Black Box

Black Box spielt in einem Berliner Mietshaus. Filmemacherin Aslı Özge wählt ein zunächst alltägliches Setting, das in einen Ausnahmezustand gerät und beobachtet das Verhalten unterschiedlicher Protagonist:innen darin. Die Kameraperspektive, die durch Fenster späht und eine Erzählstruktur, die das Geschehen wie zufällig einfängt und zwischen unterschiedlichen Protagonist:innen wechselt, ihre Hintergrundgeschichten und Motive allenfalls andeutet, verstärkt den Eindruck, dass wir als Zuschauer:innen an einer Beobachtung teilhaben.

© Emre Erkmen / Port au Prince Pictures

Hausverwalter Johannes Horn (Felix Kramer) hat gerade erst den Bürocontainer im Innenhof bezogen, um die Sanierung voranzutreiben. Während dieses Vorhaben bei einigen Mieter:innen wie Lehrer Erik (Christian Berkel) auf Ablehnung stößt, sehen andere darin ihre Chance auf eine Eigentumswohnung. Henrike (Luise Heyer) hofft, diesem Traum durch einen neuen Job ein Stück näher zu kommen. Auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch wird sie jedoch aufgehalten. Die Polizei riegelt das Haus mit einem Großaufgebot ab, niemand darf rein oder raus.

© Julian Atanassov / Port au Prince Pictures

Da eine Erklärung für den Polizeieinsatz ausbleibt, suchen die Nachbar:innen in Whodunit-Marnier selbst nach Antworten und nach Schuldigen. Die Lösung des Mysteriums spielt in Black Box allerdings eine nachgeordnete Rolle. Innere Prozesse bleiben verborgen, wir können – so wie es die Metapher der Black Box in der Psychologie beschreibt – nur die äußeren Reize und Reaktionen beobachten. Mit fortlaufender Zeit steigert sich Misstrauen zu Verdächtigungen, die in Denunziation münden, bestehende Konflikte und Ängste spitzen sich zu, die Stimmung wird angespannter und aggressiver.

© Julian Atanassov / Port au Prince Pictures

Die psychologische Beobachtung erhält in Black Box auch eine politische Ebene. In ihrem Bedürfnis nach Sicherheit schottet sich die Hausgemeinschaft ab. Ein Poller soll die Zufahrt beschränken, Stacheldraht die Dächer sichern, Kameras das Kommen und Gehen überwachen. Schnell kommt die Frage auf, wer eigentlich zur Hausgemeinschaft gehört und wer nicht. Und wer profitiert eigentlich von der Krisensituation? Die Mieter:innen sollen einen gesellschaftlichen Durchschnitt mit unterschiedlichen politischen Haltungen, Religionen, Kulturen, Sprachen und Herkünften repräsentieren. Aslı Özge platziert dazu Buzzwords aktueller  Diskurse: Gentrifizierung, Terrorismus, Lockdown, Migration, Verschwörungsideologien und freie Meinungsäußerung ohne dabei konkret zu werden. Black Box zeichnet ein beklemmendes Bild einer zerfallenden Gesellschaft, das jedoch oberflächlich bleibt und kaum zu einem Erkenntnisgewinn über die bestehenden Verhältnisse beiträgt.

Kinostart: 10. August 2023

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