Gast-Löwin: Drei Gedanken zu: TERMINATOR: DARK FATE

von Gast-Löwin Rochus Wolff

Achtung: Ohne Spoiler macht das keinen Spaß.

Terminator: Dark Fate dreht, gewissermaßen, die Uhr zurück: Alles, was in dem Franchise nach Terminator 2 – Tag der Abrechnung passiert ist, wird in den ersten paar Minuten des Films (dem nunmehr sechsten) für nichtig erklärt, eine neue Zeitleiste etabliert: John Connor wurde, kurz nachdem er mit seiner Mutter Sarah (Linda Hamilton) den Krieg der Maschinen gegen die Menschen verhindert hatte, von einem übriggebliebenen Terminator ermordet. Seitdem bekämpft Sarah die immer wieder mal auftauchenden Terminatoren, sobald sie aus der Zeit fallen. Als aber der Rev-9 (Gabriel Luna) Jagd auf die junge Dani Ramos (Natalia Reyes) macht, steht dieser eine junge Frau zur Seite: Grace (Mackenzie Davis), eine Soldatin aus der Zukunft.

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© 2019 Twentieth Century Fox

1. Drei Frauen: Es wurde langsam Zeit.

Geschichte wiederholt sich im Kino ja gerne einmal; in seiner Grundkonstellation greift Dark Fate auf, was James Cameron 1984 mit Terminator gemacht hatte: Ein menschlicher Soldat verteidigt eine junge Frau gegen eine übermenschlich-unmenschliche Maschine.

Nur dass hier die Verhältnisse anders stehen: Es kämpfen drei Frauen gegen eine Maschine, eine der Frauen  „enhanced“, mit Implantaten stärker und schneller gemacht, was Davis‘ Grace zu einer (ja doch) so dynamischen wie anmutigen Kampfmaschine macht. Und statt der männlichen Erlöserfigur John Connor (Kommentator: innen wussten immer schon darauf hinzuweisen, dass Johns Initialen JC sowohl die von Großregisseur James Cameron – der bei Dark Fate als Produzent mit an Bord war – als auch die von Jesus Christus sind… die Fantasie vom männlichen Erlöser wird also schon mit sehr breitem Pinsel aufgetragen) ist es diesmal die Latina Dani, die die Welt retten wird.

Endlich, endlich stellt das Franchise mit seinem Männlichkeitsgehabe ganz und gar die Frauen in den Fokus. Endlich gelingt es ihm, auch die männliche Erlöserfigur abzustreifen, auch wenn Sarah damit noch Schwierigkeiten hat („She is John!“ ist ihr Versuch, ihr eigenes Weltbild zurecht zu rücken). Die junge, patente Latina, die vorher schon das Leben für ihren Vater und ihren Bruder organisiert hat, ist diejenige, die Menschen zusammenbringen und zusammenhalten wird gegen die Maschinen. „Ohne dich“, erklärt Grace ihr einmal, „werden wir alle sterben“.

© 2019 Twentieth Century Fox

Grace ist dabei paradoxerweise von den dreien die vielleicht verletzlichste: Ihre Implantate schützen sie gegen Gewalt von außen, ihren Verletzungen und Abschürfungen gegenüber wirkt sie geradezu gleichgültig; aber die Implantate erschöpfen sie auch schnell, sie benötigt nach ihren Einsätzen immer wieder Medikamente, und vor allem ist sie diejenige, die – von den Kampfhandlungen der Zukunft, die sie nun verhindern will, schon kräftig traumatisiert – emotional am stärksten involviert ist.

Davis füllt die Rolle großartig aus, indem sie Grace vor allem als ernsthafte, etwas ungeduldige Kämpferin verkörpert, die flucht und droht und jedenfalls keine Zeit für irgendwelchen Kleinscheiß hat. Insofern ist sie das perfekte Gegenüber für Hamiltons Sarah. Hamilton wiederholt nicht einfach die ikonische Figur aus Terminator 2, sie gibt ihr neue Tiefe: Eine Mutter, die immer noch ihrem Sohn nachtrauert, ihren Kampf weder aufgeben will noch kann, no-f*cks-to-give, verhärmt und verhärtet, eine einzige Freude. Und auch sie ist stellenweise verletzlich unter der biestigen Schale, und nebenbei ist sie natürlich trotzdem kein bisschen kleinzukriegen. „Ich habe die Welt gerettet – reicht dir das als Lebenslauf?“

Die einzig ganz und gar noch menschliche, nicht traumatisierte im Trio ist Dani, auch wenn sie in rascher Folge Vater und Bruder und Weltbild verliert – aber es ist ja genau diese Menschlichkeit, die sie retten wird. Nicht technische Machbarkeit, nicht Kampf sind der Weg zum Sieg gegen die Maschinen – sondern das zu tun, das zu sein, was sie nicht sein können.

© 2019 Twentieth Century Fox

2. Machine Learning: Menschlichkeit als Re-Enactment

Natürlich taucht Arnold Schwarzenegger als „T-800“ noch einmal auf – integriert in ein oberflächlich menschliches Leben, mangels eines Missionsziels auf Sinnsuche, und der Film versucht ein wenig Komik daraus zu ziehen, dass dieser bullige Körper sich als Fachmann für Gardinen und Vorhänge niedergelassen hat. Als „Carl“ hat er eine Frau mit Sohn gewissermaßen adoptiert („our relationship is not physical“), die von dem Mann und Vater geschlagen wurden.

All das soll natürlich bedeuten, wie nicht bedrohlich dieser Roboter für Menschen geworden ist; insbesondere soll es auch die aggressive Männlichkeit abpolstern, die diesem Körper als äußerlicher Signifikant mitgegeben war. Schon Terminator 2 – Tag der Abrechnung wollte dem vorher so gefühllos-harten Roboter etwas Menschlichkeit als Vaterfigur zuschreiben. In Dark Fate wird nun als quasi-tragische Rolle des maskulinen Roboters beschrieben, dass er nicht so lieben könne, wie Menschen das tun.

Die Suche nach einem Lebenssinn versteht dieser Roboter dann auch relativ wörtlich – er schreibt seit Jahren heimliche Nachrichten an Sarah und verrät ihr, wo sich bald wieder ein Terminator materialisieren wird. (Wie er das weiß, wird im Film mit Wissenschaftsblafasel in zwei Sätzen abgehandelt, schenken wir der Sache hier also nur einen.) Das soll, neben der Adoptivfamilie, seinem Leben Sinn geben – und, so beschreibt er es, er hoffe, damit auch Sarahs Leben einen Sinn zu geben.

Dass diese Anmaßung – der Roboter, der ihren Sohn ermordet hat, erhebt sich ihr gegenüber in eine sinnstiftende, gottesähnliche Position – (die natürlich Voraussetzung dafür ist, dass sich die drei Protagonistinnen treffen) von niemandem thematisiert und angegriffen wird, ist in der Charakterlogik des Films die größte, schwerwiegendste Auslassung; und es ist ein Zeichen dafür, dass sich der Film (mit seinem Drehbuch von David S. Goyer, Justin Rhodes und Billy Ray, unter der Regie von Tim Miller) eben doch noch nicht von einem männerzentrierten Weltbild verabschieden kann: Da können die Haupt- wie viele Nebenrollen noch so weiblich besetzt sein, Arnie bestimmt immer noch das Geschehen. Dabei ist er schon spätestens seit Terminator 2 eh nicht mehr die interessanteste Figur.

© 2019 Twentieth Century Fox

3. Der Film liebt seine Oberflächen

Graces „Verbesserungen“ liegen zum Teil buchstäblich direkt unter ihrer Haut – bei Abschürfungen kommt ein Metallgitter zum Vorschein, das sie offenbar vor Verletzungen schützt. Viel tiefer als das gehen in Terminator: Dark Fate auch die politischen Positionierungen und philosophischen Gedanken nicht. Oder anders formuliert: Das Terminator-Franchise scheitert nach wie vor daran, sich jenseits des Zeit-Paradoxons und der doch insgesamt erheblichen Schauwerte wirkliche Sinnstiftung zu verschaffen. Zum Beispiel ruft der Film sehr explizit die amerikanische Migrationsdebatte auf, wenn Dani  als „undocumented immigrant“ mit ihren Begleiterinnen versucht, über die Grenze in die USA zu gelangen – und erst von einem Schleuser an und durch die Mauer gebracht wird, bevor sie dann auf der anderen Seite in einem Internierungslager landet. Es bleibt aber bei diesem oberflächlichen Bezug; und das spiegelt sich eben leider auch im Umgang des restlichen Films mit seinen Figuren und sogar den Actionsequenzen. Terminator 2 ist ja nicht nur wegen seiner Figurenkonstellation und Spezialeffekte ein toller Film, sondern nicht zuletzt auch wegen der wirklich gekonnt inszenierten, außergewöhnlichen Actionsequenzen.

© 2019 Twentieth Century Fox

Dark Fate hat haufenweise Action – ist aber so überladen, dass keine einzelne davon wirklich im Gedächtnis bleibt. Die Sequenz im abstürzenden Transportflugzeug (die nicht von ungefähr an Mission Impossible: Rogue Nation erinnert) ist auch so chaotisch inszeniert, dass man in der Tat kaum den Überblick behalten kann, wer nun eigentlich gerade wo ist und was genau vor sich geht.

Genau auf diese Weise geht der Film auch mit seinen Themen um: Er wirft immer wieder Begriffe und Anspielungen in die Tonspur – Migration, Sarah als „Mother Mary“, Menschlichkeit als entscheidender Hebel im Kampf gegen die Maschinen –, aber es bleibt dann bei diesen kurzen Hinweisen. Nie geht der Film tiefer als „skin deep“. Es ließe sich allein an der Figur des neuen Terminators so viel fragen. Warum tritt er, wie schon der T-1000 in Terminator 2, so gerne in Uniform auf? Was hat es für seine Körperlichkeit zu bedeuten, dass er sich in zwei Roboter ein nacktes Metallskelett und eine fluid-anpassungsfähige Form wie der T-1000, aufteilen kann? Warum erscheint er überhaupt als männlich? Wäre eine weibliche Form – Luna spielt seinen Terminator als durchaus charmante, gelegentlich ironisch auftretende Figur – nicht im Sinne der „Infiltration“ noch effektiver gewesen?

Oder soll das doch suggerieren, dass Kooperation, Mitgefühl, Verständnis, alle die Verhaltensweisen also, die Dani zeigt, exklusiv „weibliche“ Werte sind – und dass die Künstliche Intelligenz, die hinter dem Rev-9 steht, nur in davon völlig getrennten „männlichen“ Kategorien handeln kann: Kampf, Vernichtung, Gefühlskälte? Versteckt sich, mit anderen Worten, in Terminator: Dark Fate eine neue Variation des alten Liedes der wesensverschiedenen Geschlechter: böser Mann, gute Frau – nur dass diese halt jetzt auch ballern und draufkloppen kann?

Man wüsste gerne mehr darüber, aber Tim Miller lässt sich und uns nie die Zeit, etwas tiefer hineinzuschauen. Stattdessen sehen wir nur knallige Oberfläche und haben viele, viele Fragen.

© 2019 Twentieth Century Fox

Fazit

Natürlich hat das Terminator-Franchise seine Frauen immer wieder in den Vordergrund geschoben: In Terminator 2 war Linda Hamiltons Sarah Connor der eigentliche Star, im ansonsten eher fragwürdigen Terminator: Genisys durfte sie in anderer Gestalt ganz anders sein, und die TV-Serie The Sarah Connor Chronicles ist sowieso völlig unterschätzt.

Obwohl Linda Hamilton und Mackenzie Davis sich mit Fäusten und Füßen hineinwerfen, haben sie gegen Inszenierung und Drehbuch letztlich keine Chance: Terminator: Dark Fate ist leider nur ein mittelmäßig interessanter, wenngleich recht unterhaltsamer Film geworden. Vielleicht sollte man das Franchise einschmelzen und mehr Energie in andere neue Actionheldinnen investieren.

Kinostart: 24.Oktober 2019

Über die Gastlöwin

Rochus Wolff überlegt immer noch, ob er sein Buch über Actionheldinnen im Kino endlich schreiben sollte. Bis dahin konzentriert er sich auf Kinderfilme. Auch auf Twitter als  @rrho zu finden.