Frauen bildet Banden – Eine Spurensuche zur Geschichte der Roten Zora

Lea Gronenberg

Die militante Frauen*gruppe Rote Zora verübte in den 1970er- und 1980er-Jahren Anschläge auf Sexshops und Bekleidungsgeschäfte, sie stattete Vergewaltigern und Frauen*händlern „Hausbesuche“ ab. Inhaltlich orientierten sie sich an den Debatten der Frauen*bewegung, in der die Aktionen jedoch nicht unumstritten waren. Das FrauenLesbenFilmCollectif LasOtras zeichnet im Dokumentarfilm Frauen bildet Banden – Eine Spurensuche zur Geschichte der Roten Zora die Entwicklung der Zoras nach und fragt, welche Bedeutung ihre Analyse und Praxis für die Frauen*bewegung hatten und wie aktuell diese noch heute sind.
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In nachgesprochenen Interviews berichten zwei ehemalige Zoras, die sich und andere Aktivist_innen noch heute schützen und deshalb nicht vor der Kamera in Erscheinung treten möchten, von der Organisation. Ihre Bedenken sind angesichts der Repressionswelle Ende der 1980er Jahre gegen die Rote Zora verständlich. Interviews mit Aktivistinnen sind entsprechend selten und die Berichte der beiden so spannend, dass die Beliebigkeit der Schnittbilder verzeihbar ist.

© Umbruch Bildarchiv

Die Frauen*gruppe ging aus den Revolutionären Zellen – einer militanten, linksradikalen Gruppe, die sich selbst als “Stadtguerilla” verstand – hervor, ihr Name greift das Kürzel dieser Zellen auf und ist angelehnt an das Buch Die rote Zora und ihre Bande. Frauen*banden zu bilden stand im Mittelpunkt der Aktivitäten der Roten Zora. Die Fragen, inwiefern Männer* in Kämpfe einbezogen werden und gemischte Gruppen patriarchale Verhältnisse reproduzieren, sowie das Bedürfnis Rückzugsräume für FLTI* (Frauen, Lesben, Trans*- und Inter*-Menschen, also Personen mit Sexismuserfahrungen) zu schaffen, sind für Feministinnen noch immer aktuell. Die Zoras beschreiben im Interview, dass der Frauen*zusammenhang sie mutiger gemacht habe und dort Freundinnenschaften entstanden seien, die teilweise bis heute bestehen.

Die Frauen* in der Roten Zora wollten wie das Mädchen* im Roman frech sein, bewusst Gesetze übertreten und auf diese Weise mit dem gesellschaftlichen Bild von Frauen* brechen. Diese Aus- und Aufbruchsstimmung kommt selbst in den nachgesprochenen Interviews der inzwischen älteren Frauen* rüber. Nachvollziehbar wird auch ihre Entscheidung zur Militanz. Gewalt verstanden sie als eine Gegengewalt zu den bestehenden Verhältnissen: „Rassismus und Sexismus töten, ebenso die Ökonomie“. Die Aktionen richteten sich gegen eine Normalität, in der Frauen* unterdrückt und ausgebeutet werden, Unbeteiligte sollten davon nicht getroffen werden. Über militante Haltung und Handlung gewannen die Aktivistinnen Handlungsfähigkeit, die sie an andere Frauen* weitergeben wollten. Sie stellten sich damit gegen die grundsätzliche Haltung von Teilen der Frauen*- und Friedensbewegung, dass Gewalt immer patriarchal sei. Der Dokumentarfilm lässt die Zuschauer_innen teilhaben an dieser Selbstermächtigung und kann Feminist_innen – unabhängig von der Wahl der Mittel – auch heute noch inspirieren.

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Zeitzeuginnen* aus der Frauen*bewegung in Deutschland, Lateinamerika, Korea und Italien beschreiben in Interviews, wie die Aktionen der Roten Zora sie ganz persönlich beeindruckten und beeinflussten. Dies wird beispielhaft an den Protesten gegen die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Südostasien, gegen Zwangssterilisationen als Mittel zur Bevölkerungskontrolle in Schwellenländern und für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung erzählt. Zur Untermalung blenden die Filmemacherinnen Zeitungsartikel, Flyer, Bilder und Videos von Demonstrationen ein. Neben diesen zeithistorischen Dokumenten hilft vor allem Katharina Karcher bei der Einordnung der Zeitzeuginneninterviews. Die Historikerin schrieb ihre Doktorarbeit an der Universität in Oxford zum militanten westdeutschen Feminismus ab 1968 und setzt die subjektiven Erinnerungen der Aktivistinnen in den entsprechenden geschichtlichen Kontext.

Es geht in Frauen bildet Banden – Eine Spurensuche zur Geschichte der Roten Zora  nicht darum die Rote Zora historisch zu verklären oder einen Mythos um die Gruppe fortzuschreiben. Die Protagonistinnen* sprechen selbst immer wieder die Bedeutung einer kritischen Selbstreflektion als Teil der feministischen Praxis an, die im Film leider etwas kurz kommt. Genau hier kann aber eine Beschäftigung mit der Roten Zora, der Frage nach Frauen*organisierung und auch der Gewaltfrage an die Dokumentation anknüpfen.

Das FrauenLesbenFilmCollectif LasOtras holt die Rote Zora zurück ins feministische Bewusstsein und füllt mit dem Film eine Leerstelle in der Geschichtsschreibung der radikalen Linken in Deutschland, bei der die Frauengruppe oft in den Hintergrund rückt. Frauen bildet Banden – Eine Spurensuche zur Geschichte der Roten Zora vermittelt vor allem Sympathie für die Entschiedenheit der Zoras und zeigt, wie erschreckend aktuell die Kämpfe der Frauen*bewegung der 1970er- und 1980er-Jahre noch heute sind. Der Film macht Mut zu einer radikalen Gesellschaftskritik und Lust darauf, eigene  Frauen*banden zu bilden.

Kinostart: 28. April 2019

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