FFHH 2015: Rosita
Europäische Männer*, die sich Frauen* aus asiatischen Ländern einfliegen lassen, haben nicht unbedingt ein gutes Image. Das Klischee ist das eines bierbäuchigen Schwachmaten, der sich von seiner Thailänderin bedienen lässt – in der Küche wie im Schlafzimmer. Regisseurin Frederikke Aspöck aber blickt hinter diese Fassade aus Stereotypen und erzählt die Geschichte einer solchen Beziehung mit großer Fairness. In Rosita gibt es keine Opfer und Täter, sondern lediglich einsame Menschen.
Ulrik (Jens Albinus) will nach dem Tod seiner Frau wieder heiraten. Und zwar Rosita (Mercedes Cabral), eine Filippina, die er noch nie zuvor gesehen hat und mit der er sich auf Grund der Sprachbarriere nicht einmal unterhalten kann. Kein Wunder, dass sein erwachsener Sohn Johannes (Mikkel Boe Følsgaard) nicht besonders begeistert ist. Unfreiwillig wird dieser auf Grund seiner Englischkenntnisse auch noch zu Rositas einzigem Ansprechpartner und Übersetzer. Während Ulrik seine bestellte Frau nur als Besitz sehen kann, begegnet Johannes der zukünftigen „Stiefmutter“ auf Augenhöhe. Und somit ist er es, zu dem Rosita Vertrauen gewinnt und für den sie Gefühle entwickelt.
Regisseurin Frederikke Aspöck erzählt die Liebesgeschichte zwischen Johannes und Rosita mit großer Zärtlichkeit und benutzt dazu weniger Worte als die Kraft der Bilder. Verstohlene und sehnsuchtsvolle Blicke deuten die verbotenen Gefühle an – zunächst Neugier, dann Liebe und später Enttäuschung und Schmerz. Ohne jede Spur von Kitsch entsteht so eine tragische Romanze, die mit wohl dosiertem skandinavisch-trockenem Humor durchsetzt ist, der seine Charaktere niemals ins Lächerliche zieht.
Das Besondere an Aspöcks Erzählung ist die Fairness, mit der sie allen Figuren begegnet. Es gibt keine Täter und somit auch keine Opfer. Auch Rosita bleibt stets Agentin ihres Lebens, wirkt niemals hilflos, sondern entscheidet sich bewusst mit allen Konsequenzen für die Beziehung zu dem fremden und deutlich älteren Ulrik. Der wiederum ist kein bierbäuchiger Schwachmat, sondern ein einsamer Mann, der – vielleicht auf Grund seiner Sozialisation, vielleicht auf Grund der Beziehungskonstellation – nicht in der Lage ist, Rosita als gleichberechtigte Partnerin zu sehen. Somit ist aber das Abhängigkeitsverhältnis von beiden Parteien gewollt und jede_r Beteiligte zieht seinen Nutzen aus dem Arrangement. Wäre da nicht Johannes, der Rosita nicht besitzen, sondern lieben möchte, ihr dabei aber nicht jene Sicherheit und Zukunft bieten kann, für die sie ihr Land verlassen hat.
Rosita stellt verschiedene Beziehungen nebeneinander. Neben der arrangierten Ehe der Elterngeneration zeigt der Film auch die Liebschaft zwischen Johannes und seiner Freundin Maja (Julie Agnete Vang), in der Pläne verhandelt und nicht von einer Partei vorgegeben werden. Gleich zu Beginn des Films äußert Maja nach dem wilden Vögeln auf dem Kneipenklo recht unverblümt ihre Unzufriedenheit – eine Situation, wie sie zwischen Ulrik und Rosita auf Grund des Abhängigkeitsverhältnisses niemals entstünde. In der dynamischen Beziehung der jungen Menschen ist neben Streit aber auch Raum für eine Ausgelassenheit und Intimität, wie sie zwischen Ulrik und Rosita nicht stattfinden kann.
Doch auch hier fällt Frederikke Aspöck kein Urteil. Die eine Beziehung ist nicht mehr oder weniger richtig als die andere. Das einzige Kriterium ist die Entscheidungsfreiheit, die Abwesenheit von Zwang. Und Rositas Möglichkeiten sind zwar beschränkt, doch die Wahl trifft sie letztlich selbst. In dem sie niemandem eine Täter- oder Opferrolle zuschreibt, kann Aspöck die Beziehungsdynamik der Beteiligten aus einer neutralen Perspektive beobachten, was sich auch in der nüchternen, aber ehrlichen Inszenierung wiederspiegelt.
Mit einem Schmunzeln und viel Einfühlungsvermögen erzählt Rosita die Geschichte dreier einsamer Menschen, mit all ihren Schwächen und Stärken, und kann so das Thema der „bestellten Frau“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Das ist unterhaltsam wie auch berührend. Und ein bisschen Augen öffnend.
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