Berlinale 2025: Xiang fei de nv hai (Girls on Wire)
Mit einem Mix aus Gangster- bzw. Noirplot und Familientragödie erhebt Vivian Qu mit Xiang fei de nv hai (Girls on Wire) den Zeigefinger gegen Drogen und die Gier nach Geld und lässt ihre beiden Protagonistinnen für ihre Abnabelung von gewaltvollen Strukturen kämpfen. Stereotype Nebenfiguren und eine erwartbare Narration lassen den Film aber großteils zu glatt werden und Komplexität missen.
Die Haupthandlung von Xiang fei de nv hai ist in einer riesigen Filmstadt verortet – gedreht wurde in der Changchun Film City, wie Qu in einem Interview erklärt – in der eine der beiden Charaktere im Zentrum der Geschichte, Fang Di, als Stuntfrau arbeitet und mit ihrem Gehalt primär die Schulden ihrer Familie abbezahlt. Einige der Film-im-Film-Szenen, die ihren Arbeitsalltag illustrieren, machen Spaß anzuschauen, etwa wenn Fang Di gegen Scharen von Angreifern kämpft und mit zarter Statur und großer Kraft an schweren Seilen durch die historischen Kulissen schwebt. Eine andere Szene hingegen verdeutlicht die Härte ihres Jobs und die Abhängigkeit von den Launen des Regisseurs. Wieder ein anderes Mal spielt Fang Di in einer Soap Opera und kann sich das Lachen angesichts des lächerlichen Eifersuchtsdialogs nicht mehr verkneifen (hier fallen auch bei der Premiere die Reaktionen im Publikum unterschiedlich aus, es scheint, als sei der Spaß mehr jenen vorbehalten, die den Nuancen der Originalsprache folgen können). In diesem Moment hängt sie den Job kurzfristig an den Nagel, ihre Karriere als Schauspielerin hat sie sich anders vorgestellt.

© L’Avventura Films
Doch besser als ihrer Cousine Tian Tian, mit der sie – so erklären die wiederholten Rückblenden – wie mit einer Schwester Seite an Seite aufgewachsen ist, geht es ihr allemal, hat diese doch von Kindesbeinen an mit dem Los zu kämpfen, die Machenschaften ihres drogenabhängigen Vaters zu ertragen. Zudem zog dieser sie bereits früh und nun immer tiefer in eine Abwärtsspirale hinein, sodass sie nicht nur um das Leben ihrer fünfjährigen Tochter zittern musste, sondern auch selbst von den üblen Drogenbossen in Gefangenschaft genommen wurde. Als es ihr gelingt auszubrechen, hiermit eröffnet der Film, eilt sie in die Filmstadt, um Fang Di um Hilfe zu bitten. Doch die zwei haben sich lange nicht gesehen, vieles liegt ungeklärt in der Vergangenheit.
Was folgt, ist eine Aufarbeitung, ein erneutes Bonding und der Versuch, sich aus den Fängen der Drogenmafia zu befreien. Was Fang Di am Set gelingt, könnte nun das Leben von Tian Tiane retten. Vivian Qu erlangte Bekanntheit durch ihre Tätigkeit als eine von wenigen unabhängigen Produzent*innen in China, so produzierte sie etwa Báirì yànhuǒ (Feuerwerk am helllichten Tage) von Diao Yinan, der 2014 den Goldenen Bären erhielt. Xiang fei de nv hai ist ihr dritter Spielfilm als Regisseurin und Drehbuchautorin. Wie bereits in ihrem vorigen Film Jia Nian Hua stehen zwei weibliche Figuren, die um ihre Unabhängigkeit kämpfen, im Zentrum. Von Komplexität sind deren Innenleben nicht geprägt, Fang Di ist die unnahbare Kämpferin, die sich von der Familie getrennt hat und ihr dennoch ewig verbunden bleibt und Tian Tian kann ihrer Opferrolle nicht entkommen. Von Anfang an scheint alles besiegelt. Auch die Form des Films und seine Handlung.
Girls on Wire ist Teil des Wettbewerbs der Berlinale 2025.
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