass der Film es leider versäumt sie alle in einen nachvollziehbaren  Zusammenhang zu setzen. Es geht um den Wechselkurs zwischen Dollar und Gold, die Reagan-Ära, Banken, den American Dream, Fernsehen, Berühmtheit, Schönheitswahn, Körperbilder, Essstörungen, die Objektifizierung weiblicher* Körper, Drogen, Porno, Schwangerschaft, Finanzkrise, Selbstmord, Schönheitswettbewerbe und vieles mehr. Die Regisseurin spricht darüber mit Manager_innen, Musiker*innen, Pornodarsteller*innen, Müttern, ihren Eltern, ihren Söhnen und vielen mehr. Alle werden zu ihren eigenen, privaten – größtenteils tragischen – Geschichten befragt. Der Journalist und Politikwissenschaftler Chris Hedges stellt dabei die einzige Expert_innenstimme dar. Damit schafft es Lauren Greenfield zwar die verschiedenen Dimensionen von „Wealth“ aufzuzeigen, versäumt es aber, ihren kritischen Fokus von den Lebensentscheidungen einzelner Menschen auf jene gesellschaftlichen und damit auch psychologischen Zustände zu übertragen, die  das Begehren nach “Wealth” entfachen Die pathetische Weltuntergangsdramatik am Ende des Films, die den Untergang unserer Zivilisation beschwört, setzt dem noch die Krone auf.

Generation Wealth wirft mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Das ist sehr schade, da der  Film die destruktive Obsession mit “Wealth” sehr deutlich macht – vor Allem für Frauen* – die Gründe dafür aber kaum benannt werden. Frauen* stehen zwar im Fokus der Geschichte, doch verschweigt uns Lauren Greenfield, warum es ausgerechnet jene sind, die an den Ansprüchen des „Wealth“-Lebensstil scheitern. Kein Wort von gesellschaftlichen Sanktionen, wenn Frauen* nicht den vorherrschenden Körperbildern und Schönheitsidealen entsprechen. Kein Wort über die Doppelstandards in Bezug auf Karriere und Mutterschaft, an denen viele zerbrechen. Kein Wort über ungleiche Vermögensverteilung. Stattdessen werden Protagonistinnen gezeigt, die sich zum Ende des Films hin als geläutert präsentieren, die nun wissen zu scheinen, wo sie Fehler gemacht haben – als handele es sich bei ihrem Verhalten um individuelle Fehlleistungen und nicht die Konsequenzen eines patriarchalen und kapitalistischen Systems.

Eine junge Mutter steht neben ihrer Tochter in einem edel eingerichteten Haus. Auf dem Pullover der Mutter steht "I'm a Luxury"

© jip film & verleih

Lauren Greenfield selbst ist eine dieser Frauen*. Sie verwebt ihre eigene Geschichte mit denen der anderen und gibt dem Film damit eine persönliche Note, die ihm durchaus gut tut. Sie erzählt davon, wie sie  auf anthropologischen Forschungsreisen mit ihren Eltern aufwuchs , sich auf der Privatschule als Außenseiterin fühlte und als Workaholic ständig von ihren Söhnen ist. In einer Schlüsselszene des Films trägt Greenfields jüngster Sohn Gabriel einen Aufsatz vor, den er geschrieben hat. In diesem offenbart er, wie sehr ihn der berufliche Erfolg seiner Mutter und der schulische Erfolg seines großen Bruders unter Druck setzen. „An manchen Tagen verfolgt mich mein Erbe wie eine Idee, die sich im Kopf festgesetzt hat, und die man nie wieder aus dem Kopf kriegt, egal, wie sehr man versucht sie zu ignorieren“, sagt er in dieser Szene und bringt seine Mutter damit zum Nachdenken. Inwiefern ist ihre Karriere und ihr Werdegang davon beeinflusst, dass ihre Eltern in Harvard studiert haben? Wie stark hat sich der Gedanke von Erfolg und Prestige, von „Wealth“, schon in ihrem Leben festgesetzt? Generation Wealth hätte an dieser Stelle die Möglichkeit gehabt, die mentalen Strukturen zu problematisieren, aus denen frau sich nur schwerlich ohne gesellschaftliche Sanktionen befreien kann..  Doch stattdessen begibt sich Lauren Greenfield auf eine Fehlersuche bei sich selbst.

Die Regisseurin Lauren Greenfield steht vor einem Spiegel und macht ein Foto von sich selbst.

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Es ist schade, dass sich fast alle Stärken des Films als zweischneidiges Schwert erweisen. Die vielfältigen und interessanten Persönlichkeiten, die ihre Geschichte erzählen, verhindern einen thematischen Tiefgang. Die Filmemacherin, die sich mit ihrer persönlichen Entwicklung als Identifikationsfigur anbietet, bleibt während ihrer Reflexion genau dort stehen, wo das emanzipatorische Potential des Films schlummert. Was letztendlich bleibt, ist das uneingelöste Versprechen, eine Glücksillusion zu entlarven, und eine Moral, die so platt wie selbstverständlich ist: “Geld allein macht nicht glücklich”. Vielleicht ist es nicht schlecht, dieses Mantra so oft wie möglich zu wiederholen, doch in den 110 Minuten von Generation Wealth hätte mehr Erkenntnis stecken können.

Kinostart: 31. Januar 2019

Sophie Brakemeier